Amnesty Report Malaysia 27. Mai 2013

Malaysia 2013

 

Amtliche Bezeichnung:
 Persekutuan Tanah Malaysia Staatsoberhaupt:
 König Abdul Halim Mu’adzam Shah Regierungschef: Najib Tun Razak

Gesetze aus der Kolonialzeit, die willkürliche Inhaftierungen erlaubten und die Meinungsfreiheit einschränkten, wurden durch neue gesetzliche Regelungen ersetzt. Diese entsprachen allerdings nicht den internationalen Menschenrechtsstandards. Die Polizei ging mit exzessiver Gewalt und Massenfestnahmen gegen friedliche Demonstrierende vor, die Wahlreformen forderten. Mindestens 14 Personen blieben auf der Grundlage des Gesetzes zur Inneren Sicherheit ohne Anklage oder Prozess in Haft.

Hintergrund

Die Regierungskoalition von Ministerpräsident Najib Tun Razak und die parlamentarische Opposition bereiteten sich auf die Parlamentswahlen vor, die der Ministerpräsident bis März 2013 anberaumen muss. Im Januar 2012 wurde der Oppositionsführer Anwar Ibrahim, der in einem politisch motivierten Strafverfahren wegen homosexueller Handlungen angeklagt war, freigesprochen. Im Falle einer Verurteilung hätten ihm Haft und ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot gedroht.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Juli 2012 kündigte die Regierung die Abschaffung des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten (Sedition Act) an, das zur Unterdrückung abweichender Meinungen eingesetzt worden war. Das stattdessen vorgesehene Gesetz für Nationale Harmonie (National Harmony Act) enthielt jedoch neue Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Im Juli trat eine Ergänzung des Beweismittelgesetzes (Evidence [Amendment] Act) in Kraft. Gemäß Paragraph 114A dieses Gesetzes sind Personen, die Internetdienste anbieten oder Internetseiten betreiben, auf denen Beiträge eingestellt werden können, wie z.B. Onlineforen, für etwaige anstößige Inhalte verantwortlich, die über diese Dienste bzw. auf diesen Internetseiten veröffentlicht werden.

  • Im Mai 2012 verboten die Behörden das Buch "Allah, Liberty and Love" der kanadischen Autorin Irshad Manji, weil es "die Moral und öffentliche Ordnung" gefährde. Nik Raina Nik Abdul Aziz, die Leiterin einer Filiale der Buchladenkette Borders, die das Buch im Sortiment hatte, wurde auf der Grundlage des islamischen Rechts (Scharia) wegen Verbreitung eines islamfeindlichen Buches angeklagt. Ihr drohten zwei Jahre Gefängnis.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die Kritik an den Behörden äußerten, wurden von staatlicher Seite schikaniert. Das 2012 in Kraft getretene Gesetz über friedliche Versammlungen (Peaceful Assembly Act 2012) erlaubte öffentliche Versammlungen, ohne dass hierfür eine polizeiliche Genehmigung erforderlich war, doch konnten diese später als "Straßenproteste" verboten werden.

  • Im Mai 2012 wurden drei Oppositionspolitiker, darunter Anwar Ibrahim, wegen Verstoßes gegen das Gesetz über friedliche Versammlungen angeklagt. Grund war ihre Teilnahme an einer Kundgebung der Bersih-Bewegung, die als "Straßenprotest" betrachtet wurde.

  • Die Regierungsbehörden setzten ihre Schikanierungs- und Einschüchterungskampagne gegen die Menschenrechtsgruppe Suara Rakyat Malaysia (SUARAM) fort, die sich erfolgreich für ein juristisches Verfahren in Frankreich eingesetzt hatte. Die Gruppe hatte der französischen Marine-Werft DCNS vorgeworfen, Schmiergelder an malaysische Beamte gezahlt zu haben, um einen Auftrag für den Bau von zwei U-Booten zu erhalten.

  • Im März 2012 wies das zuständige Gericht ein vom Bündnis Seksualiti Merdeka eingelegtes Rechtsmittel ab. Die Koalition verschiedener NGOs hatte sich an das Gericht gewandt, um ein polizeiliches Verbot des Festivals Seksualiti Merdeka überprüfen zu lassen. Das jährliche Festival für sexuelle Rechte hatte seit 2008 ungehindert stattgefunden.

Exzessive Gewaltanwendung

Die Polizei setzte exzessive Gewalt gegen friedliche Demonstrierende ein. Die Behörden lehnten es erneut ab, eine unabhängige Kommission für Beschwerden gegen die Polizei und deren Fehlverhalten (Independent Police Complaints and Misconduct Commission – IPCMC) einzusetzen. Diese war bereits 2005 von der Königlichen Kommission zur Untersuchung des Verhaltens und der Führung der Polizei empfohlen worden.

  • Bei der Bersih-3.0-Demonstration am 28. April 2012 ging die Polizei in Kuala Lumpur mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Zehntausende friedliche Demonstrierende vor, die Wahlreformen forderten. Die Polizei schlug auf friedlich Protestierende ein und nahm mindestens 471 von ihnen fest.

  • Im Oktober gab Innenminister Hishammudin Hussein vor dem Parlament bekannt, dass die Polizei von 2007 bis August 2012 insgesamt 298 Straftatverdächtige erschossen habe, darunter 151 indonesische Staatsangehörige.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Im Juli 2012 ersetzte die Regierung das Gesetz zur Inneren Sicherheit (Internal Security Act – ISA), das eine unbefristete Inhaftierung ohne Anklage oder Verfahren ermöglichte, durch ein neues Sicherheitsgesetz (Security Offences [Special Measures] Act). Es erlaubt der Polizei, Verdächtige 48 Stunden lang ohne Kontakt zur Außenwelt und bis zu 28 Tage ohne Anklage oder richterliche Überprüfung festzuhalten.

  • Trotz der Abschaffung des ISA waren im November noch mindestens 14 Personen – ausnahmslos ausländische Staatsangehörige – bis zum Ablauf der 28-tägigen Frist auf Grundlage dieses Gesetzes inhaftiert.

Flüchtlinge und Migranten

Flüchtlinge wurden systematisch inhaftiert, und Arbeitsmigranten litten unter ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Im Juni hob Indonesien das Verbot auf, Arbeitsmigranten als Hausangestellte nach Malaysia zu entsenden. Das Verbot war zwei Jahre zuvor verhängt worden, nachdem indonesische Hausangestellte in Malaysia misshandelt worden waren.

  • Mit der Abschiebung des Bloggers Hamza Kashgari nach Saudi-Arabien am 12. Februar 2012 verstieß Malaysia gegen den internationalen Grundsatz des Non-Refoulement (Abschiebungsverbot). In Saudi-Arabien könnte ihm wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) die Todesstrafe drohen, weil er über Twitter Bemerkungen über den Propheten Mohammed verschickt hatte.

  • Der nigerianische Student Onochie Martins Nwankwo wurde am 30. März 2012 von Angehörigen des Freiwilligenkorps RELA (Ikatan Relawan Rakyat) getötet. Das mit Polizeibefugnissen ausgestattete zivile Korps wird zur Kontrolle von Migranten eingesetzt. Am 20. April verabschiedete das Parlament ein Gesetz zum Freiwilligenkorps (Malaysia Volunteers Corps Bill 2012), das den RELA-Angehörigen die Befugnis aberkennt, Personen zu inhaftieren und Schusswaffen zu tragen.

Todesstrafe

Nach Angaben der Strafvollzugsbehörde befanden sich Ende Februar mindestens 860 Häftlinge in den Todeszellen. Die Behörden gaben jedoch nicht bekannt, wie viele Hinrichtungen 2012 vollstreckt wurden.

  • Im Oktober 2012 kündigte Justizminister Nazri Aziz an, die Regierung erwäge, die zwingende Todesstrafe durch Freiheitsstrafen zu ersetzen, allerdings nur für Drogenvergehen und unter bestimmten Umständen.

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