Kambodscha 2013
Amtliche Bezeichnung: Königreich Kambodscha Staatsoberhaupt: König Norodom Sihamoni Regierungschef: Hun Sen
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden 2012 in zunehmendem Maße eingeschränkt. Die Behörden gingen immer häufiger mit exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor. Menschenrechtsverteidiger sahen sich Drohungen, Schikanen, rechtlichen Verfahren und Gewalt ausgesetzt. Tausende Menschen waren von rechtswidrigen Zwangsräumungen, Landkonflikten und Landraub betroffen. Zu den größten Problemen zählte weiterhin, dass diejenigen, die für Menschenrechtsverstöße verantwortlich waren, nicht zur Rechenschaft gezogen wurden und die Justiz nicht unabhängig war, weshalb Tötungen nur mangelhaft oder gar nicht untersucht wurden. Die Verfahren vor den Außerordentlichen Kammern der Kambodschanischen Gerichte (Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia – ECCC) gerieten ins Stocken, während weiterhin der Vorwurf im Raum stand, die Regierung würde auf das Sondertribunal politisch Einfluss nehmen.
Hintergrund
Bei den Kommunalwahlen im Juni 2012 gewann die regierende Kambodschanische Volkspartei die Mehrzahl der Mandate. Im Vorfeld der für Juni 2013 angesetzten Parlamentswahlen schlossen sich zwei Oppositionsparteien zur Cambodian National Rescue Party zusammen. Der Vorsitzende der neuen Partei, Sam Rainsy, blieb jedoch im Ausland, um einer Haftstrafe zu entgehen, die aufgrund politisch motivierter Anklagen gegen ihn verhängt worden war. Der UN-Sonderberichterstatter über die Lage der Menschenrechte in Kambodscha veröffentlichte nach seinem Besuch in Kambodscha im Mai zwei äußerst kritische Berichte. Ein Bericht befasste sich mit dem Wahlrecht, der zweite behandelte die Frage, wie sich die Vergabe von Landkonzessionen zu ökonomischen Zwecken (Economic Land Concessions) auf die Menschenrechte der betroffenen Gemeinschaften auswirkt. Kambodscha hatte den Vorsitz des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) inne. Der Verband nahm im November die ASEAN-Menschenrechtserklärung an, obwohl es Einwände gab, dass sie nicht den internationalen Standards entsprach. Der Vater des Königs, Norodom Sihanouk, starb im Oktober im Alter von 89 Jahren.
Exzessive Gewaltanwendung
Die Behörden gingen immer häufiger gewaltsam gegen Proteste vor, die mit Landrechts- und Wohnrechtskonflikten oder arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen in Zusammenhang standen. Im Januar 2012 eröffneten Sicherheitskräfte das Feuer auf friedlich Demonstrierende in der Provinz Kratie. Dabei wurden vier Personen verletzt. Bei einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen schoss der Gouverneur der Stadt Bavet in der Provinz Svay Rieng im Februar auf drei Frauen. Im Mai wurde in Kratie ein 14-jähriges Mädchen erschossen, als Sicherheitskräfte in ein Dorf eindrangen, um dort eine rechtswidrige Zwangsräumung vorzunehmen, die 600 Familien betraf. Im Juli schlugen Polizisten einen Gewerkschafter und nahmen ihn fest, nachdem eine Gruppe von Arbeitern am Sitz des Ministerpräsidenten eine Petition eingereicht hatte. Zu den genannten Vorfällen wurden keine Untersuchungen eingeleitet. Die Verantwortlichen für tätliche Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger gingen nach wie vor straffrei aus.
- Im Dezember 2012 bestätigte das Berufungsgericht die gegen Born Samnang und Sok Sam Oeun verhängten Haftstrafen von 20 Jahren. Die beiden Männer waren trotz Mangels an Beweisen und glaubwürdiger Alibis für schuldig befunden worden, im Jahr 2004 den Gewerkschaftsführer Chea Vichea ermordet zu haben. Die tatsächlichen Mörder von Chea Vichea blieben auf freiem Fuß.
Recht auf freie Meinungsäußerung – Menschenrechtsverteidiger
Die Behörden drangsalierten Menschenrechtsverteidiger und Angehörige von Gemeinschaften, die sich gegen Zwangsräumungen engagieren. Sie drohten ihnen Festnahmen oder strafrechtliche Verfahren an. Ein Journalist des Senders Radio Free Asia sowie Mitarbeiter der Menschenrechts-NGO Cambodian Human Rights and Development Association und des Kambodschanischen Zentrums für Menschenrechte (Cambodian Center for Human Rights) wurden von einem Gericht vorgeladen. Sie sollten Fragen im Zusammenhang mit ihren legitimen Aktivitäten zu verschiedenen Landrechtskonflikten beantworten. Im März und im November 2012 schikanierten und drangsalierten die Behörden zivilgesellschaftliche Vereinigungen und basisdemokratische Netzwerke, darunter auch lokale und regionale NGOs. Damit wollten sie offenbar verhindern, dass die Organisationen parallel zu den ASEAN-Gipfeln Workshops und andere Veranstaltungen zu Menschenrechtsthemen abhielten.
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Im Mai 2012 wurden 13 Anwohnerinnen des Boeung-Kak-Sees in der Hauptstadt Phnom Penh festgenommen und in einem Schnellverfahren zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Frauen hatten eine friedliche Protestveranstaltung abgehalten, um 18 Familien zu unterstützen, deren Häuser bei Zwangsräumungen zerstört worden waren. Die Anklagen gegen die Frauen lauteten auf "rechtswidrige Besetzung öffentlichen Eigentums und Behinderung von Beamten unter erschwerenden Begleitumständen". Sie kamen im Juni im Berufungsverfahren frei, und ihre Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Eine weitere Aktivistin, Yorm Bopha, wurde im Dezember auf der Grundlage konstruierter Anklagen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
- Der bekannte Journalist und Regierungskritiker Mam Sonando wurde im Oktober 2012 zu 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Dem 71-Jährigen wurden staatsfeindliche Straftaten zur Last gelegt, wie Anstachelung zum "Aufruhr" in der Provinz Kratie. Es ist zu vermuten, dass die Anklage gegen ihn politisch motiviert war. Im Gerichtsverfahren wurden keine Beweise vorgelegt, die eine Verurteilung gerechtfertigt hätten. Amnesty International betrachtet Mam Sonando als gewaltlosen politischen Gefangenen.
Zwangsräumungen
Die Krise im Zusammenhang mit Landansprüchen setzte sich 2012 fort. Tausende Menschen waren von rechtswidrigen Zwangsräumungen, Landraub und Landkonflikten betroffen, die zunehmend zu Protesten führten. Im Mai kündigte die Regierung an, die Vergabe von Landkonzessionen zu ökonomischen Zwecken vorübergehend auszusetzen. Sie versprach außerdem, die bereits vergebenen Konzessionen zu prüfen, um sicherzustellen, dass sie mit den gesetzlichen Bestimmungen übereinstimmten. Doch wurden auch nach Inkrafttreten des Moratoriums noch einige Landkonzessionen zu ökonomischen Zwecken erteilt. Im Juni startete der Ministerpräsident ein Projekt mit dem Ziel, Besitztitel an Menschen zu vergeben, die in staatlichen Wäldern leben. Auch die Neuzuteilung von Landkonzessionen zu wirtschaftlichen oder anderen Zwecken war Teil des Projekts. Tausende Studierende, die sich freiwillig gemeldet hatten, sollten Landkarten erstellen und Informationen über die Nutzung von Grundstücken sammeln.
- Bei einer rechtswidrigen Zwangsräumung zerstörten Arbeiter eines Bauunternehmens im Januar in Borei Keila im Zentrum von Phnom Penh die Wohnungen von etwa 300 Familien. Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Bewohner vor. Es kam zu Zusammenstößen, bei denen Steine, Holzstücke und Flaschen geworfen wurden. Mindestens 64 Personen sollen verletzt worden sein, acht Menschen kamen in Haft. Die von der Zwangsräumung Betroffenen wurden an zwei Orte außerhalb von Phnom Penh gebracht, wo es weder angemessene Unterkünfte noch Sanitäreinrichtungen oder Arbeitsmöglichkeiten gab. Etwa 125 Familien weigerten sich, an diese Orte umzuziehen und blieben unter elenden Bedingungen in der Nähe ihrer ehemaligen Wohnorte.
Internationale Strafverfolgung
Die Verfahren vor den Außerordentlichen Kammern der Kambodschanischen Gerichte bezüglich der Fälle 003 und 004 gerieten 2012 ins Stocken, während erneut der Vorwurf der politischen Einflussnahme durch die Regierung laut wurde. Der Oberste Rat der Richter (Supreme Council of Magistracy) lehnte im Januar die Ernennung von Ersatzrichter Laurent Kasper-Ansermet zum internationalen Co-Ermittlungsrichter ab, obwohl er von den UN nominiert worden war. Anfang Mai legte er sein Amt nieder und begründete dies damit, dass sein kambodschanischer Co-Ermittlungsrichter die Arbeit behindert habe. Nachfolger von Laurent Kasper-Ansermet wurde im Oktober der US-amerikanische Richter Mark Harmon, doch waren in den beiden Verfahren 003 und 004 keine Fortschritte zu verzeichnen. Im Fall 002 wurden die Anhörungen aufgrund finanzieller Engpässe auf drei Tage pro Woche reduziert. Die Angeklagte Ieng Thirith wurde für verhandlungsunfähig erklärt und im September ihrer Familie zur Pflege übergeben. Sie soll an der Alzheimer-Krankheit leiden. Ieng Thirith zählte zu den vier ehemaligen Führungskadern der Roten Khmer, die im Verfahren 002 angeklagt sind.
- Im Februar 2012 bestätigte die Kammer des Obersten Gerichts (Supreme Court Chamber) den Schuldspruch gegen den ehemaligen Gefängnischef Kaing Guek Eav, alias "Duch". Er war wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß auf lebenslange Haft verschärft. Die Kammer hob außerdem die Entscheidung auf, Kaing Guek Euv einen Rechtsbehelf zu gewähren, weil er auf Anordnung eines kambodschanischen Militärgerichts acht Jahre ohne Rechtsgrundlage inhaftiert war.
Amnesty International: Missionen und Berichte
Delegierte von Amnesty International besuchten Kambodscha in den Monaten Februar bis April, im August/September und im November/Dezember.
Cambodia: Imprisoned for speaking out: update on Phnom Penh’s Boeung Kak Lake Summit leaders should push Cambodia on human rights failures Cambodia: Convictions of activists demonstrate dire state of justice