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Ägypten: Ehepaar ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft

Ist seit November 2018 in Ägypten willkürlich inhaftiert: Aisha el-Shater, Ehefrau des Anwalts Mohamed Abo Horeira und Tochter von Khairat el-Shater, einem führenden Mitglied der Muslimbruderschaft.
© Privat
Aisha el-Shater, die Tochter eines hochrangigen Mitglieds der Muslimbruderschaft, und ihr Ehemann Mohamed Abo Horeira wurden kürzlich in ein Gefängnis in der Stadt Al-Ashir min Ramadān verlegt und dürfen nach wie vor keinen Kontakt zu ihren Familien und Rechtsbeiständen aufnehmen. Sie wurden wegen konstruierter Vorwürfe inhaftiert, die lediglich auf ihren familiären Bindungen und der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte basieren. Das Ehepaar muss sofort und bedingungslos freigelassen werden.
Appell an
Abdelfattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace
Kairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Khaled Galal Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Sorgen Sie bitte dafür, dass Aisha el-Shater, Mohamed Abo Horeira und alle weiteren in Verbindung mit dem ECRF-Fall verurteilten Personen umgehend und bedingungslos freigelassen und alle Schuldsprüche und Strafen gegen sie aufgehoben werden, da sie lediglich wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte und ihren abweichenden Meinungen verfolgt werden.
- Stellen Sie zudem sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmäßig mit ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen kommunizieren können und Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung haben, wenn nötig auch außerhalb des Gefängnisses.
Sachlage
Aisha el-Shater, die Tochter des hochrangigen Muslimbruderschafts-Mitglieds Khairat el-Shater, und ihr Ehemann Mohamed Abo Horeira befinden sich im Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit und der friedlichen Äußerung abweichender Meinungen willkürlich in Haft. Am 5. März 2023 wurden sie vor einem Staatssicherheitsgericht im Rahmen des als "ECRF-Falls" bekannten Verfahrens zu zehn bzw. 15 Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren entsprach bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Aisha el-Shater und Mohamed Abo Horeira wurden auf der Grundlage mehrerer Anklagen verurteilt, darunter "Unterstützung einer terroristischen Gruppe" (die Muslimbruderschaft) und "Verbreitung von Falschnachrichten" bezüglich Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte über die Facebook-Seite der Organisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF). Darüber hinaus wurden Ezzat Ghoniem, Gründer der ECRF, die Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoneim und 26 weitere Personen zu Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich verurteilt. Das Gericht entschied außerdem, die 30 verurteilten Angeklagten auf die "Terrorismusliste" zu setzen, was zur Folge hat, dass ihre Vermögenswerte eingefroren werden, sie Reiseverboten unterliegen, und sie noch fünf Jahre nach ihrer Entlassung unter Bewährung stehen. Den Angeklagten wurde das Recht auf eine angemessene Verteidigung, das Recht, sich nicht selbst zu belasten, und das Recht auf eine wirksame Überprüfung durch ein übergeordnetes Gericht verwehrt. Die Urteile der Staatssicherheitsgerichte sind endgültig und nicht anfechtbar. Nur der Präsident ist befugt, Urteile zu genehmigen, aufzuheben oder umzuwandeln oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen. Die Entscheidung in diesem Fall ist noch anhängig.
Am 1. Juni verlegten die Behörden Aisha el-Shater aus dem Frauengefängnis Al-Qanater in ein Gefängnis in der Stadt Al-Ashir min Ramadān im Gouvernement Asch-Scharqiyya. Ihre Familie erfuhr, dass die Bedingungen in ihrer neuen Zelle, die sie sich mit zwei weiteren Inhaftierten teilt, hygienischer sind als im Frauengefängnis Al-Qanater. Allerdings hat Aisha el-Shater keinen Zugang zu natürlichem Tageslicht und darf zur sportlichen Betätigung lediglich auf dem Korridor auf- und abgehen. Ihre persönlichen Habseligkeiten wurden ihr weggenommen und sie hat keinen Zugang zu einem Kühlschrank, was bedeutet, dass sie keine verderblichen Lebensmittel von ihrer Familie erhalten kann und stattdessen auf Gefängnisessen angewiesen ist. Aisha el-Shater leidet an aplastischer Anämie, eine seltene und ernste Blutkrankheit. Dennoch verweigern die Gefängnisbehörden ihr nach wie vor eine angemessene Gesundheitsversorgung, darunter auch die Verlegung in eine externe Klinik für mögliche Diagnosen und Behandlungen. Mohamed Abo Horeira wurde am 16. Mai aus dem Badr-3-Gefängnis in das Gefängnis in Al-Ashir min Ramadān verlegt. Seine Familienangehörigen dürfen ihn nicht besuchen und haben keinerlei Informationen über seine Haftbedingungen und seinen Gesundheitszustand. Aisha el-Shater und Mohamed Abo Horeira dürfen weder über den Postweg noch telefonisch Kontakt zu ihren Verwandten und Rechtsbeiständen aufnehmen.
Hintergrundinformation
Am 1. November 2018 wurden Aisha el-Shater und ihr Ehemann Mohamed Abo Horeira bei sich zuhause im Kairoer Stadtteil Nasr City festgenommen. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurde Aisha el-Shater daraufhin 20 Tage lang Opfer des Verschwindenlassens; in dieser Zeit wurde sie in der Zentrale des Geheimdiensts im Kairoer Stadtteil Abbasiya festgehalten und mit Schlägen und Elektroschocks gefoltert. Am 21. November 2018 erschien sie vor der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP), die anordnete, sie basierend auf Terrorismusvorwürfen in Untersuchungshaft zu nehmen. Vor ihrer Festnahme hatte sich Aisha el-Shater auf Facebook zu Menschenrechtsverletzungen in Ägypten geäußert, u. a. zu Verschwindenlassen sowie Folter und anderen Misshandlungen. Mohamed Abo Horeira vertrat bis zu seiner Festnahme Personen, die sich wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft im Gefängnis befanden. Nach seiner Festnahme wurde er fast vier Monate lang an einem unbekannten Ort festgehalten, wo er Drohungen ausgesetzt war und in Handschellen und mit verbundenen Augen auf den Kopf geschlagen wurde.
Die Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF), die das Verschwindenlassen von Personen und die Anwendung der Todesstrafe dokumentierte sowie Opfern von Menschenrechtsverletzungen Rechtshilfe leistete, kündigte nach der Festnahme von Aisha el-Shater, Mohamed Abo Horeira und 29 weiteren Menschenrechtsverteidiger*innen und Anwält*innen am 1. November 2018 die Aussetzung ihrer Menschenrechtsarbeit an.
Von Januar 2019 bis Dezember 2020 wurde Aisha el-Shater im Frauengefängnis Al-Qanater in einer kleinen, schlecht belüfteten Zelle ohne Bad in Einzelhaft gehalten. Die aplastische Anämie, an der sie leidet, ist eine Blutkrankheit, die mit einem erhöhten Risiko für Infektionen und unkontrollierten Blutungen einhergeht. Ungeachtet dessen verweigern ihr die Behörden den Zugang zu angemessener fachärztlicher Behandlung in einem Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses. Die einzige Ausnahme war im Oktober 2019, als sie wegen schwerer Blutungen zweimal in Handschellen in das Al-Qasr al-Ainy-Krankenhaus eingeliefert wurde, um Blutplättchen-Transfusionen zu erhalten. Am 15. Mai 2022 fand eine Anhörung vor einem Staatssicherheitsgericht statt, in der das Gericht anordnete, Aisha el-Shater von drei Ärzt*innen untersuchen zu lassen, um festzustellen, ob sie eine Behandlung außerhalb des Gefängnisses benötigt. Da Aisha el-Shater nicht mit der Außenwelt kommunizieren darf, wissen ihre Familienangehörigen und Rechtsbeistände nicht, ob diese Untersuchung durchgeführt wurde oder nicht.
Am 25. Oktober 2021 kündigte Präsident Abdel Fattah al-Sisi an, dass er den seit 2017 geltenden Ausnahmezustand nicht verlängern werde. Durch diesen Ausnahmezustand war die Einrichtung der Staatssicherheitsgerichte erst möglich geworden. Paragraf 19 des Gesetzes über den Ausnahmezustand sieht vor, dass laufende Verfahren auch nach der Aufhebung des Ausnahmezustands fortgesetzt werden können. Amnesty International hat dokumentiert, dass Verfahren vor den Staatssicherheitsgerichten per se unfair verlaufen. Die Angeklagten dürfen gegen ihren Urteilsspruch und das Strafmaß keine Rechtsmittel bei einem höheren, unabhängigen Gericht einlegen. Nur der Präsident ist befugt, Urteile zu genehmigen, aufzuheben oder umzuwandeln oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen. Während des gesamten Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens, das am 11. September 2022 begann, durften die Angeklagten im "ECRF-Fall" nicht unbeobachtet mit ihren Rechtsbeiständen sprechen. Einige von ihnen wurden in Abwesenheit ihrer Rechtsbeistände durch die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) verhört. Die gerichtlichen Anhörungen wurden im Geheimen in einer Abteilung des Badr-3-Gefängnis abgehalten. Beobachter*innen, die Öffentlichkeit und die Angehörigen der Angeklagten waren von den Anhörungen ausgeschlossen. Die Rechtsbeistände gaben an, dass sie während der Untersuchungen keinen Zugang zu den Akten ihrer Mandant*innen hatten. Sie sagten außerdem, dass sich das Gericht auf Augenzeug*innenaussagen von Angehörigen der Abteilung für Innere Sicherheit berief, die ohne die notwendigen Kreuzverhöre akzeptiert wurden. Darüber hinaus durften nicht alle Angeklagten vor Gericht sprechen.
Der Vater von Aisha el-Shater, Khairat el-Shater, befindet sich seit Juli 2013 in Haft, als das Militär den damaligen Präsidenten Mohammed Mursi stürzte. Seither ist die Muslimbruderschaft in Ägypten verboten. Die Führungsriege sowie Zehntausende mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer*innen der islamistischen Bewegung sind festgenommen und strafrechtlich verfolgt worden.