Amnesty Report Dominikanische Republik 04. Mai 2012

Dominikanische Republik 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Dominikanische Republik Staats- und Regierungschef: Leonel Fernández Reyna Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 10,1 Mio. Lebenserwartung: 73,4 Jahre Kindersterblichkeit: 31,9 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 88,2%

Es gab Berichte über rechtswidrige Tötungen durch die Polizei. In vielen Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die der Polizei angelastet wurden, kam es zu keiner Untersuchung. Personen haitianischer Herkunft erhielten weiterhin keine Ausweispapiere. Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gaben nach wie vor Anlass zu größter Besorgnis.

Hintergrund

Der Kongress verabschiedete zahlreiche Gesetze, die die Zuständigkeiten staatlicher Institutionen regeln. Ende 2011 wurden die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs und des neuen Verfassungsgerichts ernannt. Im zehnten Jahr in Folge ernannte der Kongress keine Ombudsperson für Menschenrechte.

Polizei und Sicherheitskräfte

Laut Statistik des Büros der Generalstaatsanwaltschaft wurden 2011 insgesamt 289 Menschen von der Polizei getötet, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 260 Personen. Indizien zufolge waren viele dieser Tötungen rechtswidrig.

  • Luis Alfredo Domínguez Rodríguez wurde am 26. Januar 2011 in der Stadt Nagua von der Polizei getötet. Sein Freund, Henry Ortiz, der bei demselben Vorfall verletzt worden war, berichtete, er habe gerade sein Motorrad angehalten, um Luis Alfredo Domínguez Rodríguez mitzunehmen, als sich ihnen vier Beamte in einem Einsatzwagen näherten und ohne Vorwarnung fünfmal auf ihn selbst schossen. Ein Polizist habe dann auf Luis Alfredo Domínguez Rodríguez geschossen, nachdem ein anderer Polizist gesagt hatte, dass sie keinen Zeugen für die Schießerei haben wollten. Luis Alfredo Domínguez Rodríguez starb wenige Stunden später. Henry Ortiz blieb 20 Tage lang im Krankenhaus. Ende 2011 standen drei Polizisten wegen des Schusswaffeneinsatzes vor Gericht.

Es gab weiterhin Berichte über Folter während polizeilicher Vernehmungen und bei willkürlichen Massenfestnahmen.

  • Am 13. Oktober wurde Pedro Arias Roja in seinem Haus in der Stadt San Cristobal von fünf Polizisten geschlagen, die ihn wegen illegalen Waffenbesitzes festnehmen wollten. Auf der Polizeistation stülpten ihm die Polizisten einen Plastikbeutel über den Kopf und schlugen ihn. Er brachte den Vorfall zur Anzeige, aber bis Ende 2011 hatten die Behörden keine wirksame Untersuchung eingeleitet.

In vielen Fällen wandte die Polizei unnötige oder exzessive Gewalt an, um Demonstrierende auseinanderzutreiben.

  • Am 20. Oktober schossen Angehörige der Polizei der Universitätsstudentin Claudia Espíritu ins Bein, als sie in der Autonomen Universität von Santo Domingo (Universidad Autónoma de Santo Domingo – UASD) gegen das neu in Kraft getretene Haushaltsgesetz demonstrierte. Polizisten schossen auf mindestens drei weitere Studierende und verletzten sie.

Straflosigkeit

In vielen Fällen von Verstößen, die der Polizei angelastet wurden, kam es trotz schlüssiger Beweise nicht zu einer Bestrafung der Täter.

  • Die Behörden unternahmen nichts, um das Verschwindenlassen von Gabriel Sandi Alistar und Juan Almonte Herrera aufzuklären. Die Männer waren zuletzt im Juli und September 2009 in Polizeigewahrsam gesehen worden. Ihr Verbleib war Ende 2011 weiterhin unbekannt.

Diskriminierung – haitianische Migranten und Dominikaner haitianischer Herkunft

Eine vom Hilfsdienst der Jesuiten für Flüchtlinge und Migranten (Servicio Jesuita a Refugiados y Migrantes) in vier ländlichen Gemeinden durchgeführte Untersuchung brachte ans Tageslicht, dass der dominikanische Wahlausschuss (Junta Central Electoral) mindestens 1584 Personen die Ausstellung von Ausweispapieren verweigert hatte. Dies geschah hauptsächlich auf Grundlage einer im März 2007 herausgegebenen Richtlinie. 96% der Fälle ereigneten sich zwischen 2005 und 2011, wobei der Hauptanteil auf das Jahr 2011 entfiel. Etwa 72% der Betroffenen waren zwischen 15 und 34 Jahre alt. Weil sie keine Ausweispapiere hatten, war es ihnen nicht möglich, ihr Studium fortzusetzen, Arbeit zu finden oder andere amtliche Dokumente zu erhalten.

Die Auswirkungen der Richtlinie aus dem Jahr 2007 auf Tausende von Dominikanern haitianischer Herkunft war im Oktober 2011 Thema einer Anhörung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission. Fünf Tage vor der Anhörung gab der dominikanische Wahlausschuss die Entscheidung bekannt, für einen befristeten Zeitraum die Ausstellung von Ausweispapieren an Nachkommen ausländischer Staatsbürger zu erlauben. Diese zeitlich begrenzte Ausstellung von Dokumenten erfolgte vorbehaltlich der Untersuchungsergebnisse zu der Behauptung, dass Ausweispapiere vor 2007 falsch ausgestellt worden seien. Nach Aussage von Organisationen, die sich für die Rechte von Migranten einsetzten, lag die Ausstellung von Ausweispapieren jedoch weiterhin im Ermessen der Verwaltungsbeamten, die in vielen Fällen Dominikanern haitianischer Herkunft die Dokumente verweigerten.

Rechte von Migranten

Nach dem Ausbruch der Cholera in Haiti verstärkten die dominikanischen Behörden im Januar 2011 die Massenausweisung haitianischer Migranten. Sie beriefen sich dabei darauf, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Trotz der Aufforderung von zwei UN-Organisationen, aus humanitären Erwägungen alle Rückführungen von Haitianern auszusetzen, wurden die Massenausweisungen während des gesamten Jahres fortgesetzt.

  • Am 20. September wurden um fünf Uhr morgens mindestens 80 haitianische Migranten, die in der Stadt Navarrete lebten, nach Haiti zurückgeschickt. Nach Berichten lokaler Organisationen, die sich für Migranten einsetzen, wurden während des Vorgehens einige Migranten geschlagen und etliche Kinder von ihren Eltern getrennt. Die Migranten, von denen viele seit mehr als zehn Jahren in der Gemeinde lebten, hatten keine Gelegenheit, ihre Fälle individuell überprüfen zu lassen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden zwischen Januar und September 2011 insgesamt 127 Frauen und Mädchen von ihrem jetzigen oder früheren Partner getötet; im Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug die Zahl der Getöteten 97.

Ende 2011 prüfte der Kongress den Entwurf eines Gesetzes gegen den Femizid (die Tötung von Frauen und Mädchen) und zog in Betracht, den Femizid als eigenen Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Recht auf freie Meinungsäußerung – Journalisten

Laut Angaben der dominikanischen Gewerkschaft der Angestellten im Zeitungswesen (Sindicato Nacional de Trabajadores de Prensa) wurden zwischen Januar und August 2011 mehr als 60 Journalisten und andere Medienarbeiter schikaniert oder tätlich angegriffen, in vielen Fällen von Polizeibeamten. Im August prangerten 60 Journalisten eine von Staatsbeamten initiierte Verleumdungskampagne gegen unabhängige Journalisten an, die über Korruption und Drogenhandel berichtet hatten.

  • Am 2. August wurde der Fernsehjournalist José Silvestre in der Stadt La Romana entführt und getötet. Er war schon früher im Jahr angegriffen und bedroht worden, aber die Behörden hatten ihm keinen Schutz gewährt, obwohl die Gewerkschaft sie dazu aufgefordert hatte.

Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen

Lokale NGOs berichteten, dass zwischen Januar und September 2011 mindestens 100 Zwangsräumungen durchgeführt worden seien. In vielen Fällen waren diese Zwangsräumungen ohne ein rechtsgültiges Verfahren oder eine Rücksprache mit den betroffenen Gemeinschaften erfolgt. Bei mehreren Gelegenheiten soll es Meldungen zufolge im Verlauf der rechtswidrigen Zwangsräumungen zu Todesfällen und Schussverletzungen gekommen sein.

  • Am 15. Oktober wurden 72 Familien rechtswidrig von ihren privaten Grundstücken in dem zum Stadtteil Santo Domingo Este gehörenden Wohnviertel Brisas Del Este vertrieben. Augenzeugen berichteten, dass Polizisten und Soldaten mit Schrotmunition und Tränengas in die Häuser der Familien gefeuert hätten, um sie herauszutreiben. Ende 2011 lebten viele dieser Familien noch immer in provisorischen Unterkünften an einer nahegelegenen Straße.

Amnesty International: Missionen und Berichte

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