DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Aserbaidschan: Regierungskritiker muss ausreisen dürfen!
Der aserbaidschanische Ökonom und Regierungskritiker Gubad Ibadoghlu (Archivaufnahme vom April 2021)
© Amnesty International
Am 22. April wurde der prominente Wirtschaftswissenschaftler und Regierungskritiker Gubad Ibadoghlu nach 274 Tagen Haft in den Hausarrest überstellt. Die Behörden begründeten diese Entscheidung mit seinem schlechten Gesundheitszustand. Für eine angemessene medizinische Behandlung müsste er ins Ausland reisen, doch er darf weder sein Haus noch Aserbaidschan verlassen.
Appell an
Ilham Aliyev
President of Azerbaijan
19 Istiqlaliyyat Street
Baku AZ1066
ASERBAIDSCHAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Aserbaidschan
S.E. Herrn Nasimi Aghayev
Hubertusallee 43, 14193 Berlin
Fax: 030-219 161 52
E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, alle nötigen Schritte einzuleiten, damit alle Anklagen gegen Dr. Gubad Ibadoghlu fallen gelassen werden und er das Land verlassen kann. Er muss im Ausland eine angemessene medizinische Versorgung erhalten.
- Bis dahin muss er in Aserbaidschan angemessen medizinisch behandelt werden. Dazu gehört auch, dass ausländische Ärzt*innen seiner Wahl ihn zu Hause besuchen dürfen.
- Sehen Sie bitte davon ab, das Strafjustizsystem weiter zu missbrauchen, um Aktivist*innen und Regierungskritiker*innen ins Visier zu nehmen. Alle politisch motivierten Anklagen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen müssen unverzüglich fallen gelassen werden.
Sachlage
Gubad Ibadoghlu wird wegen seiner Arbeit gegen Korruption und seiner Kritik an den aserbaidschanischen Behörden verfolgt. Der prominente Wirtschaftswissenschaftler und Regierungskritiker wurde am 23. Juli 2023 mithilfe erfundener Anschuldigungen festgenommen, offenbar als Vergeltung für seine Arbeit zur Korruptionsbekämpfung und seine Kritik an den aserbaidschanischen Behörden. Am 22. April wurde er schließlich aus der Haftanstalt Kurdakhani freigelassen und in den Hausarrest überstellt. Er wird weiterhin der Herstellung, des Erwerbs und des Verkaufs von Falschgeld durch eine organisierte Gruppe sowie des "Extremismus" beschuldigt.
Gubad Ibadoghlu leidet unter anderem an einer Herzerkrankung, Typ-2-Diabetes, einer Nierenerkrankung und starken Schmerzen im unteren Rückenbereich. In Haft hat sich sein Gesundheitszustand zusehends verschlechtert. Nach Angaben seines Rechtsbeistands wurde die Entscheidung, Gubad Ibadoghlu unter Hausarrest zu stellen, mit seinem kritischen Gesundheitszustand begründet. Obwohl die Verlegung in den Hausarrest eine positive Entwicklung darstellt, erhält er nach wie vor nicht die von ihm dringend benötigte angemessene medizinische Versorgung.
Hintergrundinformation
Gubad Ibadoghlu ist ein bekannter aserbaidschanischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. Er ist der Vorsitzende der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand, die 2014 mit einer sozialdemokratischen Plattform gegründet wurde und der die aserbaidschanischen Behörden willkürlich die Registrierung als politische Partei verweigern. Er war Gastwissenschaftler an der London School of Economics und leitete das Economic Research Center in Aserbaidschan, eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit der Verwaltung der öffentlichen Finanzen, guter Regierungsführung und Haushaltstransparenz beschäftigt. Die aserbaidschanischen Behörden schlossen 2014 das Wirtschaftsforschungszentrum und froren dessen Bankkonten ein. Gubad Ibadoghlu ging 2017 ins politische Exil, kehrte aber 2023 nach Aserbaidschan zurück, um seine Familie zu besuchen.
Am 23. Juli nahmen Polizist*innen Gubad Ibadoghlu und seine Frau fest, als sie auf dem Weg zu einem Treffen mit Jugendaktivist*innen der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand in Sumgayit waren, einer Stadt etwa 40 Kilometer von Baku entfernt. Vier nicht gekennzeichnete Fahrzeuge kreisten gegen 13 Uhr ihren Wagen ein und zwangen sie zum Anhalten, indem sie ihn von vorne und hinten rammten. Nach Angaben ihrer Tochter Zhala Bayramova zwangen 20 Polizist*innen in Zivil das Paar aus dem Auto, griffen sie tätlich an, zwangen sie dann in getrennte Autos und fuhren sie zur Abteilung für organisierte Kriminalität des Innenministeriums in Baku. Als Irada Bayramova um 19 Uhr freigelassen wurde, hatte sie Prellungen an Armen, Beinen und am Rücken. Gubad Ibadoghlu hat wegen der Misshandlung der zwei Anzeige erstattet, auf die bisher nicht reagiert wurde.
Nach einer offiziellen Erklärung des aserbaidschanischen Innenministeriums vom 23. Juli ist die Festnahme mehrerer Personen, darunter Gubad Ibadoghlu, Teil einer Operation gegen Anhänger*innen des im Exil lebenden türkischen Geistlichen Fethullah Gülen, den die türkischen Behörden zusammen mit seinen Anhänger*innen als "terroristische Organisation" einstufen. Die Polizei beschlagnahmte angeblich unter anderem 40.000 US-Dollar in bar aus dem Büro der NGO Economic Research Center. Sie durchsuchten auch das Haus von Gubad Ibadoghlu und Irada Baymarova und nahmen Ibadoghlus Bruder, Gabid Baymalov, fest.
Am 22. April 2024 wurde Gubad Ibadoghlu nach 274 Tagen Haft in den Hausarrest überstellt. Nach Angaben seines Rechtsbeistands beruhte diese Entscheidung auf seinem sich verschlechternden Gesundheitszustand und den fehlenden medizinischen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Haftanstalt. Seine Familie berichtet, dass sich sein Blutzuckerspiegel und sein allgemeiner Gesundheitszustand in der Haft stark verschlechtert haben. Gleichzeitig ist Gubad Ibadoghlu nach wie vor nicht angemessen medizinisch untersucht worden, um die Ursachen seiner Beschwerden zu ermitteln und einen passenden Behandlungsplan zu erstellen. Im Gefängnis erhielt er seine Medikamente nur in unregelmäßigen Abständen oder gar nicht, was das Risiko für einen Schlaganfall und die Entwicklung weiterer Herzkrankheiten und anderer lebensbedrohlicher Erkrankungen erhöhte.
Die unbegründete Strafverfolgung von Gubad Ibadoghlu ist Teil des anhaltenden Vorgehens der aserbaidschanischen Behörden gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Regierungskritiker*innen, unabhängige Medien und alle Andersdenkenden. Kritik an den Behörden wird routinemäßig unterdrückt. Wer es wagt, die Regierung herauszufordern, muss mit konstruierten Anklagen, unfairen Gerichtsverfahren und langen Haftstrafen rechnen. Amnesty International hat bereits früher dokumentiert, wie die aserbaidschanischen Behörden vor großen internationalen Veranstaltungen versucht haben, alle kritischen Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen. Dieses bekannte Muster ist auch im Vorfeld der UN-Klimakonferenz 2024 (COP 29) zu beobachten, die das Land im November 2024 in der Hauptstadt Baku ausrichten wird.