Politiker willkürlich in Haft

Algerien
© Amnesty International
Am 24. März wurde Karim Tabbou, der Parteichef der algerischen Oppositionspartei Union Démocratique et Sociale (UDS), zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Grundlage war eine Rede, die er gehalten und auf der Facebook-Seite der Partei veröffentlicht hatte. Darin hatte er die Rolle der Armee in der Politik kritisiert. Bereits seit seiner Festnahme im September 2019 befindet er sich in Einzelhaft.
Appell an
Justizminister
Belkacem Zeghmati
8 Place Bir Hakem
Alger
ALGERIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien
S. E. Herrn Nor Eddine Aouam
Görschstraße 45-46
13187 Berlin
Fax: 030-4809 8716
E-Mail: info@algerische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Karim Tabbou bitte umgehend und bedingungslos frei und machen Sie seine Verurteilung rückgängig, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung erhält.
- Zudem möchte ich Sie eindringlich bitten, die Umstände seiner Festnahme und die Haftbedingungen zu untersuchen. Lassen Sie bitte alle gewaltlosen politischen Gefangenen in Algerien frei.
Sachlage
Am 24. März wurde Karim Tabbou vor einem Berufungsgericht zu einem Jahr in Haft und einer Geldstrafe von 50.000 Algerischen Dinar (gut 360 Euro) verurteilt. Grundlage waren die haltlosen Vorwürfe, "die nationale Sicherheit gefährdet" und "zur Gewalt angestiftet" zu haben. Die Anschuldigungen beziehen sich auf eine Rede, die er gehalten und auf der Facebook-Seite der Partei veröffentlicht hatte, in der er die Rolle der Armee in der Politik kritisierte.
Am 11. März war der Oppositionspolitiker vor einem vorinstanzlichen Gericht zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Sechs Monate davon wurden zur Bewährung ausgesetzt und er hätte eigentlich am 26. März freikommen sollen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Monate in Haft verbracht hatte. Am 24. März wurde er jedoch aus dem Gefängnis von Kolea abgeholt und zum Berufungsgericht gebracht, ohne dass seine Familie oder sein Rechtsbeistände informiert worden waren. Seine Rechtsbeistände waren bei der Anhörung nicht anwesend, da sie nur von einem ihrer Kollegen, der sich zufällig gerade im Gericht aufhielt, von der Anhörung erfuhren. Karim Tabbou war ebenfalls nicht anwesend, da er wegen Bluthochdrucks im Gerichtssaal zusammenbrach und in die Klinik gebracht werden musste.
Ungeachtet dieser Situation verkündeten die Richter_innen ihr Urteil in Abwesenheit des Angeklagten und der Rechtsbeistände, was den Grundsätzen für faire Verfahren zuwiderläuft. Karim Tabbou befindet sich seit seiner Festnahme am 12. September 2019 in Einzelhaft. Er darf seine Zelle pro Tag nur eine Stunde lang verlassen und während dieser Zeit keinen Kontakt mit anderen Gefangenen haben. Der Gesundheitszustand von Karim Tabbou ist sehr schlecht, weshalb eine Gruppe algerischer Ärzt_innen bereits eine gemeinsame öffentliche Stellungnahme abgegeben hat, in der vor den Risiken seiner anhaltenden Inhaftierung gewarnt wird. Am 25. März erhielt er Besuch von seinen Rechtsbeiständen. Sie geben an, dass ihr Mandant bei schlechter Gesundheit sei und er u. a. unter partieller Gesichtslähmung leide.
Hintergrundinformation
Im Juli 2013 hatten die algerischen Behörden sich geweigert, der Oppositionspartei von Karim Tabbou einen offiziellen Rechtsstatus zu geben. Karim Tabbou war in der Protestbewegung Hirak sehr aktiv, die im Februar 2019 in Algerien entstand. Aufgrund seines Aktivismus und politischen Einsatzes geriet er ins Visier der Behörden, die ihn am 12. September 2019 festnahmen. Nachdem er im Mai 2019 eine öffentliche Rede gehalten hatte, warf man ihm vor, "die Moral der Armee geschwächt" zu haben. Er wurde am 25. September 2019 vorläufig freigelassen und tags darauf wieder festgenommen.
Karim Tabbou ist nicht der einzige politische Gefangene in Algerien. Viele weitere Personen sind wegen der Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert worden, so zum Beispiel der Journalist Khaled Drareni und der zivilgesellschaftliche Aktivist Abdelouahab Fersaoui, die sich aufgrund öffentlicher Äußerungen in Untersuchungshaft befinden.