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Mazedonien 2012
Amtliche Bezeichnung: Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Staatsoberhaupt: Gjorgje Ivanov Regierungschef: Nikola Gruevski Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 2,1 Mio. Lebenserwartung: 74,8 Jahre Kindersterblichkeit: 10,5 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 97,1%
Zehn Jahre nach dem bewaffneten Konflikt von 2001 wurde die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen eingestellt, die der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) an Mazedonien zurückverwiesen hatte. Die Regierung schränkte die Pressefreiheit ein.
Hintergrund
Die Beachtung der Menschenrechte verschlechterte sich im Laufe des Berichtsjahres. Im Juni 2011 wurden vorgezogene Parlamentswahlen abgehalten. Zuvor hatten oppositionelle Parteien das Parlament aus Protest boykottiert, u.a. weil die Regierung ihrer Ansicht nach zu stark gegen die Medien vorgegangen war. Die Regierungskoalition, bestehend aus der Inneren Mazedonischen Revolutionären Organisation – Demokratische Partei für die Nationale Einheit Mazedoniens (VMRO-DPMNE) und der ethnisch albanischen Partei Demokratische Union für Integration (DUI), blieb an der Macht. Die DUI trat der Koalition unter mehreren Bedingungen bei, dazu zählte auch eine Amnestie für Fälle von Kriegsverbrechen.
Die Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen verschärften sich. Anlass war der Bau nationalistischer Monumente, die sich auf die ethnischen Mazedonier bezogen. Im Februar versuchten ethnische Albaner, darunter auch Vertreter der DUI, den Bau eines Museums in Form einer Kirche in der Festung von Skopje zu verhindern. Dabei wurden acht Personen verletzt.
Im Oktober wurde eine Volkszählung kurz nach Beginn abgebrochen, da keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob ethnische Albaner, die länger als ein Jahr außerhalb Mazedoniens gelebt hatten, mitgezählt werden sollten.
Im Oktober empfahl die Europäische Kommission erneut, EU-Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, der Ministerrat der EU verschob jedoch erneut den Beginn der Gespräche, zum Teil wegen des anhaltenden Streits mit Griechenland über den Staatsnamen.
Strafverfolgung von Kriegsverbrechen
Im Juli 2011 billigte das Parlament eine neue Auslegung des Amnestiegesetzes von 2002, das Personen, die am bewaffneten Konflikt von 2001 beteiligt waren, Straffreiheit gewährte außer in Fällen, die der Rechtsprechung des ICTY unterlagen. Nach der neuen Auslegung konnten vier Fälle von Kriegsverbrechen, die der ICTY 2008 an Mazedonien zurückverwiesen hatte, nur vom ICTY verfolgt werden, nicht aber von einheimischen Gerichten. Damit verstieß Mazedonien gegen seine internationalen Verpflichtungen.
Infolge dieses Beschlusses wies das Strafgericht Skopje im September auf Anweisung des Generalstaatsanwalts den Fall der Straßenarbeiter der Baufirma Mavrovo ab. Die Bauarbeiter waren im Jahr 2001 dem Vernehmen nach von der ethnisch albanischen Nationalen Befreiungsarmee (UÇK) entführt, misshandelt, sexuell missbraucht und mit dem Tode bedroht worden, ehe sie wieder freikamen. Das Gericht stellte es den Opfern frei, vor Zivilgerichten Entschädigungsforderungen geltend zu machen.
Alle übrigen Verfahren wurden bis Ende Oktober eingestellt. Das Verfahren gegen die UÇK-Führungsspitze umfasste auch Anklagepunkte gegen Ali Ahmeti, den Parteivorsitzenden der DUI und ehemaligen Führer der UÇK. In einem weiteren Verfahren, dem sogenannten Neprosteno-Fall, wurde der UÇK die Entführung von zwölf ethnischen Mazedoniern und einem Bulgaren zur Last gelegt.
Nach wie vor herrschte Straflosigkeit hinsichtlich des Verschwindenlassens von sechs ethnischen Albanern durch die mazedonischen Behörden im Jahr 2001.
Folter und andere Misshandlungen
Im April 2011 übernahm die Ombudsstelle ihre Aufgabe als Nationaler Präventionsmechanismus gemäß dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter. Doch mangelte es ihr an Befugnissen und Ressourcen, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Misshandlungen durch die Polizei blieben weiterhin straflos. Die Staatsanwaltschaften versäumten es, Vorwürfen wirksam auf den Grund zu gehen. Es trafen weiterhin Berichte über Misshandlungen durch die Polizeieinheit Alpha ein.
Rechtswidrige Tötung
- Am 6. Juni 2011 wurde Martin Neskovski in Skopje während der Feierlichkeiten nach den Parlamentswahlen brutal verprügelt und starb an seinen Kopfverletzungen. Trotz anfänglichen Leugnens wurde am 8. Juni ein Angehöriger der Tiger, der Antiterroreinheit der Polizei, festgenommen. Es gab mehrere öffentliche Kundgebungen, bei denen Demonstrierende gegen Verzögerungen bei den Ermittlungen protestierten und eine strengere zivile Kontrolle der Polizei forderten. Das Strafverfahren wegen des Todesfalls wurde im November eröffnet.
Antiterrormaßnahmen und Sicherheit
Die Beschwerde, die Khaled el-Masri beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Mazedonien eingereicht hatte, war bis Ende 2011 noch nicht behandelt worden. Sie betraf die Rolle der mazedonischen Behörden bei seiner Entführung und der anschließenden 23-tägigen rechtswidrigen Inhaftierung und Misshandlung im Jahr 2003 in Skopje. Khaled el-Masri war anschließend an die US-Behörden überstellt und nach Afghanistan geflogen worden, wo er dem Vernehmen nach Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt war. In einem Zivilverfahren legte im Februar ein sachverständiger Zeuge Beweise für mutmaßliche Überstellungsflüge vor, mit denen Khaled el-Masri von Skopje nach Kabul gebracht worden war. Das Verfahren wurde jedoch vertagt, da kein Prozedere existierte, das es Khaled el-Masri erlaubt hätte, seine Aussage über eine Videoverbindung aus Deutschland zu machen.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Journalisten und Mitarbeiter unabhängiger Medienunternehmen sahen sich 2011 in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zunehmend durch Eingriffe der Regierung behindert. Diese reichten von direkten Einschüchterungsversuchen bis hin zur Kontrolle von Werbeagenturen.
Bis Oktober war in 105 Fällen Verleumdungsklage gegen Journalisten erhoben worden, vielfach durch Regierungsvertreter. Die Focus-Journalistin Jadranka Kostova wurde wegen mutmaßlicher Beleidigung mit einer Geldbuße in Höhe von 16259 Euro belegt.
Im Januar froren die Behörden die Bankkonten des Fernsehsenders A1 sowie der mit ihm verbundenen Zeitungen Vreme, Shpic und Koha e Re ein, die sich kritisch über die Regierung geäußert hatten. Zuvor waren im Dezember 2010 der Besitzer von A1 TV und 14 weitere Personen wegen mutmaßlichen Betrugs und Steuerhinterziehung festgenommen und inhaftiert worden. Auf das folgende Verfahren wurde starke politische Einflussnahme ausgeübt; zudem gab es Bedenken hinsichtlich der Länge der Untersuchungshaft.
Im Juli stellte A1 TV den Sendebetrieb ein, und es erschienen keine Druckversionen der Zeitungen mehr. Hunderte von Journalisten protestierten gegen die Schließungen der Redaktionen und die damit verbundenen Entlassungen. Eine führende Vertreterin der Gewerkschaft wurde entlassen, dem Vernehmen nach wegen ihrer Teilnahme an den Protesten. Ebenfalls im Juli sorgten Änderungen am Rundfunkgesetz dafür, dass die Regierung eine verstärkte Kontrolle über den Rundfunkrat ausüben konnte, der für die elektronischen Medien zuständig ist.
Im Oktober begannen Gespräche zwischen Regierungsvertretern und Journalisten, die forderten, der Straftatbestand Verleumdung müsse abgeschafft werden. In einem Fernsehinterview beschuldigte der Ministerpräsident den Journalisten Borjan Jovanovski, Mazedoniens EU-Beitritt absichtlich zu gefährden.
Diskriminierung
Das Antidiskriminierungsgesetz von 2010 trat im Januar 2011 in Kraft. Ab April nahm die Kommission zum Schutz vor Diskriminierung entsprechende Beschwerden entgegen. NGOs stellten Kompetenz und Unabhängigkeit der Kommission infrage, da die gewählten Mitglieder keine Fachkenntnisse über Menschenrechte besaßen; drei von ihnen waren Staatsangestellte. Wenngleich das Gesetz keine Bestimmungen enthielt, um Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender vor Diskriminierung zu schützen, untersagte die Kommission die Verbreitung eines Psychologie-Fachbuchs mit homophobem Inhalt. Die Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid von 2001, das der Diskriminierung der ethnisch albanischen Bevölkerung entgegenwirken soll, wurde fortgesetzt: Die Übertragung von Befugnissen an die Kommunen im Zuge der Dezentralisierung machte langsame Fortschritte, und das Sprachengesetz wurde teilweise umgesetzt.
Die Ausgrenzung von ethnisch albanischen Kindern und Roma-Kindern im Bildungssystem hielt weiter an.
Roma Im Juli 2011 übernahm Mazedonien den Vorsitz der "Dekade der Roma-Integration", versäumte es aber, ausreichende Mittel bereitzustellen, um entsprechende Aktionspläne oder die Nationale Strategie zur Förderung von Roma-Frauen umzusetzen.
Viele Roma hatten nach wie vor keine Ausweisdokumente, die erforderlich waren, um Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung und Sozialfürsorge zu erhalten. Die NGO National Roma Centrum unterstützte 1519 Roma dabei, auf Grundlage eines im März verabschiedeten Gesetzes die Legalisierung ihres Eigentums zu beantragen. Informellen Roma-Siedlungen fehlte es an fließendem Wasser und Elektrizität, auch gab es keine Kanalisation und keine befestigten Straßen.
Das Europäische Zentrum für Roma-Rechte berichtete im Mai, dass Roma-Kinder 46% der Schüler in Sonderschulen und in Grundschulklassen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ausmachten.
Flüchtlinge und Asylsuchende Etwa 1519 Asylsuchende, einschließlich 1100 Roma und Aschkali aus dem Kosovo, lebten weiterhin in Mazedonien. Das Ministerium für Arbeit und Soziales stellte ihnen keine finanzielle Unterstützung oder Unterkünfte zur Verfügung, obwohl es dazu laut einem Integrationsabkommen von 2010 verpflichtet war. Etwa 193 Roma, Aschkali und Ägypter kehrten in den Kosovo zurück, 16 nach Serbien.
Etwa 185 warteten auf ihre Ausreise, 726 entschieden sich für örtliche Intergration.
Auf Drängen der Europäischen Kommission verschärfte die Regierung ihre Grenzkontrollen und führte Ausreisekontrollen ein, die das Recht einschränkten, das Land zu verlassen. Diese Maßnahme richtete sich häufig gegen Roma. Der Innenminister gab bekannt, dass allein im Juni 764 mazedonischen Staatsangehörigen das Recht verwehrt worden sei, das Land zu verlassen.
Amnesty International: Mission
Delegierte von Amnesty International besuchten Mazedonien im Dezember.