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Iran: Studenten droht Todesstrafe

Die zwei iranischen Studenten und gewaltlosen politischen Gefangenen Ali Younesi und Amirhossein Moradi
© privat
Ali Younesi und Amirhossein Moradi laufen Gefahr, in einem grob unfairen Verfahren wegen fadenscheiniger Anschuldigungen zum Tode verurteilt zu werden. Die beiden Studenten sind seit dem 10. April 2020 willkürlich im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Sie wurden unter miserablen Bedingungen in verlängerter Einzelhaft festgehalten und von Geheimdienstangehörigen geschlagen, um ihnen "Geständnisse" abzuringen. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts auf Familienleben inhaftiert sind.
Appell an
Gholamhossein Mohseni Ejei, Head of the Judiciary
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Brüssel, BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: (030) 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, Ali Younesi und Amirhossein Moradi, die nur aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindungen ihrer Angehörigen zu oppositionellen Gruppen festgehalten werden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen.
- Sorgen Sie bis zu ihrer Freilassung dafür, dass sie vor Folter und anderer Misshandlung geschützt werden und unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung und benötigten Medikamenten erhalten. Lassen Sie sie außerdem Kontakt mit ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl aufnehmen.
- Führen Sie desweiteren eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe durch, dass die beiden am Tag ihrer Festnahme gefoltert wurden und unter Bedingungen festgehalten werden, die dem absoluten Verbot von Folter und anderen Misshandlungen entgegenstehen, und stellen Sie die Verantwortlichen in Verfahren vor Gericht, die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen.
Sachlage
Die Studenten Ali Younesi und Amirhossein Moradi werden willkürlich in der Abteilung 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses festgehalten, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Nach ihrer willkürlichen Festnahme am 10. April 2020 wurden sie unter Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen in verlängerter Einzelhaft gehalten. Ali Younesi teilte seiner Familie mit, dass ihm eine angemessene medizinische Versorgung für eine Verletzungen am linken Auge verweigert wurde, die ihm Angehörige des Militärischen Geheimdienstes zugefügt hatten. Außerdem sei das Licht in seiner Zelle rund um die Uhr eingeschaltet. Damit verliere er das Gefühl für die Tages- und Nachtzeiten, was sehr qualvoll sei und Schmerzzustände verursache. Amirhossein Moradi berichtete, dass er bei seiner Festnahme brutal geschlagen worden sei. Angehörige des Geheimdienstes verhörten die beiden Studenten wiederholt ohne Beisein ihrer Rechtsbeistände, wobei sie versuchten, sie zu "Geständnissen" zu zwingen. Dies verstößt gegen ihr Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht selbst zu belasten.
Am 3. Juli 2021 begann der Prozess gegen Ali Younesi und Amirhossein Moradi vor der Abteilung 29 des Teheraner Revolutionsgerichts. Beiden wird "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" sowie "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) vorgeworfen, wofür ihnen die Todesstrafe droht. Die Behörden verletzten ihr Recht auf die Unschuldsvermutung, indem sie sie öffentlich beschuldigten, Verbindungen zu "konterrevolutionären" Gruppen zu unterhalten. Dabei bezogen sie sich offenbar auf tatsächliche oder vermeintliche Verbindungen ihrer Familien zu den Volksmudschaheddin (People's Mojahedin Organization of Iran – PMOI), eine Oppositionsgruppe mit Sitz außerhalb des Iran. Die Behörden behaupteten außerdem, "Sprengsätze" in ihrem Besitz gefunden zu haben. Beide Studenten bestritten diese Anschuldigungen. Ihre Vernehmungsbeamten beschuldigten sie auch, Plakate iranischer Politiker abgerissen und an friedlichen Protesten im Januar 2020 teilgenommen zu haben.
Sowohl Ali Younesi als auch Amirhossein Moradi wurde während der ersten 13 Monate nach ihrer Festnahme der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Sie werden nach wie vor im berüchtigten Sicherheitstrakt 209 des Evin-Gefängnisses getrennt voneinander festgehalten. Laut ihren Angehörigen erhalten sie keine angemessene medizinische Versorgung, es gibt keine frische Luft und sie müssen auf dem Boden schlafen. Ali Younesi wurde nie von einer_einem Augenärzt_in untersucht.
Hintergrundinformation
Am 10. April 2020 wurde Ali Younesi auf dem Heimweg von der Universität in Teheran von Angehörigen des Geheimdienstministeriums festgenommen. Abends brachten ihn zwölf Sicherheitsbeamt_innen in Handschellen nach Hause. Auf seiner Stirn klaffte eine stark blutende Wunde, sein Gesicht war blutverschmiert und sein Körper mit Wunden übersät – dieser Anblick lässt darauf schließen, dass ihn Sicherheitskräfte gefoltert haben. Die Beamt_innen durchsuchten die Wohnung ohne sich auszuweisen, sie zeigten auch keinen Haft- oder Durchsuchungsbefehl vor. Schließlich führten sie Ali Younesi ab.
Am 5. Mai 2020 erklärte der damalige Sprecher der iranischen Justizbehörde, Gholamhossein Esmaili, in seiner wöchentlichen Pressekonferenz, dass zwei Studenten festgenommen worden seien, weil bei ihnen Sprengkörper gefunden worden seien und sie mit "konterrevolutionären" Gruppen in Kontakt gestanden hätten. Diese Aussage bezog sich offensichtlich auf Ali Younesi und Amirhossein Moradi. Welche Gruppen hier gemeint sein könnten, machte Gholamhossein Esmaili durch den Gebrauch einer abwertenden Bezeichnung für die Volksmudschaheddin deutlich. Offenbar bezog sich die Äußerung auf eine frühere oder gegenwärtige Verbindung von Angehörigen der Festgenommenen zur PMOI. Beweise für die Vorwürfe der Justiz legte Gholamhossein Esmaili nicht vor. Die Schwester von Ali Younesi reagierte sofort. In einer öffentlichen Stellungnahme desselben Tages erwiderte Aida Younesi: "Nach 26 Tagen kommen Sie an und erheben diese lächerlichen Vorwürfe, obwohl noch nicht einmal klar ist, was Sie meinem Bruder in dieser Zeit Schreckliches angetan haben." Zu der Anschuldigung, dass bei den Studenten zu Hause "Sprengkörper" gefunden worden seien, ergänzte sie, dass Angehörige der Sicherheitskräfte der Familie mitgeteilt hätten, bei der Durchsuchung der Wohnung von Ali Younesi nichts Verdächtiges gefunden zu haben. Nach der Festnahme von Ali Younesi wurde seiner Familie zudem alle paar Tage mitgeteilt, er werde bald freigelassen.
Am 13. Juli 2020 wurden Ali Younesi und Amirhossein Moradi von Geheimdienstangehörigen ohne Vorankündigung in die Teheraner Staatsanwaltschaft gebracht. Dort wurden sie ohne Rechtsbeistände verhört und zu "Geständnissen" gedrängt – die sie allerdings verweigerten. Die Verhöre fanden im Beisein des stellvertretenden Kanzlers, zweier Professoren und Studierendenvertreter_innen der Sharif-Universität für Technologie statt.
Am 20. November 2020 schrieb der iranische Hohe Rat für Menschenrechte, der von der Justiz überwacht wird, an das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, dass "der Genannte [Ali Younesi] unter keinen Umständen zu einem Geständnis gezwungen worden ist. Er wurde vorübergehend in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten, doch in Anbetracht seines Alters und des mangelnden Austauschs mit Mitgefangenen wurde er in ein reguläres Gefängnis verlegt." Nachforschungen von Amnesty International haben jedoch ergeben, dass Geheimdienstangehörige wiederholt versucht haben, von Ali Younesi "Geständnisse" zu erzwingen. Trotz der Bitten seines Rechtsbeistands und seiner Familie, ihn in eine Haftanstalt zu verlegen, die nicht vom Geheimdienst kontrolliert wird, wird er weiterhin willkürlich in der Abteilung 209 festgehalten.
Ali Younesi und Amirhossein Moradi sind Studenten an der Scharif-Universität für Technologie (Sharif University of Technology) in Teheran. Sie haben schon mehrere Auszeichnungen gewonnen: Ali Younesi hat bei der Iranischen Astronomie-Olympiade sowohl einen Silber- als auch eine Goldmedaille und bei der Internationalen Astronomie- und Astrophysik-Olympiade in China 2018 eine Goldmedaille gewonnen. Amirhossein Moradi hat bei der Iranischen Astronomie-Olympiade eine Silbermedaille erhalten.
Die iranischen Behörden gehen seit Jahren gegen Familienangehörige von Personen vor, die tatsächliche oder vermeintliche Verbindungen zur verbotenen Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin haben. Nach den Unruhen, die auf die Wahlen im Iran von 2009 folgten, nahmen die Behörden neben vielen anderen auch Personen fest, deren Familienangehörige in der Vergangenheit oder zum damaligen Zeitpunkt Verbindungen zu Oppositionsgruppen, einschließlich der PMOI, hatten. Mehr dazu im englischsprachigen Bericht From Protest to Prison (https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/062/2010/en/). Zu den 2009 Festgenommenen gehört auch die gewaltlose politische Gefangene Maryam Akbari Monfared, die zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Nachdem ihre Privatsphäre willkürlich verletzt und Familienkorrespondenz und -kommunikation abgefangen wurde, warf man ihr vor, Telefonate geführt und einmal Familienmitglieder besucht zu haben, die Mitglieder der PMOI waren. (https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-248-2016-1/drohende-haftverlaen…)
Am 11. Januar 2020 brachen im Iran landesweite Proteste aus, nachdem die Behörden zugegeben hatten, dass die Revolutionsgarden Raketen auf ein ukrainisches Passagierflugzeug im iranischen Luftraum abgefeuert hatten, wobei alle 176 Menschen an Bord ums Leben kamen. Die Proteste weiteten sich rasch aus und richteten sich bald gegen die Regierung. Forderungen nach einer Umgestaltung des politischen Systems wurden laut, so wurden ein Verfassungsreferendum und ein Ende der Islamischen Republik gefordert. Amnesty International hat das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte bei der Niederschlagung der Proteste dokumentiert. So schossen diese mit Schrotkugeln – die normalerweise für die Jagd verwendet werden – aus Luftgewehren auf friedliche Demonstrierende. Die Geschosse verursachten zahlreiche Verletzungen. Außerdem setzten sie zur Auflösung von Versammlungen Gummigeschosse, Tränengas und Pfefferspray ein. Sie traten auf Demonstrierende ein, schlugen sie mit Schlagstöcken und nahmen sie willkürlich fest. Weitere Informationen dazu finden Sie hier: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/01/iran-scores-injured-as-s….