Verwaltungshaft verlängert

Diese Urgent Action ist beendet.

Nahaufnahme von Khalida Jarrar, im Vordergrund Pressemikrophone

Die palästinensische Parlamentarierin Khalida Jarrar

Israel verlängert ohne Anklage oder Gerichtsverfahren die Verwaltungshaft der führenden palästinensischen Politikerin und Parlamentsabgeordneten Khalida Jarrar für weitere sechs Monate.

Appell an

Verteidigungsminister

Avigdor Liberman

Ministry of Defense

37 Kaplan Street, Hakirya

Tel Aviv 61909, ISRAEL

Sende eine Kopie an

Minister für Öffentliche Sicherheit

Gilad Erdan

Kiryat Hamemshala

PO Box 18182

Jerusalem 91181

ISRAEL

Fax: (00 972) 2 584 7872

E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

Botschaft des Staates Israel

S.E. Herrn Jeremy Nissim Issacharoff

Auguste-Viktoria-Straße 74-76

14193 Berlin

Fax: 030 – 8904-5555

E-Mail: botschaft@israel.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte Khalida Jarrar und alle anderen Verwaltungshäftlinge frei, sofern Sie die Betroffenen nicht umgehend einer international anerkannten Straftat anklagen und ihnen ein Gerichtsverfahren gewähren, das internationalen Standards entspricht.
  • Leiten Sie bitte sofort die notwendigen Schritte zur Abschaffung der Verwaltungshaft ein.

Sachlage

Die Verwaltungshaftanordnung für Khalida Jarrar wurde am 31. Dezember 2017 erneut für sechs Monate verlängert. Ein Militärgericht bestätigte am 4. Januar diese Entscheidung. Damit endet ihre Verwaltungshaft voraussichtlich am 30. Juni 2018. Khalida Jarrar ist eine gewählte Abgeordnete des palästinensischen Parlaments, die seit dem 2. Juli 2017 im HaSharon-Gefängnis in Israel festgehalten wird. Am 12. Juli 2017 war eine sechsmonatige Verwaltungshaft gegen sie angeordnet und von einem Militärgericht am 18. Juli 2017 bestätigt worden. Laut Anordnung sollte die Verwaltungshaft am 1. Januar 2018 enden.

Der Anwalt von Khalida Jarrar, Mahmoud Hassan von der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer, hat beim israelischen Militärberufungsgericht Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt, die Haft zu verlängern. Die Berufungsanhörung ist für den 30. Januar angesetzt. Obwohl die maximale Haftdauer für eine Verwaltungshaftanordnung sechs Monate beträgt, kann diese nach israelischem Recht beliebig oft verlängert werden. Damit besteht keine Garantie, dass Khalida Jarrar am 30. Juni 2018 freikommt.

Die Verbringung von Khalida Jarrar in das HaSharon-Gefängnis verstößt gegen humanitäres Völkerrecht. Menschen, die in besetzten Gebieten festgenommen werden, müssen auch dort inhaftiert werden und nicht auf dem Gebiet der Besatzungsmacht. Die israelischen Behörden beschuldigen Khalida Jarrar der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation, was sie jedoch zurückweist.

Addameer zufolge halten die israelischen Behörden gegenwärtig neun Mitglieder des Palästinensischen Legislativrats (Parlament der palästinensischen Gebiete und der palästinensischen Autonomiebehörde) ohne Anklage oder Gerichtsverfahren per Verwaltungshaftanordnung fest.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die 54-jährige Khalida Jarrar ist eine gewählte palästinensische Parlamentarierin und erklärte Kritikerin der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete sowie der Zusammenarbeit der palästinensischen Behörden mit dem israelischen Militär im Sicherheitsbereich. Sie ist Mitglied des Vorstands der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer und Mitglied des Komitees, das die palästinensischen Anliegen vor dem Internationalen Strafgerichtshof voranbringen soll. Ihr besonderes Engagement gilt der Verbesserung der Rechte palästinensischer Gefangener und ihrer Familien.

Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Seit dem Jahr 1998 ist ein Reiseverbot gegen sie verhängt. Im Jahr 2010 wurde das Reiseverbot für einige Tage aufgehoben, damit sie nach Jordanien reisen und sich dort wegen einer schweren chronischen Erkrankung einer medizinischen Untersuchung unterziehen konnte. Sie war bis April 2015 noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die israelischen Behörden sie in der Vergangenheit wiederholt als eine "Gefahr für die Sicherheit" eingestuft. Am 2. April 2015 wurde Khalida Jarrar in ihrem Haus in Ramallah verhaftet und in Verwaltungshaft genommen. Bei einer Anhörung zur Überprüfung ihrer Verwaltungshaftanordnung am 15. April 2015 erhob die Militärstaatsanwaltschaft in zwölf Punkten Anklage gegen die Palästinenserin. Die Anklagepunkte beziehen sich auf die Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP) sowie auf die Anstiftung zur Entführung von israelischen Soldat_innen. Sie selbst wies diese Anschuldigungen vehement von sich. Angaben ihrer Rechtsbeistände zufolge entbehren diese jeglicher Grundlage. Nach einem unfairen Gerichtsverfahren vor einem israelischen Militärgericht wurde Khalida Jarrar in vier Anklagepunkten schuldig gesprochen, unter anderem wegen Aufwiegelung. Sie saß 14 Monate ihrer Haft ab und wurde im Juni 2016 mit einer fünfjährigen Bewährungsstrafe wieder freigelassen.

Am 2. Juli 2017 wurde Khalida Jarrar bei einer frühmorgendlichen Durchsuchung ihres Hauses in Ramallah (besetztes Westjordanland) erneut festgenommen. Augenzeugenberichten zufolge begannen 50 bewaffnete israelische Soldat_innen um vier Uhr früh mit der Durchsuchung und beschlagnahmten dabei auch das Mobiltelefon, den Tablet-PC und die Computerfestplatte von Khalida Jarrar.

Die Verwaltungshaft – angeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen – wird von Israel als Alternative zum Strafjustizsystem benutzt, um Strafverdächtige festzunehmen, anzuklagen und strafrechtlich zu verfolgen. Zudem werden Verwaltungshaftanordnungen gegen Personen eingesetzt, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Obwohl die maximale Haftdauer einer Verwaltungshaftanordnung sechs Monate beträgt, können diese immer wieder verlängert werden. Amnesty International ist der Ansicht, dass es sich bei einigen der Palästinenser_innen in israelischer Verwaltungshaft um gewaltlose politische Gefangene handelt, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft gehalten werden.

Nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer befanden sich im Dezember 2017 insgesamt 434 Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in israelischer Verwaltungshaft.