Bahrain: inhaftierter Aktivist zu Geldstrafen verurteilt

Dutzende Menschen stehen auf einem Platz und halten sich vor ihre Gesicher Masken mit dem Portätfoto des lächelenden Abdulhadi Al-Khawaja.

Amnesty-Aktion in Kopenhagen für die Freilassung des in Bahrain inhaftierten Oppositionellen Abdulhadi Al-Khawaja, der sowohl die dänische als auch die bahrainische Staatsbürgerschaft besitzt (Archivaufnahme).

Der gewaltlose politische Gefangene Abdulhadi Al-Khawaja wurde am 28. November nach einem unfairen Gerichtsverfahren in zwei unterschiedlichen Fällen jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Immer wieder wird der Aktivist von den bahrainischen Behörden wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte angegriffen. Seit 2011 verbüßt er eine lebenslange Haftstrafe wegen seiner Beteiligung an den Protesten 2011 in Bahrain. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Kronprinz und Premierminister

Sheikh Salman bin Hamad

Court of the Crown Prince

P.O Box 29091


Riffa

BAHRAIN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Bahrain

S.E. Herrn Abdulla Abdullatif Abdulla Abdullatif


Klingelhöfer Str. 7

10785 Berlin

Fax: 030-8687 7788

E-Mail: info@bahrain-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Eure Hoheit hiermit, Abdulhadi Al-Khawaja unverzüglich und bedingungslos freizulassen, seine Verurteilungen aufzuheben und dafür zu sorgen, dass alle neuen Anklagen gegen ihn fallen gelassen werden. Abdulhadi Al-Khawaja ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur wegen seiner friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte juristisch verfolgt wird.
  • Bitte sorgen Sie bis zu seiner Freilassung dafür, dass er regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie sowie zu Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält.

Sachlage

Seit über elf Jahren verbüßt Abdulhadi Al-Khawaja im Jaw-Gefängnis eine lebenslange Haftstrafe wegen seiner führenden Rolle bei den friedlichen Protesten für politische Reformen im Februar 2011. Nun wurde Abdulhadi Al-Khawaja, der sowohl die bahrainische als auch die dänische Staatsbürgerschaft besitzt, am 28. November in zwei separaten, unfairen Gerichtsverfahren vor dem Zweiten Strafgericht zu je einer Geldstrafe verurteilt. Entgegen seiner Rechte durfte er sich nicht durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl vertreten lassen und wurde darüber hinaus in Abwesenheit verurteilt.

Im ersten Gerichtsverfahren wurde Abdulhadi Al-Khawaja zu einer Geldstrafe von 60 Bahrain-Dinaren (etwa 150 Euro) verurteilt, weil er im November 2021 einen Stuhl zerbrochen und einen Beamten im Jaw-Gefängnis beleidigt haben soll, nachdem ihm verweigert wurde, mit seinen im Ausland lebenden Töchtern zu telefonieren.

Im zweiten, separaten Gerichtsverfahren ging es um einen Vorfall vom 30. März 2020, bei dem Abdulhadi Al-Khawaja gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel (Abraham-Abkommen) protestierte und eine Auseinandersetzung mit einem Polizeibeamten hatte. In diesem Gerichtsverfahren wurde Abdulhadi Al-Khawaja der Beamtenbeleidigung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 100 Bahrain-Dinaren (etwa 250 Euro) verurteilt. Wie aus einem Dokument der Staatsanwaltschaft hervorgeht, wurde Abdulhadi Al-Khawaja im zweiten Gerichtsverfahren – in Bezug auf Israel – auch wegen "Beleidigung eines ausländischen Staates" angeklagt. Die Rechtsbeistände von Abdulhadi Al-Khawaja konnten bislang noch nicht klären, ob diese Anklage weiterhin besteht. Sollte deswegen ein weiteres Verfahren gegen Abdulhadi Al-Khawaja eröffnet werden, drohen dem Menschenrechtsverteidiger und gewaltlosen politischen Gefangenen bis zu zwei weitere Jahre Haft sowie eine erneute Geldbuße.

Laut Aufzeichnungen einer Anhörung vor Gericht vom 21. November 2022 stellte der Vorsitzende Richter fest, dass der angeklagte Abdulhadi Al-Khawaja nicht persönlich vor Gericht erschienen war, und nahm den Antrag von Abdulhadi Al-Khawajas Rechtsbeistand zur Kenntnis, in dem er um eine Verschiebung der Gerichtsverhandlung bittet, um seinen Mandaten nach der Übertragung des anwaltlichen Mandats ordentlich vertreten zu können. Am 23. November teilte der Vorsitzende des Zweiten Strafgerichts dem Leiter des Jaw-Gefängnisses schriftlich mit, dass das Gericht keine Einwände gegen die Durchführung der Mandatsübertragung für Abdulhadi Al-Khawaja habe, die persönlich durch Abdulhadi Al-Khawajas Unterschrift zu erfolgen hat. Am 28. November verkündete der Richter seine Urteile in beiden Verfahren jedoch in Abwesenheit von Abdulhadi Al-Khawaja und ohne dass dessen Anwalt diesen juristisch vertreten konnte, da es zu keiner Mandatsübernahme gekommen war. Am 29. November erlaubten die Gefängnisbehörden Abdulhadi Al-Khawaja endlich, per Unterschrift das Mandat an seinen Anwalt zu übergeben. Abdulhadi Al-Khawaja wird in beiden Verfahren Rechtmittel einlegen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der bekannte Menschenrechtsverteidiger Abdulhadi Al-Khawaja ist verheiratet und hat vier Töchter und vier Enkel. Er ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Gulf Centre for Human Rights (GCHR) und der NGO Bahrain Center for Human Rights (BCHR). Bis Anfang 2011 hat Abdulhadi Al-Khawaja für die Menschenrechtsgruppe Frontline Defenders als Schutzkoordinator für die Region Nahost und Nordafrika gearbeitet. Darüber hinaus war er 2003 mit Amnesty International im Rahmen einer Untersuchungskommission im Irak und ist Mitglied des internationalen Beratungsnetzwerks der NGO Business and Human Rights Resource Centre. Er setzt sich friedlich für die Menschenrechte ein und hat bereits mehrere Menschenrechtspreise erhalten. So wurde ihm im Oktober 2013 der Dignity - World without Torture Award verliehen. Noch in diesem Jahr wurde er mit dem renommierten Martin Ennals Award for Human Rights Defenders ausgezeichnet. Abdulhadi Al-Khawaja verbüßt im Jaw-Gefängnis eine lebenslange Haftstrafe.

Während der Coronapandemie wurden Familienbesuche von der Gefängnisleitung des Jaw-Gefängnisses für alle Gefangenen von Januar 2020 bis Februar 2022 eingeschränkt oder gänzlich eingestellt. Die Familie von Abdulhadi Al-Khawaja konnte ihn erst im Mai 2022 wieder besuchen. Telefongespräche sind ein Mal pro Woche erlaubt, allerdings auf einen festen Kreis von fünf Personen beschränkt. Zunächst war es ihm gestattet, jeden Sonntag zwischen 20 und 25 Minuten mit seiner Familie zu sprechen. Seit Monaten werden diese Gespräche jedoch häufig eingeschränkt, um ihn für seinen Aktivismus im Gefängnis zu strafen. Am 16. November 2021 trat Abdulhadi Al-Khawaja in einen Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, dass ihm Telefonate mit seinen im Ausland lebenden Töchtern verweigert wurden. Er beendete den Hungerstreik drei Tage darauf, nachdem die Behörden die Telefonate wieder zugesagt hatten.

Abdulhadi Al-Khawaja gehört zu einer Gruppe von insgesamt 14 oppositionellen Aktivisten, die während der Demonstrationen in Bahrain zwischen dem 17. März und 9. April 2011 festgenommen wurden. Am 28. September 2011 bestätigte das Berufungsgericht für Nationale Sicherheit, ein Militärberufungsgericht, in einer nur wenige Minuten dauernden Sitzung die Schuldsprüche und Urteile gegen die 14 oppositionellen Aktivisten. Es wurden Haftstrafen von zwei Jahren bis lebenslänglich gegen die Aktivisten verhängt, die unter anderem wegen "Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel, die Herrschaft des Königs zu beenden und die Verfassung zu verändern" verurteilt wurden. Am 30. April 2012 ordnete das Kassationsgericht in der bahrainischen Hauptstadt Manama ein neues Berufungsverfahren gegen die Oppositionellen vor einem Zivilgericht an. Das Hohe Berufungsgericht für Strafsachen bestätigte die Schuldsprüche und Strafen am 4. September 2012, und am 6. Januar 2013 erhielt das Kassationsgericht diese Entscheidung aufrecht. Vier der 14 Männer wurden bisher freigelassen, drei haben ihre Haftstrafen bereits vollständig verbüßt, ein weiterer Mann, Mohammed Hassan Jawad, kam nach 10 Jahren auf Bewährung aus dem Jaw-Gefängnis frei. Ein neues Gesetz, das Gesetzesdekret No. 24 aus dem Jahr 2021, das einen alternativen Strafvollzug erlaubt, hatte seine vorzeitige Haftentlassung fünf Jahre vor dem eigentlichen Ende möglich gemacht.

Bei einem Telefonat am 6. November 2022 berichtete Al-Khawaja seinen Töchtern, dass ihm eine Reihe weiterer neuer Verfahren drohen. Am 3. November 2022 begann in seiner Abwesenheit ein Prozess vor dem Zweiten Strafgericht. Ihm wird vorgeworfen, im November 2021 einen Plastikstuhl zerstört und einen Beamten im Jaw-Gefängnis beleidigt zu haben, nachdem ihm verweigert wurde, mit seinen im Ausland lebenden Töchtern zu telefonieren. Eine zweite Anhörung am 16. November wurde auf den 28. November vertagt, weil Abdulhadi Al-Khawaja, der daran teilnehmen wollte, zunächst eine Vollmacht für seinen Rechtsbeistand unterzeichnen sollte. Als er jedoch im Gefängnis darauf wartete, versuchte eine zuständige Sicherheitskraft, ihn dazu zu zwingen, in einer Videoaufzeichnung zu erklären, dass er die Teilnahme an der Anhörung verweigern würde. Er weigerte sich jedoch und wiederholte vor der Kamera mehrfach, dass er an der Anhörung teilnehmen wolle. Daraufhin wurde Abdulhadi Al-Khawaja in seine Zelle zurückgebracht, ohne dass er per Unterschrift seinem Anwalt das Mandat zuweisen konnte.

Am 21. November begann sein zweites Verfahren wegen des Vorwurfs der Beamtenbeleidigung. Dabei geht es um einen Vorfall vom 30. März 2022, als Abdulhadi Al-Khawaja gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel (Abraham-Abkommen) protestierte und einem Polizisten sagte, dass er nicht mit ihm sprechen wolle und dass er ein schlechter Mensch sei, weil er Gefangene wie Tiere behandle. Diese Anhörung wurde ebenfalls auf den 28. November 2022 verlegt.

Auf ihrer 63. Sitzung im April/Mai 2012 kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass die Festnahme von Abdulhadi Al-Khawaja willkürlich erfolgte, da sie auf der Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung beruhte. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen rief dazu auf, Abdulhadi Al-Khawaja umgehend freizulassen und ihm das Recht auf Erhalt von Wiedergutmachung zuzugestehen.