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Bahrain: Aktivist drohen weitere Haftstrafen
Amnesty-Aktion in Kopenhagen für die Freilassung des in Bahrain inhaftierten Oppositionellen Abdulhadi Al-Khawaja, der sowohl die dänische als auch die bahrainische Staatsbürgerschaft besitzt (Archivaufnahme).
© Amnesty International
Der gewaltlose politische Gefangene Abdulhadi Al-Khawaja verbüßt wegen seiner führenden Rolle bei friedlichen Protesten im Jahr 2011 in Bahrain eine lebenslange Haftstrafe. Ihm drohen jetzt eine Reihe separater Verfahren wegen der Zerstörung eines Plastikstuhls und der Beleidigung eines Polizisten. Alle Klagen gegen Abdulhadi Al-Khawaja müssen fallen gelassen werden, denn die neuerlichen Vorwürfe gegen ihn unterstreichen einmal mehr die Tatsache, dass er sich wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte zu Unrecht in Haft befindet.
Appell an
Kronprinz und Premierminister
Sheikh Salman bin Hamad
Court of the Crown Prince
Riffa
BAHRAIN
Sende eine Kopie an
Botschaft des Königreichs Bahrain
S.E. Herrn Abdulla Abdullatif Al Shaikh Abdulla
Klingelhöfer Str. 7
10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie hiermit, Abdulhadi Al-Khawaja unverzüglich und bedingungslos freizulassen und dafür zu sorgen, dass alle neuen Anklagen gegen ihn fallen gelassen werden.
- Bitte sorgen Sie bis zu seiner Freilassung dafür, dass er unverzüglich Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung erhält und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird.
Sachlage
Abdulhadi Al-Khawaja, der sowohl die bahrainische als auch die dänische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde nach einem unfairen Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er im Februar 2011 friedliche Proteste für politische Reformen in Bahrain angeführt hatte. Zu Anfang seiner Haftzeit wurde Abdulhadi Al-Khawaja gefoltert und sein Kiefer mehrfach gebrochen. Auch nach mehreren Operationen leidet er noch immer unter chronischen Schmerzen und benötigt weitere Eingriffe, da der Heilungsprozess nicht ordnungsgemäß verlaufen ist.
Bei einem Telefonat am 6. November 2022 berichtete Al-Khawaja seinen Töchtern, dass ihm eine Reihe weiterer neuer Verfahren drohen. Am 3. November 2022 begann in seiner Abwesenheit ein Prozess vor dem Zweiten Strafgericht. Ihm wird vorgeworfen, im November 2021 einen Plastikstuhl zerstört und einen Beamten im Jaw-Gefängnis beleidigt zu haben, nachdem ihm verweigert wurde, mit seinen im Ausland lebenden Töchtern zu telefonieren. Eine zweite Anhörung am 16. November wurde auf den 28. November vertagt, weil Abdulhadi Al-Khawaja, der daran teilnehmen wollte, zunächst eine Vollmacht unterzeichnen sollte. Als er jedoch im Gefängnis darauf wartete, versuchte eine zuständige Sicherheitskraft, ihn dazu zu zwingen, in einer Videoaufzeichnung zu erklären, dass er die Teilnahme an der Anhörung verweigern würde. Er weigerte sich jedoch und wiederholte vor der Kamera mehrfach, dass er an der Anhörung teilnehmen wolle. Daraufhin wurde Abdulhadi Al-Khawaja in seine Zelle zurückgebracht. Am 21. November begann sein zweites Verfahren wegen des Vorwurfs der Beamtenbeleidigung. Dabei geht es um einen Vorfall vom 30. März 2022, als Abdulhadi Al-Khawaja gegen das Normalisierungsabkommen mit Israel (Abraham-Abkommen) protestierte und einem Polizisten sagte, dass er nicht mit ihm sprechen wolle und dass er ein schlechter Mensch sei, weil er Gefangene wie Tiere behandle. Diese Anhörung wurde ebenfalls auf den 28. November 2022 verlegt.
Hintergrundinformation
Abdulhadi Al-Khawaja ist verheiratet und hat vier Töchter und vier Enkel. Er ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Gulf Centre for Human Rights und der NGO Bahrain Center for Human Rights, deren Präsident er auch war. Bis Anfang 2011 hat Abdulhadi Al-Khawaja für die Menschenrechtsgruppe Frontline Defenders als Schutzkoordinator für die Region Nahost und Nordafrika gearbeitet. Darüber hinaus war er 2003 mit Amnesty International im Rahmen einer Untersuchungskommission im Irak und ist Mitglied des internationalen Beratungsnetzwerks der NGO Business and Human Rights Resource Centre. Er setzt sich friedlich für die Menschenrechte ein und hat bereits mehrere Menschenrechtspreise erhalten. So wurde ihm im Oktober 2013 der Dignity - World without Torture Award verliehen. Noch in diesem Jahr wurde er mit dem renommierten Martin Ennals Award for Human Rights Defenders ausgezeichnet.
Am 9. April 2011 drangen bis zu 20 bewaffnete und maskierte Sicherheitskräfte mitten in der Nacht in das Haus der Familie von Abdulhadi Al-Khawaja westlich von Manama ein und nahmen ihn fest. Sie zerrten ihn die Treppe hinunter, obwohl er sich bereit erklärte, ohne Gegenwehr mit ihnen zu gehen. Sie schlugen ihn und traten ihm unter anderem wiederholt gegen den Kopf. Nach seiner Festnahme musste er sich einer vierstündigen Operation seines Kiefers unterziehen. Abdulhadi Al-Khawaja verbrachte eine Woche in einem Militärkrankenhaus. In dieser Zeit drohten ihm Sicherheitskräfte mit sexuellen Übergriffen und Hinrichtung und sprachen auch Drohungen gegen seine Frau und seine Töchter aus. Während der gesamten Woche musste er Handschellen und eine Augenbinde tragen. Sein Fall wird im Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission von Bahrain (Bahrain Independent Commission of Inquiry – BICI) als Fall Nr. 8 geführt (Seite 438). Infolge seiner Folter und der fehlenden medizinischen Versorgung leidet Abdulhadi Al-Khawaja noch immer unter zahlreichen gesundheitlichen Problemen, darunter unter starken Rückenschmerzen und Beeinträchtigungen des Sehvermögens. Die Gefängnisbehörden verweigern Abdulhadi Al-Khawaja trotz der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eine angemessene medizinische Behandlung. Abdulhadi Al-Khawaja benötigt dringend medizinische Versorgung und Rehabilitationsmaßnahmen. So müssen ihm die Metallplatten und -schrauben entfernt werden, mit denen sein Kiefer wieder stabilisiert wurde.
Während der Coronapandemie ab Januar 2020 wurden Familienbesuche von der Gefängnisleitung für alle Gefangenen eingeschränkt oder gänzlich eingestellt. Die Familie von Abdulhadi Al-Khawaja konnte ihn erst im Mai 2022 wieder besuchen. Telefongespräche sind ein Mal pro Woche erlaubt, allerdings auf einen festen Kreis von fünf Personen beschränkt. Zunächst war es ihm gestattet, jeden Sonntag zwischen 20 und 25 Minuten mit seiner Familie zu sprechen. Diese Gespräche werden jedoch häufig eingeschränkt, um ihn für seinen Aktivismus im Gefängnis zu strafen. Am 16. November 2021 trat Abdulhadi Al-Khawaja in einen Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, dass ihm Telefonate mit seinen im Ausland lebenden Töchtern verweigert wurden. Er beendete den Hungerstreik drei Tage darauf, nachdem die Behörden die Telefonate wieder zugesagt hatten.
Abdulhadi Al-Khawaja gehört zu einer Gruppe von insgesamt 14 oppositionellen Aktivisten, die während der Demonstrationen in Bahrain zwischen dem 17. März und 9. April 2011 festgenommen wurden. Viele der 14 Gefangenen gaben an, während der ersten Tage in Haft gefoltert worden zu sein, als sie von Angehörigen des Geheimdienstes (National Security Agency – NSA) verhört wurden. Der Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen wurde den Männern während der Verhöre direkt nach ihrer Festnahme untersagt. Das Verhör durch den Militärstaatsanwalt, das noch vor dem Gerichtsverfahren stattfand, konnten einige in Gegenwart ihres Rechtsbeistands absolvieren. Andere jedoch durften erst am ersten Gerichtstermin im Mai 2011 Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen aufnehmen. Am 22. Juni 2011 gab das Gericht für Nationale Sicherheit, ein Militärgericht, die Urteile bekannt. Es befand die Angeklagten unter anderem der "Bildung von Terrorgruppen mit dem Ziel, die Herrschaft des Königs zu beenden und die Verfassung zu verändern" für schuldig.
Am 28. September 2011 bestätigte das Berufungsgericht für Nationale Sicherheit, ein Militärberufungsgericht, in einer nur wenige Minuten dauernden Sitzung die Schuldsprüche und Urteile gegen die 14 oppositionellen Aktivisten. Am 30. April 2012 ordnete das Kassationsgericht in der bahrainischen Hauptstadt Manama ein neues Berufungsverfahren gegen die Oppositionellen vor einem Zivilgericht an. Das Hohe Berufungsgericht für Strafsachen bestätigte die Schuldsprüche und Strafen am 4. September 2012, und am 6. Januar 2013 erhielt das Kassationsgericht diese Entscheidung aufrecht. Vier der 14 Männer wurden bisher freigelassen.
Die Unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (Bahrain Independent Commission of Inquiry – BICI) wurde am 29. Juni 2011 per königlichem Erlass eingesetzt, um die Menschenrechtsverletzungen während der Proteste im Februar/März sowie weitere Verstöße in den folgenden Monaten zu untersuchen. Bei der Veröffentlichung des vollständigen Berichts am 23. November 2011 verpflichtete der König die Regierung öffentlich dazu, die Ergebnisse des Berichts zu akzeptieren und die darin geäußerten Empfehlungen umzusetzen.
Auf ihrer 63. Sitzung im April/Mai 2012 kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass die Festnahme von Abdulhadi Al-Khawaja willkürlich erfolgte, da sie auf der Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung beruhte.