Amnesty Report 22. Mai 2013

Gambia 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Gambia Staats- und Regierungschef: Yahya Jammeh

Zum ersten Mal seit fast 30 Jahren wurden 2012 in Gambia wieder Todesurteile vollstreckt. Acht Männer und eine Frau, die sich im Todestrakt befanden, wurden ohne vorherige Ankündigung hingerichtet. Die Hingerichteten hatten noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Während des Berichtsjahrs wurden abweichende Meinungen von den Behörden durch Schikanen und Einschüchterungen unterdrückt. Die Sicherheitskräfte nahmen routinemäßig willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen vor. Die Haftbedingungen waren extrem schlecht.

Todesstrafe

Im August 2012 wurden neun Häftlinge, die in den Todeszellen vom Zentralgefängnis Mile 2 einsaßen – sieben Männer aus Gambia, ein Senegalese und eine Senegalesin – von einem Erschießungskommando exekutiert. Die Hinrichtungen fanden eine Woche nach der Ankündigung von Präsident Yahya Jammeh statt, dass alle ergangenen Todesurteile vollstreckt würden. Weder die Inhaftierten noch deren Familien, Anwälte oder die senegalesischen Behörden wurden vorher über die Hinrichtungen informiert. Die Exekutionen lösten international Empörung aus und wurden von den Behörden erst mehrere Tage später bestätigt. Drei der Hingerichteten, Malang Sonko, Tabara Samba und Buba Yarboe, wurden exekutiert, obwohl sie die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel noch nicht ausgeschöpft hatten. Dies stellt eine Verletzung der internationalen Standards für einen fairen Prozess dar. Der ebenfalls hingerichtete Dawda Bojang war im Jahr 2007 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Als er 2010 beim zuständigen Berufungsgericht Rechtsmittel gegen das Urteil einlegte, wurde es in ein Todesurteil umgewandelt. Zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung war das vor dem Obersten Gerichtshof angestrengte Rechtsmittelverfahren noch nicht abgeschlossen.

Die Verfassung Gambias garantiert allen zum Tode Verurteilten ausdrücklich das Recht auf die Einlegung von Rechtsmitteln beim Obersten Gerichtshof. Im September 2012 kündigte der Präsident ein Hinrichtungsmoratorium an, das er jedoch von der Verbrechensrate abhängig machte. Damit knüpfte er das Leben der Menschen in den Todeszellen an äußere Faktoren.

Im Oktober bestätigte der Oberste Gerichtshof die Urteile gegen sieben Männer, denen die Planung eines Umsturzversuchs zur Last gelegt worden war. Die Betroffenen waren im Juni 2010 wegen Verrats zum Tode verurteilt worden. Ausländische Beobachter wurden des Gerichtssaals verwiesen. Bei Jahresende befanden sich mindestens 36 Menschen weiter in den Todeszellen.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Der Nationale Geheimdienst (National Intelligence Agency – NIA) und die Polizei nahmen regelmäßig willkürliche Festnahmen vor. In Gewahrsam genommene Personen wurden oft über die legale Frist von 72 Stunden hinaus ohne Anklage festgehalten. Dies verstieß gegen die Verfassung, die vorsieht, dass ein Straftatverdächtiger binnen 72 Stunden nach der Festnahme einem Richter vorzuführen ist.

  • Im April 2012 wurden bei einer Razzia in einem Nachtclub 18 Männer und zwei Frauen festgenommen, die Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Transgender waren bzw. dafür gehalten wurden. Gegen sie wurde Anklage wegen "versuchter Unzucht" und "Verabredung zur Begehung schwerer Straftaten" erhoben. Wegen Mangels an Beweisen wurden die Vorwürfe im August fallen gelassen.

  • Im Oktober 2012 berichteten die Medien, dass der NIA den ehemaligen Minister Mambury Njie festgenommen und inhaftiert habe. Angehörige des Ministers bestätigten die Berichte. Er befand sich länger als die maximal zulässige Zeit von 72 Stunden in Haft, und seine Familie wurde nicht über den Grund der Festnahme informiert. Mambury Njie wurde einige Tage später gegen Kaution freigelassen. Im Dezember wurde er dann jedoch erneut festgenommen, nachdem er sich bei der Polizei gemeldet hatte, wie es seine Kautionsauflagen vorschrieben. Der ehemalige Minister wurde vor Gericht gestellt und wegen Wirtschaftsverbrechen und Amtsmissbrauchs angeklagt, ohne dass man ihn näher über die Hintergründe dieser Anklagen informierte. Anschließend nahm man ihn im Zentralgefängnis Mile 2 in Untersuchungshaft. Mambury Njie wurde vor Gericht nicht von einem Rechtsbeistand vertreten, und man setzte ihn nicht über sein Recht auf einen Anwalt in Kenntnis. Ende
2012 befand sich Mambury Njie noch immer in Haft. Medienberichten zufolge soll er sich im August, als er noch Außenminister war, gegen die Anweisung zur Hinrichtung der Todeskandidaten ausgesprochen haben.

Unterdrückung abweichender Meinungen

  • Der ehemalige Minister für Information und Kommunikation Dr. Amadou Scattred Janneh wurde im Januar zu lebenslanger Haft mit Zwangsarbeit verurteilt, nachdem er des Verrats für schuldig befunden worden war. Modou Keita, Ebrima Jallow und Michael Ucheh Thomas wurden wegen Staatsgefährdung zu jeweils drei Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt. Die vier Männer waren im Juni 2011 festgenommen worden, weil sie T-Shirts besaßen, auf denen "Für ein sofortiges Ende der Diktatur!" stand. Im Juli starb Michael Ucheh Thomas im Gefängnis an einer Krankheit. Berichten zufolge war er nicht medizinisch versorgt worden. Im September wurde Dr. Janneh vom Präsidenten begnadigt und des Landes verwiesen. Modou Keita wurde im Oktober aus dem Gefängnis entlassen, Ebrima Jallow blieb dagegen in Haft.

  • Im September 2012 wurden die beiden Journalisten Baboucarr Ceesay und Abubacarr Saidykhan willkürlich festgenommen, nachdem sie bei der Polizei eine Genehmigung für eine friedliche Kundgebung beantragt hatten, mit der gegen die Hinrichtungen von neun Personen im August protestiert werden sollte. Beide wurden willkürlich inhaftiert, wegen Staatsgefährdung angeklagt und dann gegen Kaution freigelassen. Auf Anweisung von Staatspräsident Jammeh wurden die Vorwürfe gegen sie im Oktober fallen gelassen. Wenige Tage später erhielten die Journalisten Morddrohungen. Zwar sicherte die Polizei zu, den Drohungen nachzugehen, bis Ende 2012 waren diesbezüglich jedoch noch keine Fortschritte gemacht worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Der unabhängige Radiosender Teranga FM wurde im Januar 2012 ohne Begründung geschlossen. Wenige Monate, nachdem Teranga FM wieder auf Sendung gegangen war, ordneten Beamte des NIA im August erneut die Schließung des Senders an. Der Radiosender hatte seine Tätigkeit schon 2011 vorübergehend einstellen müssen.

Im September 2012 erschienen Männer in Zivil in den Redaktionen der Zeitungen The Standard und Daily News und ordneten die Einstellung der beiden Zeitungen an. Es wurde vermutet, dass es sich bei den Männern um Beamte des NIA handelte. Die Männer legten weder eine gerichtliche Anweisung oder ein richterliches Dokument vor, noch wurde den Herausgebern der beiden Blätter eine Begründung für das Verbot genannt. Die Zeitungen waren bei Jahresende weiter geschlossen.

Ebenfalls im September wurde ein BBC-Journalist, der französischer Staatsangehöriger war, länger als fünf Stunden am Flughafen der Hauptstadt festgehalten. Er wurde ohne Erklärung aufgefordert, Gambia binnen 48 Stunden zu verlassen, obwohl er zuvor eine Genehmigung bekommen hatte, aus dem Land zu berichten. Er war nach Gambia gereist, um über die Hinrichtungen vom August zu berichten.

Verschwindenlassen

Im Mai 2012 erklärte der Generalinspektor der Polizei, dass der Journalist Ebrima Manneh, der im Jahr 2006 "verschwand", als er sich in Gewahrsam der Polizei befand, nach Informationen von Interpol in den USA gesehen worden sei. Diese Information wurde von Interpol nicht bestätigt. Ebrima Manneh steht weiterhin als vermisst auf der Website von Interpol. Die angebliche Sichtung Ebrima Mannehs wurde von seiner Familie energisch dementiert.

  • Am 3. Dezember 2012 nahmen zwei Angehörige des NIA den bekannten muslimischen Geistlichen und Menschenrechtsaktivisten Imam Baba Leigh fest. Er hatte öffentlich die Hinrichtungen von Insassen des Zentralgefängnisses Mile 2 vom August verurteilt. Er nannte die Hinrichtungen "unislamisch" und forderte die Regierung auf, die Leichname der Hingerichteten für eine angemessene Beerdigung an deren Angehörige zu übergeben. Der Imam wurde nach seiner Festnahme nicht vor Gericht gestellt. Der NIA bestätigte seine Inhaftierung nicht, und seiner Familie und seinem Rechtsbeistand lagen keine Informationen über seinen Verbleib und sein Schicksal vor. Somit wurde Imam Baba Leigh Opfer des Verschwindenlassens und befand sich in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Ende 2012 ging Amnesty International davon aus, dass Imam Baba Leigh von Staatsbeamten festgehalten wird und betrachtete ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in den Gefängnissen waren von mangelhaften sanitären Einrichtungen, Krankheiten, schlechter medizinischer Versorgung, Überbelegung, extremer Hitze und unzureichender Ernährung gekennzeichnet. Externe Beobachter durften die Gefängnisse nicht besuchen. Mängel bei der Sicherheitsausstattung, wie z.B. das Fehlen von Feuerlöschern, gefährdeten das Leben der Häftlinge.

Die Insassen des Todestrakts durften keinen Besuch von Angehörigen oder Freunden erhalten. Das Essen in den Gefängnissen war von schlechter Qualität; ausschließlich Untersuchungshäftlinge durften sich Essen ins Gefängnis bringen lassen. Es gab keine Resozialisierungsprogramme.

Im Oktober 2012 wurde berichtet, dass vier Häftlinge an Krankheiten gestorben waren, unter ihnen Abba Hydara und der aus Guinea-Bissau stammende Sulayman Ceesay, die sich beide im Todestrakt befanden. Es gab keine weiteren Informationen zu den Todesfällen. Quellen zufolge wurde der unter dem Namen Njagga bekannte Häftling Amadou Faal im Oktober von einem Gefängnisbeamten brutal verprügelt. Obwohl er dabei ein Auge verlor, verweigerte man ihm tagelang eine ärztliche Behandlung. Gegen den Gefängnisbeamten wurden weder disziplinarische noch strafrechtliche Maßnahmen eingeleitet.

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