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Indonesien: Protestierendem droht lebenslange Haft
Diese Urgent Action ist beendet.
Polizeiaufmarsch anlässlich einer Großdemonstration in Indonesien gegen die Verabschiedung mehrerer umstrittener Gesetze (September 2019)
© Amnesty International Indonesia
Victor Yeimo, ein Unabhängigkeitsaktivist aus Papua und Sprecher der Organisation Nationales Komitee von West-Papua, ist willkürlich festgenommen worden. Wegen seines friedlichen Protests gegen rassistische Diskriminierung in Indonesien wird ihm Landesverrat vorgeworfen. Er befindet sich in Einzelhaft und hat nur sehr eingeschränkten Zugang zu seiner Familie und seinem Rechtsbeistand. Die indonesischen Behörden müssen ihm entweder ein faires Gerichtsverfahren gewähren oder ihn umgehend freilassen.
Appell an
General (Pol). Drs. Listyo Sigit Prabowo, M.Si.
Chief of Indonesian National Police
Jalan Trunojoyo No. 3 South Jakarta
INDONESIEN 12110
Sende eine Kopie an
BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDONESIEN
S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno
Lehrter Straße 16-17
10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: info@kbri-berlin.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Victor Yeimo bitte frei und alle Anklagen gegen ihn fallen, es sei denn, es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass er regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und seiner Familie erhält.
- Stellen Sie zudem sicher, dass er in der Haft nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass er Zugang zu jeder nötigen medizinischen Versorgung erhält.
Sachlage
Am 9. Mai wurde Victor Yeimo in Jayapura, der Hauptstadt der Provinz Papua, von Angehörigen einer polizeilichen Sondereinheit (Satgas Nemangkawi) festgenommen. Der Sprecher des Nationalen Komitees von West-Papua (West Papua National Committee – KNPB) wurde des Landesverrats angeklagt. Grundlage sind Aussagen, die er während antirassistischer Proteste im Jahr 2019 gemacht hatte und mit denen er sich für ein Unabhängigkeitsreferendum ausgesprochen hatte.
Die Festnahme erfolgte ohne Haftbefehl um 19.15 Uhr, als Victor Yeimo gerade einkaufen war. Seine Rechtsbeistände erhielten den Haft- und Inhaftierungsbefehl am folgenden Tag um 18.00 Uhr. Dies verstößt gegen die indonesische Strafprozessordnung, die vorschreibt, dass der Haftbefehl zum Zeitpunkt der Festnahme vorzulegen ist.
Am Abend des 9. Mai verlegte man Victor Yeimo aus der Hafteinrichtung der Regionalpolizei von Jayapura in das Hauptquartier der Mobilen Polizeibrigade (Mako Brimob) in Abepura, ohne seine Rechtsbeistände zu benachrichtigen. Die Verlegung in den Gewahrsam der Mako Brimob bedeutet eine höhere Sicherheitsstufe, was den Zugang zu Victor Yeimo sowie Familienbesuche erschwert. Victor Yeimo leidet unter gesundheitlichen Beschwerden, die regelmäßig behandelt werden müssen.
Ihm wird vorgeworfen, gegen die Paragrafen 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuchs verstoßen zu haben, in denen "Landesverrat" und "Verrat mit Verschwörung" geregelt sind. Darüber hinaus werden ihm Verstöße gegen folgende Gesetze zur Last gelegt: Paragraf 14, Abschnitte (1) und (2) des Gesetzes 1/1946 über die Verbreitung von Falschmeldungen mit dem Resultat von Unruhen; Paragraf 15 des Gesetzes 1/1946 über die Verbreitung von ungewissen Informationen mit dem Resultat von Unruhen; Paragraf 66 des Gesetzes 24/2009 über Respektlosigkeit gegenüber der Nationalfahne; Paragraf 160 des Strafgesetzbuchs über Aufwiegelung; Paragraf 187 des Strafgesetzbuchs über Brandstiftung; Paragraf 365 des Strafgesetzbuchs über Raub; Paragraf 170, Abschnitt (1) über kollektive Gewalt; Paragraf 2 des Notfallgesetzes 12/1961 über illegalen Waffenbesitz sowie Paragraf 64 des Strafgesetzbuchs. Die Polizei hat angedeutet, dass noch weitere Anklagen hinzukommen werden. Der Polizeichef von Papua sagte: "Wir untersuchen alle Polizeiberichte, alle weiteren Schritte werden sich auf die einzelnen Berichte beziehen, er kann im Gefängnis alt werden."
Hintergrundinformation
Die Proteste für die Unabhängigkeit von Westpapua fanden vom 19. August bis 30. September 2019 statt – in 23 Städten in Westpapua, 17 Städten in Indonesien und drei Städten im Ausland. Im Zuge der Protestveranstaltungen wurden 122 Menschen aus Westpapua strafrechtlich verfolgt.
Victor Yeimo war am 5. September 2019 unter der Nummer LP/317/IX/RES.1.24/2019/Direskrimum auf der polizeilichen Fahndungsliste in Papua aufgeführt. Damals wurden sieben bekannte Aktivisten ebenfalls in Jayapura festgenommen und des Landesverrats bezichtigt. Sie wurden nach Balikpapan in Ost-Kalimantan verlegt und sind seither bekannt als die "Balikpapan
Sieben". Victor Yeimo hätte ursprünglich gemeinsam mit den Balikpapan Sieben vor Gericht gestellt werden sollen. Er floh jedoch nach Papua-Neuguinea und kehrte erst Ende 2020 nach Jayapura zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 17 Jahre Haft für die Balikpapan Sieben gefordert; letztlich wurden die Aktivisten jedoch zu zehn bis elf Monaten Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft legte keine Rechtsmittel gegen das Urteil ein.
Die indonesischen Behörden haben in den vergangenen Jahren die Bestimmungen des Strafrechts, vornehmlich die Paragrafen 106 und 110, mit dem Ziel eingesetzt, Dutzende friedliche Unabhängigkeitsaktivist_innen in Papua strafrechtlich zu verfolgen, obwohl diese lediglich ihre Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen hatten.
Amnesty International nimmt weder zum politischen Status der Provinzen und Regionen Indonesiens oder anderer Staaten noch zu entsprechenden Unabhängigkeitsforderungen Stellung. Allerdings ist Amnesty International der Ansicht, dass zum Recht auf freie Meinungsäußerung auch das Recht zählt, sich friedlich für territoriale Unabhängigkeit oder andere politische Lösungen aussprechen zu dürfen.