Amnesty Report Bangladesch 22. Mai 2013

Bangladesch 2013

 

Amtliche Bezeichnung: 
Volksrepublik Bangladesch Staatsoberhaupt: Mohammad Zillur Rahman Regierungschefin: Sheikh Hasina Wajed

Im Jahr 2012 sollen etwa 30 außergerichtliche Hinrichtungen vollzogen worden sein. Die Sicherheitskräfte waren an Folter und anderen Misshandlungen sowie mindestens zehn Fällen des Verschwindenlassens beteiligt. Politisch motivierte Gewalt hatte den Tod von mindestens vier Männern zur Folge. Frauen waren weiterhin Opfer unterschiedlicher Arten von Gewalt. Die Regierung gewährte indigenen Gemeinschaften keinen Schutz vor Angriffen durch bengalische Siedler. Mindestens 111 Arbeiter starben bei einem Brand in einer Fabrik. Einige von ihnen sollen ums Leben gekommen sein, weil Aufseher der Fabrik sie daran hinderten, das Gebäude zu verlassen. Mehr als 20 buddhistische Tempel und Klöster, ein Hindu-Tempel und viele Häuser und Geschäfte von Buddhisten wurden während eines religiös motivierten Angriffs in Brand gesetzt. Mindestens 45 Personen wurden zum Tode verurteilt.

Hintergrund

Im Januar 2012 erklärte die Regierungschefin, dass in Bangladesch keine Menschenrechtsverletzungen begangen worden seien.

Im Dezember eskalierte die politisch motivierte Gewalt, als die oppositionellen Parteien ganztägige Generalstreiks zu organisieren versuchten. Mindestens vier Personen starben, und zahlreiche Streikende und Polizisten wurden verletzt. Die islamistische Partei Jamaat-e-Islami forderte die Freilassung ihrer Führungsmitglieder, gegen die zurzeit ein Verfahren wegen Kriegsverbrechen läuft. Die Bangladesh Nationalist Party (BNP) forderte, dass die bevorstehenden allgemeinen Wahlen unter einer Übergangsregierung abgehalten werden sollten. Mitglieder einer Gruppe mit Verbindungen zur Regierungspartei griffen Oppositionelle gewalttätig an. Dabei wurde ein Passant so schwer durch Schläge und Messerstiche verletzt, dass er starb.

Korruptionsvorwürfe lösten sowohl in Bangladesch als auch international große Sorge aus. Im Juni zog die Weltbank eine Kreditzusage über 1,2 Mrd. US-Dollar für den in der Zentralregion Bangladeschs geplanten Bau der Padma-Brücke zurück, nachdem die Regierung Bangladeschs nicht in angemessener Form auf Korruptionsvorwürfe reagiert hatte. Eine Untersuchung durch die Antikorruptionskommission war Ende 2012 noch nicht abgeschlossen.

Bangladeschs Behörden äußerten gegenüber Indien weiterhin Besorgnis wegen der Tötung ihrer Staatsangehörigen durch indische Grenzschutzeinheiten. Indische Grenzwächter töteten 2012 mehr als ein Dutzend Bangladescher beim Überqueren der Grenze nach Indien.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Mindestens 30 Personen kamen 2012 durch mutmaßliche außergerichtliche Hinrichtungen ums Leben. Die Polizei gab an, die Opfer seien bei Feuergefechten mit den Sicherheitskräften getötet worden. Familienangehörige widersprachen diesen Behauptungen jedoch und erklärten, dass die Menschen getötet worden seien, nachdem sie von Personen in Zivil festgenommen worden waren, die sich als Angehörige des Schnellen Einsatzbataillons (Rapid Action Battalion – RAB) oder anderer Polizeieinheiten zu erkennen gaben. Im Berichtsjahr wurde niemand wegen dieser Tötungen zur Rechenschaft gezogen.

  • Am 12. September 2012 sollen RAB-Angehörige den Bauern Mohammad Atear Rahman (auch als Tofa Molla bekannt) im Bezirk Kushtia erschossen haben. Laut Angaben des RAB wurde er bei einem "Schusswechsel" getötet, wohingegen Atear Rahmans Familie und andere Zeugen aussagten, dass RAB-Angehörige ihn am Abend zuvor in seiner Wohnung festgenommen hatten. Sein Leichnam wies Meldungen zufolge drei Schusswunden auf – zwei davon im Rücken.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen durch Polizei, RAB, Armee und Geheimdienste waren weit verbreitet und blieben praktisch straffrei. Die eingesetzten Methoden umfassten Schläge, Tritte, Aufhängen an der Raumdecke, Nahrungs- und Schlafentzug sowie Elektroschocks. Die meisten Häftlinge sollen gefoltert worden sein, bis sie "gestanden", ein Verbrechen begangen zu haben. Nach vorliegenden Informationen sollen die Polizei und das Schnelle Einsatzbataillon Unterlagen gefälscht haben. Zu diesem Zweck wurden z.B. auch die Festnahmedaten verändert.

Verschwindenlassen

Mindestens zehn Personen "verschwanden" 2012. In den meisten Fällen blieben die Opfer unauffindbar. Personen, die tot aufgefunden wurden, wiesen Verletzungen auf, von denen einige durch Schläge verursacht worden waren.

  • Am 17. April "verschwand" Ilias Ali, Divisionssekretär der Oppositionspartei BNP, zusammen mit seinem Fahrer Ansar Ali. Die Regierung versprach zwar, den Fall zu untersuchen, hatte bis Ende 2012 aber noch keine Informationen vorgelegt.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Frauen waren weiterhin unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Dazu gehörten Säureangriffe, Ermordung wegen nicht gezahlter Mitgift, Auspeitschen durch illegale Schiedsausschüsse wegen religiöser Vergehen, häusliche und sexuelle Gewalt.

  • Am 9. September 2012 wurden Aleya Begum und ihre Tochter ohne Haftbefehl festgenommen und Berichten zufolge auf der Polizeistation von Khoksa im Bezirk Kushtia gefoltert. Zwei Tage später brachte man sie zur Polizeiwache der Stadt Kushtia und sperrte sie in einen dunklen Raum. Die Tochter, eine Studentin, wurde nachts von ihrer Mutter getrennt und von Polizisten sexuell missbraucht. Nachdem die beiden Frauen vor Gericht erschienen waren, kamen sie am 18. September frei. Aleya Begum und ihre Tochter informierten die Medien über ihre Geschichte und wurden am 26. September 2012 erneut festgenommen und inhaftiert.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Wie schon in den vergangenen Jahren trafen die Behörden auch 2012 keine Regelungen bezüglich der von indigenen Bevölkerungsgruppen geltend gemachten Ansprüche auf Land, das ihnen entweder während des internen bewaffneten Konflikts (1975–97) abgenommen worden war oder das in jüngster Zeit von einer steigenden Anzahl bengalischer Siedler besetzt wurde. Spannungen zwischen den beiden Gemeinschaften und das Versäumnis der Sicherheitskräfte, die lokalen indigenen Gemeinschaften gegen Angriffe bengalischer Siedler zu schützen, führten zu mehreren Zusammenstößen mit Verletzten auf beiden Seiten.

  • Am 22. September 2012 wurden bei einem Zusammenstoß zwischen Angehörigen der indigenen Gemeinschaft und bengalischen Siedlern in Rangamati mindestens 20 Personen verletzt. Angehörige der örtlichen Bevölkerung gaben an, dass die Sicherheitskräfte zwar erschienen seien, die Gewalt aber nicht unterbunden hätten.

Arbeitsrechte

Gewerkschaftsführer, die die Demonstrationen der Arbeitnehmer der Textilindustrie gegen niedrigen Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen unterstützten, wurden 2012 schikaniert und eingeschüchtert; ein Mann wurde getötet.

  • Der Gewerkschaftsführer Aminul Islam "verschwand" am 4. April 2012. Am nächsten Tag wurde seine Leiche in der Stadt Ghatail nördlich der Hauptstadt Dhaka aufgefunden. Seine Familie entdeckte Folterspuren an seinem Körper und vertrat die Auffassung, dass er von Sicherheitskräften entführt worden war. Er war zuvor schon einmal von Mitarbeitern des Geheimdienstes wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten festgenommen und geschlagen worden.

  • Mindestens 111 Arbeiter starben im November 2012 bei einem Brand in der Textilfabrik Tazreen Fashion in der nördlich von Dhaka gelegenen Stadt Savar. Einige von ihnen sollen zu Tode gekommen sein, weil Aufseher der Fabrik es nicht zugelassen hatten, dass die Tore geöffnet wurden, um ihnen die Flucht vor dem Feuer zu ermöglichen.

Ethnisch-religiöse Gewalt

Die Angriffe gegen Angehörige von Minderheitengemeinschaften nahmen Ende September 2012 eine neue Wendung. Tausende Menschen protestierten gegen ein auf Facebook veröffentlichtes Bild, das ihrer Ansicht nach den Koran beleidigte, und setzten mehr als 20 buddhistische Tempel und Klöster, einen Hindu-Tempel und zahlreiche Häuser und Geschäfte von Buddhisten in den südlich gelegenen Städten Cox’s Bazar und Chittagong in Brand.

Todesstrafe

Mindestens 45 Personen wurden zum Tode verurteilt. Ein Mann wurde im April 2012 hingerichtet.

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