Iran: Immer schärfere Angriffe auf Baha'i

Das Bild zeigt eine Foto-Collage mit rund 26 Personen

Im Iran werden Angehörige der Religionsgemeinschaft der Baha'i häufig verfolgt und schikaniert – so wie diese 23 Person aus der Stadt Shiraz. Ihnen droht die unrechtmäßige Inhaftierung. 

Die im Iran verfolgte Religionsgemeinschaft der Baha’i erfährt immer schwerere Angriffe gegen ihre Menschenrechte. Seit dem 31. Juli 2022 haben die Behörden Dutzende Häuser von Angehörigen der Minderheit durchsucht, mindestens 30 Personen festgenommen und viele weitere wegen ihres Glaubens verhört, mit elektronischen Fußfesseln versehen und ihnen mit Gefängnis gedroht. Ihr Eigentum wird immer öfter konfisziert oder zerstört.

Appell an

Head of Judiciary, Gholamhossein Mohseni Ejei

Prosecutor of Sari, Mohammad Karimi


Prosecutor of Semnan, Mohammad Sharif Ebrahimi 

c/o Embassy of Iran to the European Union

Avenue Franklin Roosevelt 15


1050 Brüssel, BELGIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh


Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin

Fax: 030 83 222 91 33

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf, alle Angehörigen der Baha’i, die sich seit kurzer oder längerer Zeit aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Religionsfreiheit in Gefangenschaft befinden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Heben Sie alle auf dieser Grundlage verhängten Verurteilungen und Strafen auf.  
  • Ich fordere Sie außerdem auf, die Zerstörung und Beschlagnahmung von Baha’i-Eigentum unverzüglich einzustellen, alle Betroffenen wirksam zu entschädigen und sicherzustellen, dass die Baha’i in Roshankouh, Semnan und andernorts ungehinderten Zugang zu ihrem Eigentum und ihren Grundstücken haben.
  • Bitte beenden Sie die Diskriminierung der Minderheit der Baha’i in der Gesetzgebung und in der Praxis. Ermöglichen Sie allen den Zugang zu Beschäftigung, Wohnraum und zu landwirtschaftlichen, industriellen, handwerklichen und anderen Aktivitäten, die für die Wahrnehmung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte notwendig sind.

Sachlage

Die iranischen Behörden verschärfen ihre Angriffe auf die Menschenrechte der verfolgten Minderheit der Baha’i. Seit dem 31. Juli 2022 haben sie Dutzende von Häusern der Baha’i durchsucht und wertvolle Gegenstände beschlagnahmt. Mindestens 30 Personen wurden nur aufgrund ihres Glaubens willkürlich festgenommen. Viele weitere wurden verhört, zum Tragen elektronischer Fußfesseln verurteilt und ihnen wurde mit Haft gedroht. Das Geheimdienstministerium gab am 1. August bekannt, dass es sich bei den Festgenommenen um "Kernmitglieder der Baha’i-Spionagegruppe" handelte, die "die Lehren der Baha’i propagierten" und "versuchten, den Bildungssektor im ganzen Land, insbesondere Kindergärten, zu infiltrieren". Nach Angaben der Baha’i International Community (BIC) sind derzeit mindestens 68 Personen aufgrund ihres Glaubens inhaftiert, einige davon sitzen bereits seit 2013 im Gefängnis. Laut den Vereinten Nationen sind derzeit über 1000 Angehörige der Baha’i von Haft bedroht, darunter 26 Personen in Shiraz, die im Juni 2022 nach einem unfairen Massenprozess zu bis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Die Behörden beschlagnahmen auch immer öfters Eigentum der Baha’i. Am 2. August zerstörten sie sechs Baha’i-Häuser und beschlagnahmten über 20 Hektar Land, das 25 Angehörigen der Baha’i im Dorf Roshankouh in der Provinz Mazandaran gehört. Dadurch wurde mindestens 18 Bäuer*innen die Lebensgrundlage entzogen. Staatlichen Medien zufolge wurden die Zerstörungen im Beisein mehrerer hochrangiger Vertreter*innen der Staatsanwaltschaft und der Exekutive durchgeführt. Drei Betroffene berichteten Amnesty International, dass über 200 Sicherheitsbeamte, darunter Geheimdienstangehörige in Zivil und Bereitschaftspolizei, das Dorf und seine Zufahrtsstraße von 6 Uhr morgens bis 16 Uhr abgeriegelt hätten. Die Sicherheitskräfte hätten die Mobiltelefone der Dorfbewohner*innen beschlagnahmt, damit nicht gefilmt werden konnte. Außerdem hätten sie mehr als 20 Personen, darunter mehrere ältere Männer, die sich friedlich versammelt hatten, um gegen die Bulldozer zu protestieren, geschlagen und/oder mit Pfefferspray besprüht. Die Sicherheitskräfte schossen in die Luft, um die Menschenmenge zu zerstreuen, und hielten zwei Männer mehrere Stunden lang fest, nachdem sie sie schwer verprügelt hatten. Seit 2016 versuchen die Behörden, sich die Grundstücke der Baha’i in Roshankouh unter dem Vorwand anzueignen, dass sie in Landschaftsschutzgebiet lägen. Zudem bestätigte ein Berufungsgericht am 25. Juni ein Urteil, mit dem die Beschlagnahmung von 18 Baha’i-Grundstücken in der Provinz Semnan genehmigt wurde, mit der Begründung, dass die Eigentümer*innen führende Persönlichkeiten der "Baha’i-Sekte" seien, die "illegale Aktivitäten und Spionage zum Vorteil von Ausländern" betreibe.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Von den 30 Baha’i, die seit dem 31. Juli 2022 willkürlich von Angestellten des Geheimdienstministeriums festgenommen wurden, kamen neun gegen hohe Kautionen frei und weitere neun wurden mit elektronischen Fußfesseln versehen, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Die restlichen zwölf Personen sind weiterhin inhaftiert. Die Festnahmen erfolgten in verschiedenen Städten, darunter Ghazvin, Karaj, Mahshahr, Roshankouh, Sari, Shiraz, Teheran und Yazd. Zu den am 31. Juli Festgenommenen gehören prominente Mitglieder der Baha’i Gemeinschaft und die ehemaligen gewaltlosen politischen Gefangenen Mahvash Sabet, Fariba Kamalabadi und Afif Naimi, die weiterhin inhaftiert sind.

Die Namen der 26 Männer und Frauen aus Shiraz, denen eine ungerechtfertigte Haftstrafe droht und die wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Baha’i verurteilt wurden, sind Saeed Hasani, Shadi Sadegh Aghdam, Shamim Akhlaghi, Sahba Farahbakhsh, Parisa Ruhizadegan, Esmail Rusta, Bahareh Norouzi, Behnam Azizpour, Samareh Ashnaie, Farbod Shadman, Farzad Shadman, Ramin Shirvani, Rezvan Yazdani, Soroush Iqani, Sahba Moslehi, Ahdieh Enayati, La’la Salehi, Mozhgan Gholampour, Marjan Gholampour, Maryam Eslami Mahdiabadi, Mahyar Sefidi Miandoab, Nabil Tahzeeb, Noushin Zanhari, Yekta Fahandej Saadi, Varga Kaviani und Nasim Kashaninejad.

Staatlichen Medien zufolge waren an den Zerstörungen vom 2. August 2022 unter anderem die Staatsanwaltschaft von Sari in der Provinz Mazandaran, das Landwirtschaftsministerium, die Organisation für natürliche Ressourcen, das Justizministerium und das Strafverfolgungskommando der Islamischen Republik Iran beteiligt. Laut den von Amnesty International befragten Betroffenen gehörten im Dorf Roshankouh jahrzehntelang die Mehrheit der Häuser den Baha’i, insgesamt ungefähr 70 Häuser. Lediglich weniger als zehn Häuser gehörten muslimischen Familien. Im Jahr 2016 legten die örtlichen Behörden die Grenzen des Dorfes fest und entschieden, dass mehr als die Hälfte der 70 Baha’i-Häuser innerhalb von Landschaftsschutzgebiet liegen, das dem Staat gehört, obwohl Eigentumsurkunden und Luftbildkarten das Gegenteil beweisen. Seitdem haben die Behörden wiederholt Baugenehmigungen für Familien verweigert, die Grundstücke im historischen Teil des Dorfes besitzen und entweder neue Häuser bauen oder ihre alten, baufälligen Häuser renovieren und erweitern wollen. Die Behörden haben sich auch geweigert, zwischen 30 und 40 Baha’i-Häuser an das Gasnetz anzuschließen. Im Oktober 2020 haben die örtlichen Behörden rund zwölf Hektar Land, von denen etwa acht Baha’i- Bäuer*innen leben, als geschützte Wälder ausgewiesen und ein Schild aufgestellt, auf dem davor gewarnt wird, dass jegliche Bewirtschaftung der betreffenden Flächen verboten ist und Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt werden. Im August 2021 rissen die Behörden zwei im Bau befindliche Baha’i-Häuser ab. Im November 2021 beschlagnahmten sie etwa einen Hektar Land, von dem zwei Bauernfamilien der Baha’i lebten.

In einem anderen Fall genehmigte die Abteilung 1 des Revolutionsgerichts in Semnan am 30. Januar 2022 einen Antrag der Zentrale für die Ausführung der Anordnungen des Imam Khomeini, die vom Obersten Religionsführer des Iran kontrolliert wird. Die Einrichtung beschlagnahmte daraufhin 18 Grundstücke in der Provinz Semnan, die sechs Baha’i gehören. Das Urteil, das von Amnesty International überprüft wurde, begründete die Beschlagnahmung damit, dass es sich bei den Eigentümer*innen um prominente Persönlichkeiten der Baha’i handelte, die beabsichtigten, die Immobilien zu verkaufen oder zu vermieten, um "die ungesetzlichen organisatorischen Ziele ... der abtrünnigen Baha’i-Sekte" finanziell zu unterstützen. Die Abteilung 54 des Berufungsgerichts der Provinz Teheran bestätigte das Urteil am 25. Juni 2022. In den letzten zehn Jahren haben die lokalen Behörden in Semnan mindestens 20 Geschäfte von Baha’i gewaltsam geschlossen, zwei Baha’i-Produktionsstätten stillgelegt und deren Betriebsmittel beschlagnahmt, sowie den Zugang zu den Grundstücken von zwei Baha’i-Betrieben, die in der Landwirtschaft und Viehzucht tätig sind, blockiert.

Seit Jahrzehnten werfen die iranischen Behörden den Angehörigen der Baha’i Gemeinschaft vor, für Israel zu spionieren. Der einzige Grund dafür ist, dass das Baha’i-Weltzentrum, in dem sich die Schreine der Begründer der Religion befinden, in Israel, in der Nähe von Haifa liegt. Die Beschlagnahmung von Grundstücken und die gewaltsame Schließung von Geschäften der Baha’i erfolgt gemäß eines offiziellen Gesetzes, das vom Obersten Revolutionskulturrat verabschiedet und 1991 vom Obersten Religionsführer gebilligt wurde und das vorsieht, "dass die Regierung in der Baha’i-Frage ... so mit ihnen umgeht, dass ihr Fortschritt und ihre Entwicklung blockiert werden". Weiter heißt es, dass "Personen, die sich als Baha’i zu erkennen geben, eine Anstellung verweigert wird" und ihnen "jede einflussreiche Position, z. B. im Bildungswesen, verwehrt wird".