Amnesty Report 11. Mai 2011

Gambia 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Gambia Staats- und Regierungschef: Yahya Jammeh Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 1,8 Mio. Lebenserwartung: 56,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 123/109 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 45,3%

Die Regierung beschränkte weiterhin die politische Freiheit, unterdrückte das Recht auf freie Meinungsäußerung und verübte Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Angehörige des gambischen Geheimdienstes (National Intelligence Agency – NIA), der Armee, der Polizei und dubioser Milizen, die dem Präsidenten nahestanden und unter den Namen "Ninjas", "Drug Boys" und "Jongleure" bekannt waren, nahmen vermeintliche Regierungsgegner ohne rechtliche Grundlage fest und hielten sie in Haft. Dazu zählten Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und ehemalige Angehörige der Sicherheitsdienste. Es gingen Berichte ein, wonach Personen im Gewahrsam gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurden. Es kam zu einer zweiten Verhaftungswelle, die in einem Hochverratsprozess gegen acht prominente Männer gipfelte. Die Angeklagten wurden in einem äußerst unfairen Verfahren zum Tode verurteilt.

Willkürliche Festnahmen und Haft

Nach zahlreichen Festnahmen im November 2009 kam es im März 2010 zu einer erneuten Verhaftungswelle. Sie richtete sich gegen ehemalige Regierungsbeamte, denen Hochverrat vorgeworfen wurde bzw. der Versuch, die Regierung zu destabilisieren. Insgesamt wurden mehrere hundert ehemalige Beamte, Armeeoffiziere und Zivilpersonen festgenommen. Der Mehrheit der Inhaftierten wurden Besuche von Anwälten und Verwandten verweigert. Die Haftbedingungen waren so hart, dass sie grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkamen.

Die Polizei, der NIA und die Armee nahmen nach wie vor Menschen willkürlich fest und inhaftierten sie. Sie verstießen damit gegen gambisches Recht. Die Festgenommenen wurden in offiziellen Haftzentren wie dem Zentralgefängnis Mile 2, der Zentrale des NIA und in Hafteinrichtungen der Polizei festgehalten. Diese waren überfüllt, und es herrschten unhygienische Zustände. Sie wurden aber auch in geheime Hafteinrichtungen gebracht, wie Kasernen, Lagerhäuser, geheime Trakte von Polizeiwachen und Polizeiwachen in entlegenen Gebieten.

Todesstrafe

Ende 2010 sollen sich mindestens 20 Menschen in den Todeszellen befunden haben. Es gab keine Berichte über Hinrichtungen. Die letzte bekannte Hinrichtung fand in den 1980er-Jahren statt. Im Oktober wurde die Strafe für Drogenbesitz verschärft. Für den Besitz von mehr als 250 gr Kokain oder Heroin droht jetzt die Todesstrafe.

Acht der im März festgenommenen Männer wurden im Juli wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Das Urteil erging nach einem Prozess, der in keiner Weise fairen Standards entsprach und in dessen Verlauf Angeklagte und Zeugen gefoltert wurden. Man warf den Männern vor, einen Putsch geplant und hierfür Waffen, Munition, Ausrüstung und Söldner aus Guinea beschafft zu haben. Bei den Verurteilten handelte es sich um den ehemaligen Oberbefehlshaber der Armee, Lang Tombong Tamba, den ehemaligen Chef des Geheimdienstes, Lamin Bo Badjie, den ehemaligen stellvertretenden Polizeichef, Modou Gaye, den Brigadegeneral Omar Bun Mbaye, den ehemaligen NIA-Agenten und späteren stellvertretenden Botschafter von Gambia in Guinea-Bissau, Gibril Ngorr Secka, den ehemaligen Kommandanten der Kanilai-Kaserne, Oberstleutnant Kawsu Camara, sowie um die Zivilisten Abdoulie Joof und Yousef Ezziden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung blieb 2010 weiterhin stark eingeschränkt. Journalisten waren Drohungen und Schikanen ausgesetzt, wenn sie Artikel schrieben, in denen die Behörden in ungünstigem Licht dargestellt wurden, oder wenn man ihnen vorwarf, derartige Informationen an die Medien weitergegeben zu haben.

  • In der nigerianischen Hauptstadt Abuja fand vor dem Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) die mündliche Verhandlung des Falls von Musa Saidykhan statt, des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitung The Independent. Die Zeitung war bis zu ihrem Verbot im Jahr 2006 in der gambischen Hauptstadt Banjul erschienen. Musa Saidykhan machte vor dem Gerichtshof geltend, dass er gefoltert worden sei, nachdem Angehörige der staatlichen Sicherheitsdienste 2006 in die Verlagsräume eingedrungen waren, die Zeitung geschlossen und die Mitarbeiter festgenommen hatten. Nach seiner Freilassung war er nach Senegal geflüchtet. 2009 hatte der Gerichtshof der ECOWAS entschieden, den Fall trotz eines Einspruchs der gambischen Regierung zu verhandeln.

  • Der Journalist Chief Ebrima Manneh, der für den Daily Observer gearbeitet hatte und 2006 festgenommen worden war, blieb trotz eines 2008 vom Gerichtshof der ECOWAS gefällten Urteils "verschwunden". Der Gerichtshof hatte die Regierung Gambias angewiesen, Chief Ebrima Manneh freizulassen und seiner Familie eine Entschädigung zu zahlen. Die Regierung und die Polizei bestritten weiterhin, ihn in Gewahrsam zu halten.

Menschenrechtsverteidiger

Es herrschte nach wie vor ein Klima der Angst, nachdem Präsident Yahya Jammeh im Jahr 2009 Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger geäußert hatte.

  • Der nigerianische Staatsangehörige Edwin Nebolisa Nwakaeme, Direktor der gambischen Menschrechtsorganisation Africa in Democracy and Good Governance, wurde am 22. Februar 2010 von der gambischen Einwanderungsbehörde festgenommen, drei Tage später freigelassen und am 1. März erneut festgenommen. Im März klagte man ihn wegen "Verbreitung von Falschinformationen" an und stellte ihn vor Gericht. Das im September verhängte Urteil lautete auf sechs Monate Gefängnis mit Zwangsarbeit.

  • Gambische Sicherheitskräfte nahmen am 11. Oktober 2010 die beiden Menschenrechtsverteidigerinnen Dr. Isatou Touray und Amie Bojang-Sissoho fest. Sie wurden wegen Diebstahls angeklagt und in das Zentralgefängnis Mile 2 gebracht, das für seine harten Haftbedingungen und die Misshandlung von Gefangenen bekannt ist. Die beiden Frauen arbeiten für das Gambische Komitee gegen traditionelle Praktiken, die die Gesundheit von Frauen und Kindern beeinträchtigen (Gambia Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children). Die Organisation sah sich in der Vergangenheit bereits mehrfach Schikanen ausgesetzt.

Amnesty International: Berichte

Gambia: Human rights defender detained in Gambia (AFR 27/002/2010)

Gambia: Amnesty international calls for investigation of human rights violations committed by security forces and for freedom of expression to be guaranteed (AFR 27/003/2010)

Gambia: "Freedom Day" in The Gambia is a travesty (AFR 27/005/2010)

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