Weitere Hinrichtung verhindern!

Das Bild zeigt das Porträt eines jungen Mannes

Hossein Shahbazi droht im Iran die Hinrichtung, obwohl er zum Tatzeitpunkt minderjährig war (Archivbild).

Hossein Shahbazi droht unmittelbar die Hinrichtung für ein Verbrechen, das er im Alter von 17 Jahren verübt haben soll. Sein Prozess wurde durch schwere Verfahrensfehler beeinträchtigt, einschließlich der Verwendung von unter Folter erpressten "Geständnissen". Erst am 24. November 2021 richteten die iranischen Behörden Arman Abdolali für ein Verbrechen hin, das er begangen haben soll, als er ebenfalls erst 17 Jahre alt war. Dies ist ein Verstoß gegen das Verbot der Verhängung von Todesurteilen gegen Menschen, die zum Zeitpunkt des ihnen zur Last gelegten Verbrechens unter 18 Jahre alt waren.

Appell an

Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Brüssel
BELGIEN

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin

Fax: 030 83 222 91 33

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie, die Hinrichtung von Hossein Shahbazi sofort zu stoppen.
  • Ich fordere Sie höflich auf, seinen Schuldspruch und das Strafmaß aufzuheben und ihm ein faires Wiederaufnahmeverfahren in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und den Prinzipien der Jugendgerichtsbarkeit zu gewähren, unter Ausschluss von erzwungenen "Geständnissen" und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe.
  • Ich fordere Sie zudem nachdrücklich auf, sofort Schritte zu unternehmen, um die Anwendung der Todesstrafe gegen minderjährige Straftäter_innen abzuschaffen, um das Vorgehen der Justiz mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Iran, einschließlich der Konvention über die Rechte des Kindes, in Einklang zu bringen.
  • Bitte leiten Sie zudem eine Untersuchung der Vorwürfe ein, denen zufolge Arman Abdolali vor seiner Hinrichtung gefoltert wurde, und stellen Sie die dafür Verantwortlichen vor Gericht.

Sachlage

Hossein Shahbazi, mittlerweile 20 Jahre alt, droht die unmittelbare Hinrichtung im Adelabad-Gefängnis in Schiras, Provinz Fars. Er wurde in einem grob unfairen Verfahren für eine Straftat, die er im Alter von 17 Jahren begangen haben soll, zum Tode verurteilt. Ursprünglich sollte er bereits am 25. Dezember 2021 hingerichtet werden. Mit der Hinrichtung würde der Iran gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, die Todesstrafe nicht gegen Personen anzuwenden, die zur Tatzeit unter 18 Jahre alt waren, und Hossein Shahbazis ausstehenden Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahren ignorieren. Die Hinrichtung wurde zwar aufgrund internationalen Eingreifens ausgesetzt, könnte aber jederzeit vollstreckt werden. Auf internationalen Druck hin ist Hossein Shahbazis Hinrichtung insgesamt bereits dreimal verschoben worden. Geplant war sie ursprünglich für den 1. März 2021, dann für den 28. Juni 2021, und zuletzt für den 25. Juli 2021. Hossein Shahbazi wurde am 13. Januar 2020 nach einem grob unfairen Verfahren von der Abteilung 3 des Strafgerichts der Provinz Fars des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Er wurde unter anderem aufgrund von "Geständnissen" für schuldig befunden, die seiner Aussage nach durch Folter in einem Haftzentrum der Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) erpresst worden waren. Das Gericht räumte in seinem schriftlichen Urteil ein, dass er zum Zeitpunkt des Verbrechens noch keine 18 Jahre alt war, argumentierte aber, dass die Legal Medicine Organization of Iran, ein staatliches forensisches Institut, festgestellt hatte, dass er zum Zeitpunkt des Verbrechens über die nötige geistige Reife verfügt habe, um die Schwere seiner Tat zu erkennen, und dass daher die Todesstrafe gemäß Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches angemessen sei. Im Juni 2020 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil. Hossein Shahbazi hatte am 20. Juni 2021 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, der bis jetzt noch nicht durch den Obersten Gerichtshof beantwortet wurde.

Am 24. November 2021 wurde der 25-jährige Arman Abdolali im Raja'i Shahr-Gefängnis in Karaj, Provinz Alborz, für ein Verbrechen hingerichtet, das er begangen haben soll, als er noch keine 18 Jahre alt war. Dies stellt einen schwerwiegenden Völkerrechtsverstoß dar. Im Zeitraum zwischen dem 13. Oktober und dem 21. November 2021 verschoben die iranischen Behörden seine geplante Hinrichtung insgesamt fünfmal. Jedes Mal wurde er in Einzelhaft verlegt und danach wieder in die allgemeine Gefängnisabteilung rückgeführt. Diese Verlegungen, welche wiederholte Grausamkeiten sind, versetzten Arman Abdolali in starke Angstzustände und führten zu schwerwiegendem psychischem Leiden. Deshalb, und in Anbetracht dessen, dass die Verlegungen vorsätzlich als Teil seines Bestrafungsprozesses stattfanden, ist Amnesty International der Ansicht, dass Arman Abdolali in seinen letzten Lebenswochen per völkerrechtlicher Definition gefoltert wurde. Sein jüngster Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof, den er am 17. Oktober 2021 einreichte, wurde vor seiner Hinrichtung nicht mehr beantwortet. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 24. Dezember 2021 erhielten Hossein Shahbazis Familienangehörige einen Anruf von einem Beamten des Adelabad-Gefängnisses, um ihm vor seiner geplanten Hinrichtung am 25. Dezember 2021 noch einen letzten Besuch abstatten zu können. Nach internationalen Interventionen wurde seine Hinrichtung jedoch ausgesetzt. Hossein Shahbazi war am 30. Dezember 2018 festgenommen worden, danach wurde ihm elf Tage lang der Zugang zu einem Rechtsbeistand und seiner Familie verweigert, während er in einer Hafteinrichtung der Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) in Shiraz verhört wurde. Anschließend wurde er in eine Jugendstrafanstalt verlegt, wobei ihm weiterhin der Zugang zu seiner Familie für mehrere Tage verwehrt wurde; erst danach durfte ihn seine Mutter besuchen. Das Todesurteil gegen Hossein Shahbazi, zum Teil auf der Grundlage eines Gutachtens der Legal Medicine Organization of Iran (LMOI), das seine Volljährigkeit zur Tatzeit bestätigt, wirft erneut ein Schlaglicht auf die Komplizenschaft von dem LMOI nahe stehenden Ärzt_innen, bei dem anhaltenden Angriff auf das Recht von Kindern auf Leben im Iran.

Arman Abdolali wurde erstmals am 23. Dezember 2015 zum Tode verurteilt, nachdem die Abteilung 4 des Teheraner Provinzstrafgerichts ihn wegen Mordes im Zusammenhang mit dem Verschwinden seiner Freundin im Jahr 2014 für schuldig befunden hatte. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass die Art und Weise, wie der Mord begangen wurde, ohne Spuren zu hinterlassen, darauf hindeutet, dass Arman Abdolali die Reife eines Erwachsenen erlangt und die Art und die Konsequenzen des Verbrechens verstanden hatte. Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Schuldspruch und das Strafmaß im Juli 2016. Arman Abdolali sollte daraufhin am 1. Januar 2020 hingerichtet werden, doch nach internationalen Protesten wurde seine Hinrichtung gestoppt. Arman Abdolalis Fall wurde daraufhin an die Abteilung 5 des Strafgerichts der Provinz Teheran zur erneuten Verhandlung verwiesen, die sich im Wesentlichen darauf konzentrierte, ob es Zweifel an seiner Reife zur Tatzeit gab, die es rechtfertigten, seine Todesstrafe durch eine alternative Strafe zu ersetzen. Am 22. September 2020 entschied diese Abteilung, dass es unmöglich sei, seine Reife sieben Jahre nach dem Verbrechen zu beurteilen und daher die Vermutung der vollen strafrechtlichen Verantwortlichkeit aus dem ersten Verfahren bestehen bleibe. Im Februar 2021 bestätigte der Oberste Gerichtshof dieses Urteil. Siehe www.amnesty.org/en/documents/mde13/5049/2021/en/ für weitere Informationen zu den Umständen von Arman Abdolalis Hinrichtung.

Die gerichtlichen Entscheidungen in den Fällen Arman Abdolali und Hossein Shahbazi werfen einmal mehr ein Schlaglicht auf den mangelhaften Charakter des iranischen Jugendstrafsystems, das davon ausgeht, dass in Fällen von Mord und bestimmten anderen Kapitalverbrechen Jungen im Alter von über 15 Mondjahren und Mädchen im Alter von über neun Mondjahren genauso schuldfähig sind wie Erwachsene und daher die Todesstrafe verdienen. Ihre Todesurteile unterstreichen erneut den grundsätzlich fehlerhaften Charakter von Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches von 2013. Dieser gibt Richter_innen das Recht, nach ihrem Ermessen die Todesstrafe auch gegen diejenigen zu verhängen, die zum Zeitpunkt des Verbrechens noch minderjährig waren. Unter Berücksichtigung der internationalen Menschenrechtsnormen darf ein Ermessenspielraum dieser Art unter keinen Umständen gegeben sein. Amnesty International hat die iranischen Behörden, einschließlich Abgeordneter, wiederholt aufgefordert, Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches zu ändern, in Überreinstimmung mit den Verpflichtungen Irans unter den internationalen Menschenrechtsnormen, um die Anwendung der Todesstrafe für alle minderjährigen Straftäter_innen abzuschaffen, ohne jegliche Ausnahme oder Ermessensspielraum für Richter_innen. 

Das iranische Strafjustizsystem ermöglicht den willkürlichen Entzug des Rechts auf Leben, erhält einen Kreislauf der Gewalt aufrecht, und zielt darauf ab, die Verantwortung für staatlich sanktionierte Tötungen an die abzugeben, die Angehörige durch Mord verloren haben. Im Iran gibt es Gesetze namens "qesas" (Vergeltung gleicher Art). Es handelt sich hierbei um Vergeltungsmaßnahmen, bei denen diejenigen, die wegen Mordes verurteilt wurden, das gleiche Schicksal ereilen soll, wie das Mordopfer, also der Tod. Dieses Gesetz berechtigt die Hinterbliebenen des Mordopfers dazu, die Tötung des Angeklagten einzufordern oder zu vollstrecken, oder eine Begnadigung im Gegenzug für Blutgeld (Diyeh) zu gestatten. In Todesstrafenfällen, wie denen von Arman Abdolali oder Hossein Shahbazi, bei denen Personen wegen Verbrechen verurteilt wurden, die sie als Minderjährige begingen und die aufgrund von "qesas" bestehen, haben die iranischen Behörden die Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft immer wieder getäuscht. Dies geschah, indem sie behaupteten, dass die finale Entscheidung, ob die Hinrichtung vollstreckt oder gestoppt würde, außerhalb ihres Wirkungsbereichs läge. Sie könnten nur eine Vermittlerrolle einnehmen und die Familienangehörigen des Opfers darin bestärken, eine Begnadigung im Gegenzug für Blutgeld (Diyeh) zu gestatten. Amnesty International betont, dass diese Behauptungen falsch sind und zeigen, dass die iranischen Behörden die Kinderrechte nicht ausreichend schützen. Iranische Gerichte verurteilen immer wieder Personen wegen Verbrechen zum Tode, die sie als Minderjährige begangen haben. Dies ist ein Verstoß gegen internationales Recht. Zudem lehnen die iranischen Behörden wiederholt Anträge zur Umwandlung von Todesurteilen ab.

Das absolute Verbot der Anwendung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Zeitpunkt des Verbrechens unter 18 Jahre alt waren, ist im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in der Konvention über die Rechte des Kindes enthalten, die beide vom Iran ratifiziert wurden. Es ist auch als zwingende Norm des Völkergewohnheitsrechts anerkannt, was bedeutet, dass das Verbot von der internationalen Staatengemeinschaft als eine Norm akzeptiert und anerkannt wird, die für alle Staaten verbindlich ist und von der nicht abgewichen werden darf. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften der verurteilten Person, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode.