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Afrika 2012
"Vielleicht wird dies das Jahr, in dem die Meinungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit endlich respektiert werden (...). Vielleicht wird dies das Jahr, in dem kein Äthiopier mehr für seine politischen Überzeugungen ins Gefängnis muss." (Der äthiopische Journalist und frühere gewaltlose politische Gefangene Eskinder Nega in einer Rede zur Pressefreiheit am Vorabend des äthiopischen Neujahrs im September 2011. Wenige Tage später wurde er festgenommen und wegen terroristischer Vergehen und Verrats angeklagt.)
Die Volksbewegungen in Nordafrika fanden 2011 südlich der Sahara vor allem in Staaten mit repressiven Regierungen ein breites Echo. Gewerkschafter, Studierende und Oppositionspolitiker fühlten sich ermutigt, Proteste zu organisieren. Die Menschen gingen auf die Straße, um ihrer Hoffnung auf politische Reformen, ihrem Wunsch nach mehr Freiheit und ihrer Verbitterung über ein Leben in Armut Ausdruck zu verleihen. Sie protestierten gegen ihre katastrophale soziale und wirtschaftliche Lage und gegen die steigenden Lebenshaltungskosten.
Viele der Faktoren, die zu den Aufständen im Nahen Osten und in Nordafrika geführt haben, lassen sich auch in anderen Teilen Afrikas finden: Es gibt autoritäre Herrscher, die bereits seit Jahrzehnten an der Macht sind und sich auf einen Sicherheitsapparat stützen, der jede Kritik massiv unterdrückt. Armut und Korruption sind weit verbreitet, die Grundfreiheiten sind nur unzureichend gewährleistet, und in vielen Fällen werden große Bevölkerungsgruppen gesellschaftlich ausgegrenzt.
Die brutale Unterdrückung von Protesten im Jahr 2011 bewies, dass die Politiker in den Ländern südlich der Sahara so gut wie keine Lehren aus dem Schicksal ihrer Amtskollegen in Nordafrika gezogen haben.
Armut
Im vergangenen Jahrzehnt ging die Armut in Afrika zurück, und es wurden einige Schritte unternommen, um die UN-Millenniumsziele zu erreichen. Doch lebten 2011 nach wie vor Millionen von Menschen in Armut und ohne Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen wie Trinkwasserversorgung, Kanalisation, Gesundheitsfürsorge und Schulen.
Die rasch voranschreitende Verstädterung auf dem afrikanischen Kontinent hat dazu geführt, dass viele Menschen keinen Zugang zu angemessenem Wohnraum haben. Sie müssen häufig in Slums leben, in denen es an grundlegenden Versorgungseinrichtungen fehlt. Außerdem drohen ihnen dort ständig rechtswidrige Zwangsräumungen durch die Behörden. Die Räumungen sind oft mit einer Zerstörung der Unterkünfte verbunden, wodurch die Betroffenen ihr gesamtes Hab und Gut verlieren. In vielen Fällen zieht die Zwangsräumung auch einen Verlust der Verdienstmöglichkeiten nach sich, so dass die Menschen noch mehr verarmen. In der kenianischen Hauptstadt Nairobi waren Tausende Menschen von massenhaften Zwangsräumungen in mindestens fünf informellen Siedlungen betroffen. In Nigeria wurden mehrere hundert Menschen mit Gewalt aus einer Siedlung im Hauptstadtterritorium vertrieben. Auch in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena sowie in verschiedenen Landesteilen von Angola wurden die rechtswidrigen Zwangsräumungen 2011 fortgesetzt.
Hohe Erwerbslosigkeitsraten und Armut waren in manchen Fällen auch ein Grund, dass bei regierungskritischen Demonstrationen und anderen Anlässen Gewalt ausbrach. Initiativen zur Korruptionsbekämpfung waren regelmäßig zum Scheitern verurteilt, da sie keine politische Unterstützung fanden. So entließ der nigerianische Staatspräsident Goodluck Jonathan die Vorsitzende der Kommission für Wirtschafts- und Finanzverbrechen sechs Monate vor dem offiziellen Ende ihrer Amtszeit, ohne seine Entscheidung zu begründen.
Politische Repression
Von den Ereignissen in Nordafrika ermutigt, gingen in Khartum und anderen sudanesischen Städten ab Ende Januar 2011 immer wieder Protestierende auf die Straße. Zahlreiche Studierende und andere Aktivisten wurden von Angehörigen der Sicherheitskräfte verprügelt, willkürlich festgenommen und inhaftiert. Viele sollen in der Haft gefoltert worden sein. Auch in Uganda forderten Oppositionspolitiker die Menschen auf, es den Demonstrierenden in Ägypten gleich zu tun und auf die Straße zu gehen. Die Demonstrationen wurden jedoch von Gewalt überschattet. Im Februar verbot die ugandische Regierung sämtliche öffentlichen Proteste. Polizei und Armee gingen mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor. Der Oppositionspolitiker Kizza Besigye wurde schikaniert und festgenommen. In Simbabwe wurde eine Gruppe von ungefähr 45 Aktivisten im Februar nur deshalb inhaftiert, weil sie die Ereignisse in Nordafrika diskutiert hatten. Sechs von ihnen wurden zunächst wegen Verrats angeklagt. Im April gingen die Behörden von Swasiland mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor.
In Angola, Burkina Faso, Guinea, Liberia, Malawi, Mauretanien, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und im Südsudan setzten die Sicherheitskräfte bei regierungskritischen Protesten scharfe Munition ein. Dies führte zu zahlreichen Toten und Verletzten. Die Behörden unternahmen in der Regel nichts, um den exzessiven Gewalteinsatz zu untersuchen, und es wurde niemand für die Todesfälle zur Rechenschaft gezogen.
In den meisten Staaten Afrikas wurden Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Oppositionelle weiterhin willkürlich festgenommen, inhaftiert, verprügelt, bedroht und eingeschüchtert. Einige wurden von bewaffneten Gruppen oder von Angehörigen der Sicherheitskräfte getötet. In Burundi kamen die Ermittlungen im Fall des 2009 ermordeten Menschenrechtsverteidigers Ernest Manirumva nur unwesentlich voran. Im Juni wurden in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) fünf Polizisten wegen der Ermordung des Menschenrechtsverteidigers Floribert Chebeya verurteilt. Kritiker bemängelten jedoch, dass gegen mehrere Personen, die möglicherweise an dem Mord im Jahr 2010 beteiligt waren, 2011 keine Ermittlungen eingeleitet wurden.
In Äquatorialguinea, Äthiopien, Burundi, der DR Kongo, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Madagaskar, Somalia, im Sudan sowie in Uganda waren die Regierungen 2011 bestrebt, Kontrolle über öffentlich verfügbare Informationen auszuüben. Sie schränkten die Berichterstattung über bestimmte Ereignisse ein, verfügten die zeitweilige oder endgültige Schließung von Radiosendern, blockierten bestimmte Internetseiten oder verboten das Erscheinen bestimmter Zeitungen. Ruanda leitete zwar einen Reformprozess ein, um die Medienfreiheit zu fördern, die 2010 angeordnete Schließung einiger Medienunternehmen wurde jedoch nicht aufgehoben, und zwei Journalistinnen erhielten lange Freiheitsstrafen.
Die Parlamente von Angola und Südafrika berieten über Gesetzentwürfe, die zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit und des Zugangs zu Informationen führen könnten. Positiv war hingegen zu bewerten, dass der nigerianische Staatspräsident Goodluck Jonathan im Februar 2011 endlich das Gesetz über die Informationsfreiheit unterzeichnete.
Konflikte
Die gewalttätigen politischen Auseinandersetzungen, die nach den Präsidentschaftswahlen im November 2010 in Côte d’Ivoire ausgebrochen waren, entwickelten sich in der ersten Jahreshälfte 2011 zu einem bewaffneten Konflikt. Aufseiten von Alassane Ouattara stehende Truppen wurden von französischen Soldaten und der UN-Friedenstruppe UNOCI unterstützt. Ende April brachten sie das Land unter ihre Kontrolle und verhafteten den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo sowie zahlreiche seiner Anhänger. Aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen ergriffen Hunderttausende von Menschen die Flucht, viele flohen in Nachbarländer, vor allem nach Liberia. In Abidjan, dem Regierungssitz von Côte d’Ivoire, und im Westen des Landes führten die Kämpfe zu Tausenden von Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung. Ende März und Anfang April 2011 töteten beide Konfliktparteien im Westen des Landes in der Stadt Duékoué und in den umliegenden Dörfern mehrere hundert Zivilpersonen – die Opfer wurden wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer vermuteten politischen Parteinahme zur Zielscheibe. Die UNOCI versäumte es, die Zivilbevölkerung von Duékoué angemessen zu schützen. Beide Konfliktparteien waren außerdem für Vergewaltigungen und andere Verbrechen sexueller Gewalt verantwortlich.
Im Oktober genehmigte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Untersuchung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von beiden Seiten begangen wurden. Im November wurde Laurent Gbagbo auf der Grundlage eines Haftbefehls an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt. Um seine Glaubwürdigkeit zu wahren, sollte das Gericht in Den Haag allerdings sicherstellen, dass auch die Verbrechen untersucht werden, die von den Truppen Präsident Ouattaras verübt wurden, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Weil die Justiz in Côte d’Ivoire bisher nicht willens und in der Lage war, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen, die vor den Präsidentschaftswahlen im November 2010 begangen wurden, sollte sich der Internationale Strafgerichtshof auch damit beschäftigen.
Die Bevölkerung des Südsudan votierte bei einem Referendum im Januar 2011 mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit. Im Vorfeld der Unabhängigkeitserklärung am 9. Juli verschärften sich die Spannungen in den sogenannten Übergangsgebieten Abyei, Südkordofan und Blue Nile. Weil das geplante separate Referendum für Abyei nicht wie vorgesehen im Januar abgehalten wurde, brachen in der Region im Mai Kämpfe aus. Die Sudanesischen Streitkräfte (Sudan Armed Forces – SAF) und mit ihnen verbündete Milizen übernahmen die Kontrolle über die Stadt Abyei und deren Umland. Zehntausende Angehörige der ethnischen Gruppe der Dinka Ngok flohen in den Südsudan. In Abyei wurden Häuser geplündert und zerstört. Auch in diesem Fall gelang es den vor Ort stationierten UN-Friedenstruppen nicht, die Angriffe zu verhindern und die Zivilbevölkerung wirksam zu schützen. Ende 2011 war der Status von Abyei noch immer nicht geklärt.
Im sudanesischen Bundesstaat Südkordofan brach nach Meinungsverschiedenheiten über Sicherheitsfragen und das Ergebnis der Gouverneurswahlen ein bewaffneter Konflikt zwischen den SAF und der Rebellengruppe Sudan People’s Liberation Movement-North (SPLM-N) aus. Durch die unsichere Lage und den bewaffneten Konflikt wurden Hunderttausende von Menschen vertrieben. Die SAF führte wahllose Luftangriffe durch, bei denen viele Zivilpersonen getötet und verletzt wurden. Die UN und mehrere Organisationen, unter ihnen Amnesty International, dokumentierten die wahllosen Angriffe und rechtswidrigen Tötungen. So schilderte der Bauer Angelo al-Sir, wie seine schwangere Frau, zwei seiner Kinder und zwei weitere Verwandte am 19. Juni bei einem Luftangriff auf die Ortschaft Um Sirdeeba, östlich von Kadugli, umgekommen waren.
Im September weitete sich der Konflikt in Südkordofan auf den Bundesstaat Blue Nile aus. Auch hier wurden Zehntausende Menschen zur Flucht in den Südsudan und nach Äthiopien gezwungen. Die sudanesische Regierung verweigerte unabhängigen humanitären Organisationen, Menschenrechtsexperten und anderen internationalen Beobachtern den Zugang zu den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile und schnitt diese faktisch von der Außenwelt ab. Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union und der UN-Sicherheitsrat unternahmen keine konkreten Schritte, um Abhilfe zu schaffen. Sie verurteilten weder die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen noch die Tatsache, dass Hilfsorganisationen nicht in die beiden Bundesstaaten gelassen wurden.
Der Darfur-Konflikt im Sudan wurde 2011 ebenfalls mit unverminderter Brutalität weitergeführt und zwang noch mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Diejenigen, die bereits in Lagern für Binnenflüchtlinge lebten, gerieten ins Visier der sudanesischen Behörden, weil man sie verdächtigte, Gruppen der bewaffneten Opposition zu unterstützen. Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt waren weiterhin an der Tagesordnung. Nach wie vor lehnte der Sudan eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof ab. Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, beantragte einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Verteidigungsminister Abdelrahim Mohamed Hussein wegen in Darfur begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die anhaltenden Kämpfe gegen die bewaffnete islamistische Gruppe al-Shabab in Somalia erhielten im Verlauf des Jahres 2011 eine neue Dimension, als kenianische und äthiopische Truppen direkt in den Konflikt eingriffen. Bei wahllosen Angriffen aller Konfliktparteien wurden vor allem in der somalischen Hauptstadt Mogadischu Tausende von Zivilpersonen verletzt oder getötet. Hunderttausende Menschen konnten aufgrund des bewaffneten Konflikts und der unsicheren Lage nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die ohnehin katastrophale humanitäre Lage in Somalia verschlimmerte sich noch durch eine Dürre, die dazu führte, dass in Teilen des Landes eine Hungersnot ausbrach. Humanitäre Hilfsorganisationen hatten enorme Schwierigkeiten, zu den bedürftigen Menschen zu gelangen, um sie mit Hilfsgütern zu versorgen.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo war ebenfalls kein Ende des Konflikts absehbar. Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt waren dort weiterhin an der Tagesordnung. Sie wurden sowohl von Angehörigen der Sicherheitskräfte als auch von der bewaffneten Opposition verübt. Auch bei Menschenrechtsverstößen wie rechtswidrigen Tötungen, Plünderungen und Entführungen war kein Rückgang zu verzeichnen. Für diese Übergriffe waren hauptsächlich bewaffnete Gruppen verantwortlich. Das Justizwesen der DR Kongo war nach wie vor nicht in der Lage, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die während des bewaffneten Konflikts begangen wurden, strafrechtlich aufzuarbeiten. In der DR Kongo, in Somalia und in der Zentralafrikanischen Republik wurden weiterhin Kindersoldaten rekrutiert und bei bewaffneten Kämpfen eingesetzt.
Einige Regierungen Afrikas zögerten nach wie vor, die Verantwortlichen für Verbrechen im Sinne des Völkerrechts zur Rechenschaft zu ziehen. Senegal lehnte es weiterhin ab, den ehemaligen Präsidenten des Tschad, Hissène Habré, vor Gericht zu stellen oder auszuliefern. Ende 2011 beriet die Regierung von Burundi über einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission. Der Regierung schien es jedoch am politischen Willen zu fehlen, einer Empfehlung der UN aus dem Jahr 2005 zu folgen und einen speziellen Gerichtshof einzurichten.
Justiz und Straflosigkeit
Viele Menschenrechtsverletzungen, die von Angehörigen der Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane begangen wurden, blieben ungeahndet. Die Behörden leiteten in Fällen von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen, rechtswidrigen Tötungen, einschließlich außergerichtlichen Hinrichtungen, sowie Fällen von Verschwindenlassen so gut wie nie unabhängige und unparteiische Ermittlungen ein. Fast niemand wurde für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen. In vielen Ländern Afrikas hatten die Menschen das Vertrauen in die Strafverfolgungsorgane und in die Justiz verloren. Außerdem hielten die hohen Kosten viele Menschen davon ab, sich an die offizielle Justiz zu wenden. Das Problem betraf auch diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen erlitten hatten.
In zahlreichen Ländern herrschte in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, die von Polizeibeamten begangen wurden, ein Klima der Straflosigkeit. Dies galt für Äthiopien, Burundi, Eritrea, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kenia, die DR Kongo, die Republik Kongo, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Nigeria, Senegal, Simbabwe, den Sudan, Swasiland und Tansania. In Burundi wurden die Ergebnisse einer von den Behörden eingesetzten Kommission zur Untersuchung außergerichtlicher Hinrichtungen nicht veröffentlicht. Außerdem unternahmen die Behörden nichts, um Foltervorwürfen gegen den burundischen Geheimdienst SNR aus dem Jahr 2010 nachzugehen. Ein weiteres eklatantes Beispiel für institutionalisierte Straflosigkeit bot der Sudan, der Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) im September 2011 zurückwies. Das Gremium hatte empfohlen, das Gesetz über die nationale Sicherheit von 2010 zu überarbeiten und den Geheimdienst (NISS) zu reformieren. Stattdessen mussten NISS-Agenten für die von ihnen verübten Menschenrechtsverletzungen weiterhin keine Strafverfolgungsmaßnahmen oder Disziplinarverfahren befürchten.
Da die Justiz 2011 in den meisten afrikanischen Ländern nicht in der Lage war, faire Strafverfahren in einem angemessenen Zeitraum durchzuführen, war die Anzahl der Untersuchungshäftlinge weiterhin sehr hoch. Die Festgenommenen hatten häufig keinen Rechtsbeistand. In zahlreichen Ländern waren die Haftbedingungen nach wie vor entsetzlich: Die Gefängnisse waren überbelegt und hatten zu wenig Personal. Es gab kaum sanitäre Anlagen, die Versorgung der Gefangenen mit Trinkwasser und Essen war unzureichend, und es mangelte an medizinischer Versorgung. In vielen Fällen entsprachen die Haftbedingungen nicht den internationalen Mindeststandards und kamen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe gleich. Ein besonders grauenhafter Vorfall ereignete sich im September im Tschad, als neun Männer in einer Hafteinrichtung der Nationalen Gendarmerie in Léré in einer überfüllten Zelle erstickten.
Der Trend zur Abschaffung der Todesstrafe hielt an. Das Parlament von Benin stimmte für die Ratifizierung des 2. Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und bekräftigte damit seine Absicht, die Todesstrafe abzuschaffen. In Ghana empfahl die Kommission für die Überarbeitung der Verfassung die Abschaffung der Todesstrafe. Der nigerianische Generalstaatsanwalt und Justizminister teilte einer Delegation von Amnesty International im Oktober mit, die Regierung habe ein offizielles Hinrichtungsmoratorium verfügt. Auch die Regierung von Sierra Leone bestätigte im September ein Hinrichtungsmoratorium. Den Gegenpol zu diesen positiven Entwicklungen bildeten die Länder Somalia, Sudan und Südsudan. Sie zählten zu den letzten Staaten Afrikas südlich der Sahara, in denen immer noch Menschen hingerichtet wurden, und zwar häufig nach äußerst unfairen Prozessen.
Flüchtlinge und Migranten
In vielen Ländern waren Flüchtlinge und Migranten in besonderem Maße von Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen betroffen. Staatsangehörige der DR Kongo wurden bei der Abschiebung aus Angola Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Mauretanien nahm mehrere tausend Migranten willkürlich fest und schob sie in Nachbarstaaten ab. Aus Mosambik wurden ebenfalls Menschenrechtsverletzungen gemeldet; Beamte mit Polizeibefugnissen sollen dort auch Flüchtlinge und Migranten rechtswidrig getötet haben.
In Südafrika mussten Flüchtlinge und Migranten nach wie vor gewaltsame Angriffe und die Zerstörung ihres Eigentums befürchten. Im Dezember 2011 empfahl der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) den Ländern, in denen ruandische Flüchtlinge lebten, Schritte einzuleiten, um den Flüchtlingsstatus eines Großteils der Ruander aufzuheben. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen äußerten die Befürchtung, der UNHCR habe die Hintergründe dieser Empfehlung möglicherweise nicht klar genug zum Ausdruck gebracht. Die Umsetzung könne in einzelnen Staaten dazu führen, dass viele nach wie vor auf Schutz angewiesene Menschen in Gefahr gerieten, gegen ihren Willen nach Ruanda abgeschoben zu werden.
Zehntausende Südsudanesen, die im nördlichen Landesteil gelebt hatten, kehrten in den Südsudan zurück, da ihnen nach der Unabhängigkeitserklärung des Südsudan der Verlust der sudanesischen Staatsbürgerschaft drohte. Der Umzug war jedoch mit zahlreichen Problemen verbunden. Die Betroffenen waren vor und während ihrer Reise Schikanen ausgesetzt und fanden bei ihrer Ankunft eine katastrophale humanitäre Situation vor.
Diskriminierung
In vielen Ländern Afrikas litten Frauen 2011 nach wie vor unter geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt, was zum Teil mit kulturellen Normen und Traditionen begründet wurde. In einigen Ländern wurde die Diskriminierung von Frauen durch die herrschende Gesetzgebung festgeschrieben. Diskriminierung war auch dafür verantwortlich, dass Frauen nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsfürsorge hatten.
In vielen Ländern, in denen bewaffnete Konflikte wüteten oder in denen es viele Flüchtlinge und Binnenvertriebene gab, wurden Frauen und Mädchen nach wie vor Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt. Betroffen waren vor allem Frauen und Mädchen in Côte d’Ivoire, im Osten der DR Kongo, im Sudan (Darfur), im Osten des Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Häufig waren Angehörige der Sicherheitskräfte für diese Verbrechen verantwortlich, die in den allerwenigsten Fällen untersucht wurden.
Die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer vermuteten oder tatsächlichen sexuellen Orientierung nahm 2011 zu. Die Politiker unternahmen nichts, um das Recht der Menschen auf Schutz vor Diskriminierung zu verteidigen. Häufig trugen sie durch ihre Äußerungen oder Handlungen sogar noch dazu bei, die Diskriminierung und Verfolgung von Menschen wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung zu schüren.
In Kamerun wurden Menschen, die gleichgeschlechtlicher Beziehungen verdächtigt wurden, verfolgt. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen und einige von ihnen, wie Jean-Claude Roger Mbede, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Regierung schlug außerdem vor, das Strafgesetzbuch dahingehend zu ändern, dass gegen Personen, die wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen verurteilt werden, noch längere Haftstrafen und hohe Geldbußen verhängt werden können. Auch in Malawi, Mauretanien und Simbabwe wurden Männer wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Die malawische Regierung führte ein Gesetz ein, das sexuelle Beziehungen zwischen Frauen unter Strafe stellte. Malawis Präsident, Bingu wa Mutharika, sagte auf einer Versammlung, schwule Männer seien "schlimmer als Hunde". In Nigeria billigte der Senat ein Gesetz, das homosexuelle Beziehungen noch härter bestraft als bisher. In Ghana wies der für die Western Region zuständige Minister die Behörden an, alle Schwulen und Lesben zu inhaftieren.
In Uganda wurde ein Gesetzentwurf, der drakonische Strafen für Homosexuelle vorsieht, zwar nicht im Parlament diskutiert, aber auch nicht formell zurückgezogen. Der prominente Menschenrechtsverteidiger und Kämpfer für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern, David Kato, wurde im Januar in seinem Haus in Kampala ermordet. Ein Mann wurde wegen des Mordes verhaftet und im November zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. In Südafrika forderten zivilgesellschaftliche Organisationen die Behörden auf, etwas gegen die Gewalttaten zu unternehmen, denen Angehörige sexueller Minderheiten, insbesondere lesbische Frauen, ausgesetzt waren. Der öffentliche Druck führte dazu, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die nach Lösungen suchen sollte, um Gewalttaten gegen Menschen wegen ihrer mutmaßlichen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung zu verhindern.
In Eritrea wurden weiterhin Menschen aus religiösen Gründen verfolgt. Zahlreiche Eritreer wurden deshalb willkürlich festgenommen und Berichten zufolge in der Haft misshandelt.
Sicherheit und Menschenrechte
Afrika war in zunehmendem Maße Schauplatz von Terroranschlägen bewaffneter islamistischer Gruppen. Dazu zählten Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM), die in verschiedenen Ländern der Sahel-Zone aktiv ist, die religiöse Sekte Boko Haram, die im Jahresverlauf in Nigeria zunehmend mehr Anschläge verübte, sowie die in Kenia und Somalia aktiven al-Shabab-Milizen. Die bewaffneten Gruppen waren für zahlreiche Menschenrechtsverstöße, darunter auch wahllose Angriffe, rechtswidrige Tötungen, Entführungen und Folterungen verantwortlich.
Einige Länder verstärkten daraufhin ihre militärische Zusammenarbeit, so z.B. in der Sahel-Zone. In einigen Fällen gab es auch militärische Interventionen aus den Nachbarländern. Nigeria bildete eine militärische Sondereinheit, um Boko Haram in einigen Bundesstaaten zu bekämpfen. Die Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegen die Gewalt der bewaffneten Gruppen gingen häufig mit Menschenrechtsverletzungen einher. In Mauretanien wurden 14 Häftlinge, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden waren, bei der Überstellung an einen unbekannten Ort Opfer des Verschwindenlassens. In einigen Bundesstaaten Nigerias reagierten die Sicherheitskräfte auf die eskalierende Gewalt, indem sie Hunderte von Menschen willkürlich festnahmen und inhaftierten. Sie waren außerdem für Fälle von Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen verantwortlich.
Veränderungen bieten Chancen
In den Staaten südlich der Sahara wird sich die politische Lage vermutlich weniger dramatisch entwickeln als im Norden des Kontinents. Was die Achtung und den Schutz der Menschenrechte betrifft, sind keine schnellen Fortschritte zu erwarten. Im Gegenteil, in einigen Ländern könnte sich die Lage sogar verschlechtern. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Faktoren wie ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum, vermehrte Forderungen nach einer verantwortungsvolleren Staatsführung, eine wachsende Mittelschicht, eine stärkere Zivilgesellschaft und ein verbesserter Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien dazu beitragen werden, dass sich die Situation der Menschenrechte allmählich verbessert. Die Frage wird sein, ob Afrikas politische Führungsriege diese Veränderungen als Chance begreift oder ob sie darin eine Bedrohung ihres Machtanspruchs sieht. Die Reaktionen auf Proteste und abweichende Meinungen im Jahr 2011 haben gezeigt, dass die meisten politischen Führer Teil des Problems waren – und nicht Teil der Lösung.