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Ägypten: Inhaftierter Journalist ohne medizinische Versorgung
Der ägyptische Journalist Tawfik Ghanem (Archivaufnahme)
© privat
Der Journalist Tawfik Ghanem ist unter Verstoß gegen ägyptisches Recht bereits seit dem 21. Mai 2021 willkürlich und ohne Gerichtsverfahren in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit ermittelt wegen "Verbreitung von Falschnachrichten" und "Missbrauch sozialer Medien" gegen den 68-jährigen Ägypter. Die Gefängnisbehörde in der Haftanstalt Badr 1 verweigert ihm den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung, einschließlich der Verlegung in ein Krankenhaus und der Verabreichung von Medikamenten für seine schweren Erkrankungen. Er muss unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden, da er ausschließlich aufgrund seiner legitimen Medienarbeit festgehalten wird.
Setzt euch für Tawfik Ghanem ein!
Hier kannst du deinen Brief ausdrucken, um ihn per Post oder Fax an die Behörden zu senden, oder ihn direkt über dein eigenes E-Mail-Programm verschicken.
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Achtung: Bitte prüfe bei der Deutschen Post ob die Briefzustellung in das Zielland ungehindert möglich ist.
Appell an
Public Prosecutor
Mohamed Shawky Ayyad
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab; Cairo,
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Khaled Galal Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6–7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
oder secretariat@egyptian-embassy.de
Staatsanwalt Mohamed Shawky Ayyad auf X (ehemals Twitter): @EgyptianPPO
Amnesty fordert:
- Sorgen Sie bitte dafür, dass Tawfik Ghanem umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da er sich nur wegen seiner Medienarbeit in Haft befindet. Alle Anklagen gegen ihn müssen fallengelassen werden.
- Bis zu seiner Freilassung muss ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, seinen Rechtsbeiständen und jeder benötigten medizinischen Versorgung – auch außerhalb des Gefängnisses – gewährt werden. Seine Haftbedingungen müssen überdies den internationalen Standards zur Behandlung von Gefangenen entsprechen.
Sachlage
Tawfik Ghanem befindet sich seit dem 21. Mai 2021 willkürlich in Haft, und dies nur aufgrund seiner legitimen Medienarbeit als ehemaliger Regionaldirektor der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı. Nach der damaligen Festnahme wurde Tawfik Ghanem Opfer des Verschwindenlassens durch die ägyptischen Behörden. Man hielt ihn fünf Tage lang fest und befragte ihn zu seiner Arbeit bei Anadolu Ajansı. Anschließend wurde der Journalist der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) in Kairo vorgeführt, die 15 Tage Untersuchungshaft auf der Grundlage von "Verbreitung falscher Nachrichten", "Missbrauch der sozialen Medien" und "terrorismusbezogener Anklagen" mit dem SSSP-Aktenzeichen 238/2021 anordnete. Seitdem haben die Behörden seine Untersuchungshaft mehrmals verlängert, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung anzufechten. Seine Untersuchungshaft dauert inzwischen mehr als die in Ägypten maximal zulässigen zwei Jahre an.
Seit seiner Festnahme verweigern ihm die Behörden das Recht, einen Rechtsbeistand seiner Wahl zu konsultieren und sich angemessen zu verteidigen. Seit Januar 2022 werden die Sitzungen zur Verlängerung der Untersuchungshaft online abgehalten, wobei sein Anwalt im Gerichtssaal anwesend ist und Tawfik Ghanem per Video und in Anwesenheit von Gefängniswärtern aus dem Gefängnis zugeschaltet wird. Selbst als er vor Januar 2022 zur Anhörung über die Verlängerung seiner Haft vor Gericht gebracht wurde, konnte er seinen Anwalt nicht unter vier Augen sprechen, da er entweder in einem überfüllten Wartebereich mit anderen Gefangenen oder in einem Glaskäfig im Gerichtssaal festgehalten wurde.
Tawfik Ghanem wird inzwischen im Gefängnis Badr 1 etwa 70 km nordöstlich von Kairo festgehalten und hat keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Nach Angaben seiner Familie hat er seit seiner Festnahme etwa 20 Kilogramm abgenommen und leidet an mehreren altersbedingten Krankheiten, darunter Diabetes und eine vergrößerte Prostata. Vor seiner Festnahme wurde bei ihm eine seltene und schmerzhafte Knochenkrankheit diagnostiziert. Die Krankheit greift die Gelenke an und erfordert regelmäßige Physiotherapie, die im Gefängnis nicht angeboten wird. Außerdem leidet er an einer Hautkrankheit und -reizung. Trotzdem haben die Gefängnisbehörden seiner Familie mehrfach untersagt, ihm die benötigten Medikamente und andere notwendige Dinge wie medizinische Seife zu bringen. Um überhaupt eine Behandlung zu erhalten, ist er gezwungen, sich hauptsächlich auf den Rat der mit ihm inhaftierten Ärzte zu verlassen. Bislang wurde er weder innerhalb noch außerhalb des Gefängnisses in einem Krankenhaus behandelt, obwohl seine Familie mehrfach darum gebeten hatte – sogar auf eigene Kosten –, um eine angemessene Diagnose und Behandlung sicherzustellen.
Hintergrundinformation
Nach seiner ersten Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) im Mai 2021 wurde Tawfik Ghanem in das Tora-Untersuchungsgefängnis verlegt, wo er bis Dezember 2021 blieb. Seinen Angehörigen zufolge verweigerten ihm die dortigen Gefängnisbehörden ein Bett, und er musste trotz seiner Knochenkrankheit auf zwei Decken auf dem Boden schlafen. Seine Haftbedingungen verschlechterten sich weiter, als er im Dezember 2021 in das Gefängnis Abou Zaabal verlegt wurde, in dem er zwei Jahre lang inhaftiert blieb. Nach seiner Verlegung untersagten die Behörden ihm etwa zwöf Monate lang den Zugang zu Büchern und Zeitungen und schränkten die Besuche seiner Familie stark ein. Während seines zweiten Jahres in Abu Zaabal verbesserte sich die Situation zwar, doch hatte er während seiner gesamten Haftzeit dort keinen direkten Zugang zu Tageslicht und konnte sich nur in einem Innenbereich bewegen.
Seit dem 1. Januar 2024 wird er im Gefängnis Badr 1 in einer Zelle mit acht anderen Personen täglich 23 Stunden eingesperrt und darf die Zelle nur für eine Stunde Bewegung pro Tag verlassen. Die Zelle hat keinen Ventilator, wodurch es in den Sommermonaten darin unerträglich heiß ist. An Feiertagen bleibt die Zelle 24 Stunden am Tag geschlossen. Seine Familie darf ihn einmal im Monat besuchen. Seinen Angehörigen zufolge werden ihm und anderen Gefangenen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, von der Gefängnisverwaltung gelegentlich grundlegende Dinge wie Bücher, Zeitungen, Stifte und Hygieneartikel vorenthalten. Angehörige dürfen ihren inhaftierten Familienmitgliedern auch keine persönlichen Gegenstände wie Kleidung mitbringen.
Amnesty International hat von anderen Menschenrechtsorganisationen und weiteren informierten Quellen erfahren, dass sich eine große, nicht genau bekannte Anzahl von Gefangenen (mindestens Dutzende) im Gefängnis Badr 1 seit Anfang Juni im Hungerstreik befinden, um gegen ihre grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen zu protestieren. Ausgelöst wurde der Hungerstreik offenbar durch den starken Anstieg der Temperaturen auf über 40 °C, die Weigerung der Gefängnisbehörden, den Gefangenen Ventilatoren zur Verfügung zu stellen, und die von der Regierung als Reaktion auf die Energiekrise landesweit eingeführten täglichen Stromabschaltungen. Die Häftlinge protestieren auch gegen den fehlenden Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und gegen die von ihnen und ägyptischen Menschenrechtsaktivisten als erniedrigend empfundenen Leibesvisitationen, die von den Gefängnisbeamten durchgeführt werden, wenn die Häftlinge ihre Zellen verlassen, um beispielsweise an einer Sitzung zur Verlängerung der Untersuchungshaft teilzunehmen oder die Gefängnisklinik aufzusuchen. Weitere häufig genannte Beschwerden betreffen die Misshandlung von Familienangehörigen bei Gefängnisbesuchen, einschließlich der Tatsache, dass sie gezwungen werden, stundenlang in der Sonne zu warten, die Kürzung der Zeit für Aktivitäten, die den Gefangenen außerhalb der Zelle zugestanden wird, sowie die Einschränkung von Familienbesuchen. Einige der Hungerstreikenden protestieren auch gegen ihre lange Untersuchungshaft, die in manchen Fällen die nach ägyptischem Recht zulässige Höchstdauer von zwei Jahren überschritten hat. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen haben die Verantwortlichen des Gefängnisses Badr 1 als Reaktion auf den Hungerstreik zusätzliche Strafmaßnahmen ergriffen und etwa 50 Gefangene in weiter entfernte Gefängnisse im Gouvernement al-Minya (etwa 280 km südlich von Kairo) und im Gouvernement al-Wadi al-Jadid (etwa 620 km südwestlich von Kairo) verlegt. Aktivist*innen zufolge verhängten die Gefängnisbehörden Strafmaßnahmen gegen die verbleibenden Gefangenen im Gefängnis Badr 1, die an dem Hungerstreik beteiligt waren oder ihn unterstützten, und schnitten ihnen absichtlich den Zugang zu Strom und Wasser ab, was einen Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen darstellt. Amnesty International geht davon aus, dass sich Tawfik Ghanem aufgrund seines Diabetes nicht im Hungerstreik befindet.
Seit 2016 nehmen die ägyptischen Behörden zunehmend Einfluss auf die Medienlandschaft und verstärken ihr Vorgehen gegen Journalist*innen, die es wagen, von der Regierungsmeinung abzuweichen. Seitdem haben die Behörden Dutzende von Journalist*innen und anderen Medienschaffenden, die kritische Ansichten geäußert hatten, willkürlich festgenommen und inhaftiert, wegen vermeintlicher Terrorismusvorwürfe strafrechtlich verfolgt oder aus ihrer Funktion entlassen. Die Sicherheitskräfte führen Razzien bei den wenigen verbliebenen unabhängigen Online-Medienplattformen in Ägypten durch und haben bereits Hunderte von Websites gesperrt. Mit der Verabschiedung drakonischer Medien- und Internetgesetze im Jahr 2018 wurden den Behörden weitere weitreichende Befugnisse eingeräumt. So können sie Medieninhalte regulieren, die freie Meinungsäußerung von Journalist*innen einschränken und wegen kritischer Inhalte im Internet Haftstrafen verhängen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Urgent Action befanden sich noch mindestens 14 Journalist*innen in Haft, nachdem sie wegen "Verbreitung falscher Nachrichten", Zugehörigkeit zu einer "terroristischen" Gruppe oder "Missbrauch Sozialer Medien" verurteilt worden waren oder gegen sie ermittelt wurde. Die Behörden blockieren weiterhin mindestens 600 Websites, die Nachrichten oder Informationen zu Menschenrechten und anderen Themen enthalten. Im Jahr 2023 sperrten die Behörden die Website der NGO Cairo Institute for Human Rights Studies sowie die Nachrichtenseiten von Soulta 4 und Masr 360. Mitarbeiter*innen von Mada Masr, einer unabhängigen Medienplattform, sehen sich weiterhin politisch motivierter Verfolgung und Ermittlungen ausgesetzt, unter anderem im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines investigativen Berichts über den Grenzübergang Rafah im Oktober 2023. Unter den 820 Personen, die im Jahr 2023 ohne ordnungsgemäßes Verfahren auf die "Terrorliste" der Regierung gesetzt wurden, befinden sich auch Journalist*innen, denen so die bürgerlichen und politischen Rechte vorenthalten werden.
In seiner beruflichen Laufbahn als Journalist hat Tawfik Ghanem mehrere Medienorganisationen geleitet, darunter Media International, die zehn Jahre lang die Website Islam Online betrieb. Sein letzter Posten bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2015 war der des Regionaldirektors der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı in Kairo.