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Aserbaidschan: Aktivist muss freigelassen werden!
Der aserbaidschanische Ökonom und Regierungskritiker Gubad Ibadoghlu (Archivaufnahme vom April 2021)
© Amnesty International
Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler und politische Aktivist Gubad Ibadoghlu ist am 23. Juli 2023 festgenommen worden. Der konstruierte Vorwurf lautet auf Herstellung, Erwerb oder Verkauf von Falschgeld durch eine organisierte Gruppe. Seine Inhaftierung und strafrechtliche Verfolgung sind offenbar eine Vergeltung für seine Kritik an der Regierung und seine politischen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, zu denen auch die Gründung einer Stiftung gehörte. Gubad Ibadoghlu hat große gesundheitliche Probleme. Die Untersuchungshaft stellt aufgrund der unsicheren Haftbedingungen und der Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung eine Gefahr für sein Leben dar.
Appell an
Staatspräsident
Ilham Aliyev
President of Azerbaijan
19 Istiqlaliyyat Street
Baku AZ1066
ASERBAIDSCHAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Aserbaidschan
S.E. Herrn Nasimi Aghayev
Hubertusallee 43
14193 Berlin
Fax: 030-219 161 52
E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az
Amnesty fordert:
- Bitte ergreifen Sie Maßnahmen, um die sofortige und bedingungslose Freilassung von Gubad Ibadoghlu sicherzustellen.
- Gewährleisten Sie, dass er bis zu seiner Freilassung unverzüglich mit den richtigen Medikamenten, angemessener Nahrung und genügend sauberem Wasser versorgt und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird.
- Die Vorwürfe, dass er und Irada Bayramova bei ihrer Festnahme und in der Haft misshandelt und ihre Rechte auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren verletzt wurden, müssen unverzüglich wirksam untersucht werden, und alle mutmaßlich Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
- Sehen Sie bitte davon ab, das Strafjustizsystem zu missbrauchen, um Aktivist*innen und friedliche Kritiker*innen ins Visier zu nehmen.
Sachlage
Am 23. Juli wurden Gubad Ibadoghlu und seine Frau Irada Bayramova willkürlich festgenommen, nachdem Polizeibeamt*innen in Zivil in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen ihr Auto gerammt hatten. Berichten zufolge griffen die Polizist*innen das Paar an, brachten es in getrennten Zellen unter und weigerten sich, die Gründe für ihre Festnahme zu nennen. Gubad Ibadoghlu wurde der Zugang zu seinem Rechtsbeistand bis 17 Uhr verweigert und Irada Bayramova wurde der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Während Irada Bayramova später ohne Anklage freigelassen wurde, verhängte das Bezirksgericht Narimanov in Baku am 24. Juli Untersuchungshaft gegen Gubad Ibadoghlu wegen Herstellung, Erwerb oder Verkauf von Falschgeld durch eine organisierte Gruppe nach Paragraf 204.3.1 des aserbaidschanischen Strafgesetzbuchs. Dies wird mit bis zu zwölf Jahren Haft geahndet.
Gubad Ibadoghlu leidet an schweren gesundheitlichen Problemen, darunter Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck. Er wird unter Bedingungen festgehalten, die einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gleichkommen könnten. Er ist gezwungen, Trinkwasser und Nahrungsmitteln schlechter Qualität zu sich zu nehmen und erhält nicht die richtigen Medikamente zur vorgeschriebenen Zeit. Seiner Familie zufolge hat sich sein Gesundheitszustand in der Haft kontinuierlich und erheblich verschlechtert.
Hintergrundinformation
Gubad Ibadoghlu ist ein bekannter aserbaidschanischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. Im Juni 2023 unterstützte er die Gründung einer Stiftung für die Ausbildung Jugendlicher. Sie soll unter anderem durch beschlagnahmte Gelder finanziert werden, die korrupte Aserbaidschaner*innen in England anlegten und die dann von der britischen Regierung eingefroren wurden. Gubad Ibadoghlu ist der Vorsitzende der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand, die 2014 mit einer sozialdemokratischen Plattform gegründet wurde und der die aserbaidschanischen Behörden willkürlich die Registrierung als politische Partei verweigern. Er war Gastwissenschaftler an der London School of Economics und leitete das Economic Research Center, eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit der Verwaltung der öffentlichen Finanzen, guter Regierungsführung und Haushaltstransparenz beschäftigt. Die aserbaidschanischen Behörden schlossen 2014 im Zuge der weitreichenden Einschränkungen für die aserbaidschanische Zivilgesellschaft das Wirtschaftsforschungszentrum gewaltsam und froren dessen Bankkonten ein. Gubad Ibadoghlu ging 2017 ins politische Exil, kehrte aber 2023 nach Aserbaidschan zurück.
Am 23. Juli nahmen Polizeibeamt*innen Gubad Ibadoghlu und seine Frau fest, als sie auf dem Weg zu einem Treffen mit Jugendaktivist*innen der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand in Sumgayit waren, einer Stadt etwa 40 Kilometer von Baku entfernt. Vier nicht gekennzeichnete Fahrzeuge kreisten gegen 13 Uhr ihren Wagen ein und zwangen sie zum Anhalten, indem sie ihn von vorne und hinten rammten. Nach Angaben ihrer Tochter Zhala Bayramova zwangen 20 Beamt*innen in Zivil das Paar aus dem Auto, griffen sie tätlich an, zwangen sie dann in getrennte Autos und fuhren sie zur Abteilung für organisierte Kriminalität des Innenministeriums in Baku. Als Irada Bayramova um 19 Uhr freigelassen wurde, hatte sie mehrere Prellungen an Armen, Beinen und am Rücken. Gubad Ibadoghlu hat wegen der Misshandlung Anzeige erstattet.
Nach einer offiziellen Erklärung des aserbaidschanischen Innenministeriums vom 23. Juli ist die Festnahme mehrerer Personen, darunter Gubad Ibadoghlu, Teil einer Operation gegen Anhänger*innen des im Exil lebenden türkischen Geistlichen Fethullah Gülen, den die türkischen Behörden zusammen mit seinen Anhänger*innen unter Terrorismusverdacht vor Gericht stellen wollen. Die Polizei beschlagnahmte angeblich unter anderem 40.000 US-Dollar in bar aus dem Büro der NGO Economic Research Center. Sie durchsuchten auch das Haus von Gubad Ibadoghlu und Irada Baymarova und nahmen Ibadoghlus Bruder, Gabid Baymalov, fest. Am 2. August wies das Gericht in Baku die Klage von Gubad Ibadoghlu gegen die rechtswidrige Durchsuchung seiner Wohnung ab.
Die Familie von Gubad Ibadoghlu berichtet, dass er in einer kleinen Zelle mit fünf anderen Männern festgehalten wird und auf Leitungswasser angewiesen ist, das gesundheitsschädlich sein könnte, sowie auf Gefängnisnahrung, die nicht für seine Diabetes und andere gesundheitliche Probleme geeignet ist. Er leidet unter anderem an einer Herzerkrankung, Typ-2-Diabetes, Nierenerkrankungen, einer erweiterten Halsvene, Magengeschwüren und starken Schmerzen im unteren Rückenbereich, und sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Er erhält seine Medikamente in unregelmäßigen Abständen, was das Risiko für einen Schlaganfall und die Entwicklung weiterer Herzkrankheiten und anderer lebensbedrohlicher Erkrankungen erhöht.
Gubad Ibadoghlu ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Artikel, in denen er Aserbaidschan und seine internationalen Partner kritisiert, darunter auch die EU, die bei den Gaslieferungen auf das Land angewiesen ist und den Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenke.