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Iran: Zur Tatzeit 17-Jährigen droht die Hinrichtung
Arman Abdolali und Hossein Shahbazi
© privat
Trauriges Update: Arman Abdolali wurde am Morgen des 24.11. 2021 im Radschai-Schahr-Gefängnis nahe Teheran hingerichtet.
Dem 20-jährigen Iraner Hossein Shahbazi droht die Hinrichtung für ein Verbrechen, das geschah, als er gerade 17 Jahre alt war. Nachdem die Hinrichtung zweimal verschoben worden war, haben sie die iranischen Behörden trotz eines weltweiten Aufschreis für den 25. Juli neu angesetzt. Auch der 25-jährige Arman Abdolali war wegen eines Verbrechens zum Tode verurteilt worden, das sich ereignete, als er erst 17 Jahre alt war. Nachdem er zum zweiten Mal zum Tode verurteilt wurde, droht auch ihm unmittelbar die Hinrichtung. Beide Prozesse wurden durch schwere Verfahrensfehler beeinträchtigt, einschließlich der Verwendung von unter Folter erpressten "Geständnissen".
Appell an
Oberste Justizautorität
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Brüssel
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie, die Hinrichtungen von Hossein Shahbazi und Arman Abdolali sofort zu stoppen. Ich fordere Sie höflich auf, ihre Schuldsprüche und das Strafmaß aufzuheben und ihnen faire Wiederaufnahmeverfahren in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Jugendgerichtsbarkeit zu gewähren, unter Ausschluss von erzwungenen "Geständnissen" und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe.
- Ich fordere Sie zudem nachdrücklich auf, sofort Schritte zu unternehmen, um die Anwendung der Todesstrafe gegen minderjährige Straftäter_innen abzuschaffen, um das Vorgehen der Justiz in Einklang mit den Verpflichtungen des Iran nach internationalem Recht, einschließlich der Konvention über die Rechte des Kindes, zu bringen.
Sachlage
Hossein Shahbazi soll am 25. Juli 2021 im Adelabad-Gefängnis in Shiraz in der Provinz Fars wegen eines Verbrechens hingerichtet werden, das begangen wurde, als er 17 Jahre alt war. Seine Hinrichtung, die zuvor für den 1. März 2021 und erneut für den 28. Juni 2021 angesetzt war, wurde auf zunehmenden internationalen Druck hin bereits zweimal verschoben. Staatsanwaltschaft und Justizbehörden haben einen dritten Termin für die Hinrichtung von Hossein Shahbazi festgelegt, obwohl ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wurde. Hossein Shahbazi wurde am 13. Januar 2020 nach einem grob unfairen Verfahren vor der Abteilung 3 des Strafgerichts der Provinz Fars des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Er wurde unter anderem aufgrund von "Geständnissen" verurteilt, die seiner Aussage nach durch Folter und andere Misshandlungen in einem Haftzentrum der Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) erpresst worden waren. Das Gericht räumte in seinem schriftlichen Urteil ein, dass er zum Zeitpunkt des Verbrechens noch keine 18 Jahre alt war, argumentierte aber, dass die Legal Medicine Organization of Iran, ein staatliches forensisches Institut, festgestellt hatte, dass er zum Zeitpunkt des Verbrechens über die nötige geistige Reife verfügt habe, um die Schwere seiner Tat zu erkennen, und dass daher die Todesstrafe gemäß Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches angemessen sei. Im Juni 2020 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil.
Einem weiteren jungen Mann, Arman Abdolali, droht ebenfalls unmittelbar die Hinrichtung für ein Verbrechen, das begangen wurde, als er 17 Jahre alt war. Das Urteil soll im Raja'i Shahr-Gefängnis in Karaj, Provinz Alborz, vollstreckt werden. Nach einem grob unfairen Verfahren, bei dem sich das Gericht auf unter Folter erpresste "Geständnisse" stützte, wurde er im Dezember 2015 zum ersten Mal wegen Mordes zum Tode verurteilt. Das Gericht erklärte, dass die Umstände des Verbrechens darauf hindeuteten, dass er die geistige Reife eines Erwachsenen erlangt hatte und daher die Todesstrafe verdiente. Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil im Juli 2016. Beide Gerichte nahmen die Aussagen von Arman Abdolali, dass er 76 Tage lang in Einzelhaft gehalten und wiederholt geschlagen wurde, um ein Geständnis abzulegen, in ihren Urteilen zwar zur Kenntnis, ordneten aber keine Untersuchung an und bezeichneten die "Geständnisse" als "eindeutig". Im Februar 2020 gewährte der Oberste Gerichtshof Arman Abdolali eine Wiederaufnahme des Verfahrens, hauptsächlich aufgrund "möglicher Zweifel" an seiner Reife. Im September 2020 verurteilte ihn das Strafgericht der Provinz Teheran erneut zum Tode, mit der Begründung, dass es unmöglich sei, seine Reife sieben Jahre nach dem Verbrechen zu beurteilen und daher die Vermutung der vollen strafrechtlichen Verantwortlichkeit aus dem ersten Verfahren bestehen bleibe. Im Februar 2021 bestätigte der Oberste Gerichtshof dieses Urteil.
Hintergrundinformation
Hossein Shahbazi wurde am 30. Dezember 2018 festgenommen und ihm wurde elf Tage lang der Zugang zu einem Rechtsbeistand und seiner Familie verweigert, während er in einer Hafteinrichtung der Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) in Shiraz verhört wurde. Anschließend wurde er in eine Jugendstrafanstalt verlegt, wobei ihm weiterhin der Zugang zu seiner Familie für mehrere Tage verwehrt wurde; erst danach durfte ihn seine Mutter besuchen. Das Todesurteil gegen Hossein Shahbazi, zum Teil auf der Grundlage eines Gutachtens der Legal Medicine Organization of Iran (LMOI), das seine Volljährigkeit zur Tatzeit bestätigt, wirft erneut ein Schlaglicht auf die Komplizenschaft von dem LMOI nahe stehenden Ärzt_innen, bei dem anhaltenden Angriff auf das Recht von Kindern auf Leben im Iran. Amnesty International hat die LMOI bereits früher aufgefordert, sich nicht an Prozessen zu beteiligen, die von Natur aus die Menschenrechte von Kindern verletzen und ihre Hinrichtung erleichtern, und eine Position einzunehmen, dass alle Kinder unter 18 Jahren in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Prinzipien der Jugendgerichtsbarkeit als weniger reif und schuldfähig als Erwachsene behandelt werden müssen. Medizinische Fachkräfte haben die klare Pflicht, jede Beteiligung an Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen, einschließlich der Todesstrafe, zu vermeiden.
Arman Abdolali wurde erstmals am 23. Dezember 2015 zum Tode verurteilt, nachdem die Abteilung 4 des Teheraner Provinzstrafgerichts ihn wegen Mordes im Zusammenhang mit dem Verschwinden seiner Freundin im Jahr 2014 verurteilt hatte. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass die Art und Weise, wie der Mord begangen wurde, ohne Spuren zu hinterlassen, darauf hindeutet, dass Arman Abdolali die Reife eines Erwachsenen erlangt und die Art und die Konsequenzen des Verbrechens verstanden hatte. Bei dieser Entscheidung stützte sich das Gericht auch auf die Meinung einer Beraterin des Kinder- und Jugendgerichts, dass Arman Abdolali die "abscheuliche" Natur des begangenen Verbrechens verstanden habe.
Daher kam das Gericht zu dem Schluss, dass er die Todesstrafe gemäß Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches verdient. Am 20. Juli 2016 bestätigte die Abteilung 29 des Obersten Gerichtshofs des Iran die Verurteilung und das Urteil. Arman Abdolali sollte daraufhin am 1. Januar 2020 hingerichtet werden, doch nach einem internationalen Aufschrei wurde seine Hinrichtung gestoppt. Am 8. Februar 2020 gab die Abteilung 15 des Obersten Gerichtshofs dem Antrag von Arman Abdolali auf Wiederaufnahme des Verfahrens statt, nachdem die Beraterin des Kinder- und Jugendgerichts, die an dem ursprünglichen Verfahren beteiligt war, ihre ursprüngliche Stellungnahme zurückgezogen und schriftlich ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie die Stellungnahme abgegeben hatte, ohne Arman Abdolali zu treffen und ohne seine Strafakte gelesen oder irgendwelche Informationen über seinen Charakter eingeholt zu haben. Arman Abdolalis Fall wurde daraufhin an die Abteilung 5 des Strafgerichts der Provinz Teheran zur erneuten Verhandlung verwiesen, die sich im Wesentlichen darauf konzentrierte, ob es Zweifel an seiner Reife zur Tatzeit gab, die es rechtfertigten, seine Todesstrafe durch eine alternative Strafe zu ersetzen; das Gericht prüfte jedoch nicht die Hinlänglichkeit der Beweise, die zu seiner ursprünglichen Verurteilung führten. Am 22. September 2020 entschied die Abteilung 5 des Teheraner Strafgerichts, dass es nicht möglich sei, die Reife von Arman Abdolali Jahre nach der Tat festzustellen. Dieses Urteil unterstreicht einmal mehr den mangelhaften Charakter des iranischen Jugendstrafsystems, das davon ausgeht, dass in Fällen von Mord und bestimmten anderen Kapitalverbrechen Jungen im Alter von über 15 Mondjahren und Mädchen im Alter von über neun Mondjahren genauso schuldig sind wie Erwachsene und daher die Todesstrafe verdienen. Während Artikel 91 des islamischen Strafgesetzbuches den Richter_innen einen Ermessensspielraum einräumt, die Todesstrafe durch eine alternative Strafe zu ersetzen, wenn sie feststellen, dass es Zweifel an der vollen "geistigen Reife" der Person zum Zeitpunkt des Verbrechens gibt, gibt es in der Praxis keine Grundsätze und Richtlinien über die Art der Beweise und die Beweisstandards, die erforderlich sind, um die Vermutung der Reife zu widerlegen. Amnesty International hat die iranischen Behörden wiederholt aufgefordert, Artikel 91 des Islamischen Strafgesetzbuches zu ändern, um die Anwendung der Todesstrafe für alle minderjährigen Straftäter_innen abzuschaffen, ohne jegliche Ausnahme oder Ermessensspielraum für Richter_innen.
Das absolute Verbot der Anwendung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Zeitpunkt des Verbrechens unter 18 Jahre alt waren, ist im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in der Konvention über die Rechte des Kindes enthalten, die beide vom Iran ratifiziert wurden. Es ist auch als zwingende Norm des Völkergewohnheitsrechts anerkannt, was bedeutet, dass das Verbot von der internationalen Staatengemeinschaft als eine Norm akzeptiert und anerkannt wird, die für alle Staaten verbindlich ist und von der nicht abgewichen werden darf.
In einem Medieninterview am 30. Juni 2021 erklärte der Abgeordnete des iranischen Hohen Rates für Menschenrechte, Majid Tafreshi: "Wenn wir über Kinder unter 18 Jahren sprechen, reden wir nicht über sechs oder fünf Jahre alte Kinder. Wir sprechen hauptsächlich über 17 Jahre alte große Jungs, (bei denen) das Gericht ihre Reife anerkannt hat". Amnesty International verzeichnete im Jahr 2020 die Hinrichtungen von mindestens drei Personen, die zum Zeitpunkt der Tat unter 18 Jahre alt waren. Die Organisation hat außerdem über 80 weitere Personen im Todestrakt identifiziert, die zur Tatzeit unter 18 Jahre alt waren. Im Jahr 2020 führte der Iran mindestens 246 Hinrichtungen durch.