Iran: weitere drohende Hinrichtungen

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Das Bild zeigt sechs Porträtfotos von jeweils einem Mann.

Im Iran von der Todesstrafe bedroht: Mohammad Ghobadlou, Saeed Yaghoubi, Hamid Ghare-Hasanlou, Mohammad Boroughani, Mohsen Rezazadeh Gharagholou, Ebrahim Rigi (von oben nach unten, von links nach rechts)

+++ Update 18.04.2023: Das Todesurteil von Hamid Ghare-Hasanlu wurde in eine 15-jährige Haftstrafe umgewandelt. Seine ebenfalls angeklagte Ehefrau Farzaneh Ghare-Hasanlou muss für fünf Jahre ins Gefängnis. Auch die von der Todesstrafe bedrohten Männer Reza Arya (Aria) und Hossein Mohammadi erhielten nun Haftstrafen. +++ Update: Die willkürlichen Exekutionen durch die iranischen Behörden in Verbindung mit den landesweiten Protesten gehen weiter. Nachdem im Dezember Majidreza Rahnavard und Mohsen Shekari hingerichtet wurden, folgten am 7. Januar Mohammad Mehdi Karami und Seyed Mohammad Hosseini. Für Hamid Ghareh-Hasanlou hatte der Oberste Gerichtshof eine Neuverhandlung angeordnet. Der folgende Text spiegelt zwar den Sachstand zu Beginn dieser Urgent Action am 16. Dezember 2022 wider, doch euer Einsatz ist dringlicher denn je. Setzt euch bitte weiter für alle inhaftierten Protestierenden ein. Nutzt unsere (aktualisierten) Appellschreiben an die Verantwortlichen und fordert die Aufhebung der Todesurteile. Jede Stimme zählt!

Appell an

Oberste Justizautorität

Gholamhossein Mohseni Ejei

c/o Embassy of Iran to the European Union

Avenue Franklin Roosevelt No. 15


1050 Bruxelles

BELGIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republic Iran

S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh

Podbielskiallee 65-67

14195 Berlin


Fax: 030–83 222 91 33

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Bitte heben Sie umgehend alle Schuldsprüche und Todesurteile auf. Sehen Sie bitte von weiteren Todesurteilen ab und sorgen Sie dafür, dass alle Personen, die einer als Straftat anerkannten Handlung angeklagt sind, in Verfahren verurteilt werden, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen und nicht auf die Todesstrafe zurückgreifen.
  • Bitte lassen Sie alle Inhaftierten frei, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Inhaftierten Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl erhalten und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt sind. Stellen Sie sicher, dass Foltervorwürfe untersucht und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass unabhängige Beobachter*innen aus Ländern mit Botschaften im Iran Zugang zu den Verfahren mit möglichen Todesurteilen im Zusammenhang mit den Protesten erhalten.
  • Verhängen Sie bitte umgehend ein offizielles Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen.

Sachlage

(Stand: 16.12.2022; Text wurde nicht aktualisiert)

Im Iran werden Menschen im Zuge von unfairen Scheinprozessen zum Tode verurteilt, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Proteste zu beenden. In Verbindung mit den landesweiten Protesten droht mindestens 26 Menschen die Hinrichtung, nachdem die Behörden kürzlich zwei Personen willkürlich exekutierten. Den Betroffenen wird in Verbindung mit den landesweiten Protesten "Feindschaft zu Gott" (moharebeh), "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) und "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" (baghi) vorgeworfen, wofür sie in unfairen Scheinprozessen entweder bereits verurteilt wurden oder derzeit angeklagt sind. Gegen mindestens elf Personen wurde bereits ein Todesurteil gesprochen, darunter Sahand Nourmohammad-Zadeh, Mahan Sadrat (Sedarat) Madani und Manouchehr Mehman Navaz, die sich in separaten Fällen vor Revolutionsgerichten in Teheran verantworten mussten; sowie Mohammad Boroughani, Mohammad Ghobadlou und der kurdische Rapper Saman Seydi (Yasin), die gemeinsam vor einem Teheraner Revolutionsgericht zum Tode verurteilt wurden. Auch Hamid Ghare-Hasanlou, Mohammad Mehdi Karami, Seyed Mohammad Hosseini, Hossein Mohammadi und eine weitere unbekannte Person wurden zum Tode verurteilt. Sie standen in Karadsch in der Provinz Alborz gemeinsam mit elf weiteren Personen vor Gericht und wurden der "Verdorbenheit auf Erden" für schuldig befunden.

Mindestens 15 weitere Personen sind ebenfalls von der Hinrichtung bedroht. Ihnen werden Straftaten vorgeworfen, die in der Islamischen Republik Iran mit der Todesstrafe geahndet werden. Zu ihnen zählen Abolfazl Mehri Hossein Hajilou, Mohsen Rezazadeh Gharagholou und Saeed Shirazi, die wegen Kapitalverbrechen vor Gericht gestellt wurden, über deren Verfahrensfortschritt jedoch keine Informationen vorliegen. Die übrigen zwölf Personen sind ebenfalls wegen Straftaten angeklagt, auf denen die Todesstrafe steht. Es handelt sich bei ihnen um: Akbar Ghafari und Toomaj Salehi in Teheran; Amir Nasr Azadani, Saleh Mirhashemi und Saeed Yaghoubi in der Provinz Isfahan; Ebrahim Rigi (Riki), der der unterdrückten belutschischen Minderheit angehört; die Farzad (Farzin) Tahazadeh und Farhad Tahazadeh; sowie Karwan Shahiparvaneh, Reza Eslamdoost, Hajar Hamidi und Shahram Marouf-Mola von der kurdischen Minderheit aus der Provinz West-Aserbaidschan.

Allen 26 Personen wurde ein faires Gerichtsverfahren verweigert, welches die Rechte auf eine angemessene Verteidigung und einen Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie das Recht zu schweigen und das Recht auf eine faire, öffentliche Anhörung beinhaltet. Zudem wurde in ihren Fällen gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurden mindestens zehn der Männer gefoltert, darunter Hamid Ghare-Hasanlou, Toomaj Salehi und Mohammad Ghobadlou. Ihre durch Folter erlangten "Geständnisse" wurden von den Behörden als Beweise eingesetzt. Staatliche Medien strahlten vor den Prozessen mehrerer Angeklagter deren erzwungene "Geständnisse" aus.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Angesichts der mehreren tausend Festnahmen und Anklagen, die bisher erfolgt sind, befürchtet Amnesty International, dass außer den genannten 26 Personen noch viele weitere von der Hinrichtung bedroht sein könnten. Die iranischen Behörden haben in der Vergangenheit häufig Menschenrechtsverletzungen verschleiert und die Betroffenen entmenschlicht. Entsprechend dieser Linie haben die Behörden keinerlei Informationen über die Identität der zum Tode verurteilten Personen preisgegeben. Amnesty International hat im Zuge von Recherchen die Namen von zehn der Todeskandidaten herausgefunden.

Die Identität der elften Person, die sich gemeinsam mit 15 weiteren Angeklagten vor einem Revolutionsgericht in der Provinz Alborz verantworten musste und zum Tode verurteilt wurde, ist nach wie vor unbekannt. Basierend auf öffentlich zugänglichen Informationen über die Strafen, die gegen verschiedene Angeklagte verhängt wurden, könnte es sich um einen der folgenden Männer handeln: Reza Arya, Mehdi Mohammadi, Shayan Charani, Mohammad Amin Akhlaghi, Reza Shaker Zavardahi, Javad Zargaran oder Behrad Ali Kenari.

Am 8. Dezember richteten die iranischen Behörden den Protestteilnehmer Mohsen Shekari hin. Zuvor war er in einem grob unfairen Verfahren wegen "Feindschaft zu Gott" zum Tode verurteilt worden – nicht einmal drei Monate nach seiner Festnahme. Am 12. Dezember wurde in der Stadt Maschhad (Provinz Chorāsān-e Razawī) ein weiterer junger Mann öffentlich exekutiert. Majidreza Rahanvard wurde ebenfalls nach einem unfairen Verfahren wegen "Feindschaft zu Gott" schuldig gesprochen. Nur zwei Wochen nach seiner letzten gerichtlichen Anhörung am 29. November wurde das Todesurteil vollstreckt.

Weiter auf Englisch:

The trials against individuals sentenced to death in connection with the nationwide protests have borne no resemblance to meaningful judicial proceedings. Authorities have fast-tracked the cases with some convicted only days after their trials started. Iranian authorities have also sentenced at least four individuals to death for offences such as vandalism, assault, and arson, in a further serious violation of international law, under which capital crimes must be limited to "the most serious crimes" involving intentional killing. Amnesty International has also documented serious allegations of torture and other ill-treatment against at least 10 individuals at risk of the death penalty. For instance, the authorities subjected Saman Seydi (Yasin) to severe beatings and forced exposure to extreme cold to extract forced "confessions" according to information gathered by Amnesty International. In the case of medical doctor Hamid Ghare-Hasanlou, who was sentenced to death for "corruption on earth" on 5 December less than a week after undergoing an unfair trial; informed sources told Amnesty international that the authorities repeatedly tortured him to extract his forced "confessions", leading to his hospitalization with broken ribs, difficulties breathing, and internal bleeding in his lung for which he required three surgeries. During trial, Hamid Ghare-Hasanlou showed the judge his injuries from torture, but no investigation into his allegations has been carried out.

Judicial and prosecutorial authorities have relied on torture-tainted "confessions" and other evidence obtained in violation of international law and standards to issue indictments and verdicts. For instance, in the case of Akbar Ghafari, arrested after sheltering protesters at his sister’s home in Tehran, according to a prisoner detained alongside him, authorities tortured him to sign a forced statement, which he was unable to read and later discovered falsely incriminated him in a killing. Authorities also coerced Hamid Ghare-Hasanlou’s wife to make incriminating statements against him which were used in court to convict him. She retracted her "confessions" in court. Authorities have denied the right of individuals they have prosecuted for capital offences to access lawyers of their choosing during the investigation phase and at trial, and have barred independently appointed lawyers from representing clients in court and accessing casefiles and verdicts.

The rights to presumption of innocence has also been repeatedly violated by the authorities with state media airing forced "confessions" of several individuals at risk of execution prior to trial. In the case of Amir Nasr Azadani, a footballer charged with the capital offence of "armed rebellion against the state", on 11 December 2022 in an interview with state media, the justice department head of Esfahan pronounced him guilty prior to trial by saying "the accused has unequivocally confessed to his criminal actions" and "there exists sufficient evidence establishing his participation in the armed group" while his trial was ongoing.

For detailed information about the cases of all individuals named on page one of this Urgent Action, see https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/6308/2022/en/