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Rechtsanwalt erneut inhaftiert
Karte von China
© Amnesty International
Am 22. Oktober 2020 wurde der bekannte Menschenrechtsanwalt Chang Weiping in der Stadt Baoji in der Provinz Shaanxi festgenommen. Seitdem wird er wegen des Verdachts auf "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" unter "häuslicher Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" festgehalten. Chang Weiping hatte zuvor ein Video veröffentlicht, in dem er über seine Folter während einer früheren Inhaftierung sprach. Da Chang Weiping bereits Folter erlebt hat und keinen Kontakt zu seiner Familie oder seinem Rechtsbeistand erhält, ist er in erhöhter Gefahr, erneut gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Appell an
Director He Dong
Baoji City Public Security Bureau
57, Zhongshanxilu
Weibin Qu, Baoji Shi
Shanxi Province, 721001
CHINA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Volksrepublik China
S. E. Herrn Ken Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Chang Weiping umgehend und bedingungslos freigelassen wird, es sei denn, es liegen ausreichende glaubwürdige und zulässige Beweise vor, nach denen er eine international anerkannte Straftat begangen hat, und er erhält einen Prozess, der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Stellen Sie dringend sicher, dass Chang Weiping bis zu seiner Freilassung regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
Sachlage
Chang Weiping (常玮平) wurde am 22. Oktober in Baoji von Polizist_innen abgeführt. Er wird zurzeit unter "häuslicher Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" (指定居所监视居住), einer verschärften Form des Hausarrests, festgehalten und wird der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" (煽动颠覆国家政权) verdächtigt. Amnesty International ist besorgt, dass er in Haft Gefahr läuft, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Am 26. Oktober wandten sich der Vater von Chang Weiping und die von der Familie beauftragten Rechtsbeistände an das Büro für öffentliche Sicherheit des Distrikts Gaoxin, um etwas über die Festnahme zu erfahren. Ihre Forderungen nach Akteneinsicht und Kontakt zu Chang Wiping sowie ihr Antrag auf Freilassung gegen Kaution wurden abgelehnt. Die willkürliche Inhaftierung von Chang Weiping allein wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie die Unterbindung des Kontakts zu seinen Rechtsbeiständen und seiner Familie, verletzen das Prinzip, dass "alle Menschen vor dem Gesetz gleich [sind] und ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz [haben]," das in Artikel 7 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist.
Die Inhaftierung von Chang Weiping erfolgte sechs Tage nachdem er in einem YouTube-Video ausführlich über die Folter berichtete, der er im Januar 2020 ausgesetzt war, als er zehn Tage lang unter "häuslicher Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" festgehalten wurde. Die Tatsache, dass Chang Weiping bereits in Haft gefoltert wurde, erhöht die Sorge um sein momentanes und zukünftiges Wohlergehen.
Hintergrundinformation
Chang Weiping ist ein Menschenrechtsanwalt und lebt in der Stadt Baoji in der Provinz Shaanxi. Er ist bekannt dafür, sich für Menschen einzusetzen, die z.B. aufgrund ihres Gesundheitsstatus', ihres Geschlechts bzw. ihrer Geschlechtsidentität sowie ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Wegen seiner Offenheit und der Brisanz seiner Arbeit setzte die Justizbehörde von Baoji im Oktober 2018 seine Anwaltslizenz aus. Aufgrund des anhaltenden Drucks und der fortlaufenden Einmischung durch die Behörden wurde Chang Weiping 2019 von keiner Anwaltskanzlei eingestellt. Im Januar 2020 entzogen ihm die Behörden seine Anwaltslizenz schließlich offiziell.
Chang Weiping wurde am 22. Oktober 2020 von Angehörigen der Sicherheitskräfte festgenommen. Da er zurzeit allein lebt, wusste zunächst niemand von seiner Festnahme, bis die Behörden seine Ehefrau später am Abend telefonisch benachrichtigten. Eine Dokumentation der Behörden über seine Festnahme steht noch aus.
Am 26. Oktober gingen sein Vater und die von der Familie beauftragten Rechtsbeistände zum Büro für öffentliche Sicherheit des Distrikts Gaoxin, um genauere Informationen über die Festnahme von Chang Weiping zu erhalten. Sämtliche Anträge von ihnen, einschließlich der Anträge auf Akteneinsicht und Zugang zu Chang Weiping sowie auf Freilassung gegen Kaution, wurden zurückgewiesen.
Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass Chang Weiping unter "häusliche Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" gestellt wird. Bereits im Januar 2020 wurde er zehn Tage lang festgehalten, nachdem er im Dezember 2019 an einem informellen und privaten Treffen in Xiamen teilgenommen hatte. Dort besprachen Menschenrechtsverteidiger_innen die Lage der Zivilgesellschaft und aktuelle Ereignisse in China. Ein anderer Teilnehmer des Treffens in Xiamen, der Menschenrechtsanwalt Ding Jiaxi, wurde am 26. Dezember 2019 festgenommen und befindet sich seitdem in Haft.
Sechs Tage bevor Chang Weiping festgenommen wurde, veröffentlichte er ein YouTube-Video, in dem er offenlegte, dass er während seiner Haft im Januar 2020 gefoltert wurde. Er führte aus, dass die Polizei ihn 24 Stunden am Tag an einen sogenannten "Tigerstuhl" (ein eisernes Foltergestell, bei dem Arme und Beine so fest angebunden werden, dass die Blutzufuhr eingeschränkt wird) gefesselt hatte. Während der zehn Tage wurde er 16-mal verhört. Außerdem wurde er nach seiner Freilassung unter strengste Beobachtung gestellt.
"Häusliche Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" ist eine Maßnahme, mit der strafrechtliche Ermittler_innen Personen unter bestimmten Umständen für bis zu sechs Monate außerhalb des formellen Haftsystems festhalten können. Dies kann einer geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt gleichkommen. Wenn Inhaftierten unter dieser Form der "Überwachung" der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Familien und allen anderen Menschen außerhalb der Haft verweigert wird, sind sie erhöhter Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Art der Haft wird benutzt, um die Aktivitäten von Menschenrechtsverteidiger_innen, darunter Rechtsbeistände, Aktivist_innen und Praktizierende einer Religion, zu unterdrücken. Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Aktivist_innen sind weiterhin systematischer Überwachung, Schikane, Einschüchterung, Festnahmen und Inhaftierungen ausgesetzt.