Bahrain 2011
Amtliche Bezeichnung: Königreich Bahrain Staatsoberhaupt: König Hamad bin Issa Al Khalifa Regierungschef: Scheich Khalifa bin Salman Al Khalifa Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 0,8 Mio. Lebenserwartung: 76 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 13/13 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 90,8%
Im Jahr 2010 wurden zahlreiche Regierungskritiker festgenommen. 25 führende Mitglieder von Oppositionsgruppierungen mussten sich vor Gericht verantworten, zwei davon in Abwesenheit. Ihnen wurde ein Komplott zum Sturz der Regierung zur Last gelegt. Die 23 anwesenden Aktivisten hatten nach ihrer Verhaftung zunächst keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Einige von ihnen gaben an, gefoltert worden zu sein. Es gab weitere unfaire Gerichtsverfahren. Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Der Zugang zu einigen Internetseiten wurde gesperrt und der Versand von Rundbriefen mit politischem Inhalt an die Öffentlichkeit unterbunden. Die Regierung enthob die Vorstandsmitglieder einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation ihres Amtes. Eine Person wurde hingerichtet.
Hintergrund
Im April 2010 ernannte der König 23 Vorstandsmitglieder der im November 2009 eingerichteten Nationalen Menschenrechtsinstitution. Im September trat der Vorstandsvorsitzende jedoch zurück. Zwischen ihm und den anderen Mitgliedern war es zu einer Auseinandersetzung darüber gekommen, wie die Institution auf politisch motivierte Festnahmen reagieren sollte.
Im gesamten Berichtsjahr kam es in überwiegend von Schiiten bewohnten Dörfern zu sporadischen Protesten. Sie richteten sich gegen die Regierung und deren mutmaßliche Diskriminierung von Schiiten auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. In einigen Fällen errichteten die Demonstrierenden Straßenblockaden aus brennenden Reifen und warfen selbst gebaute Benzinbomben auf Polizei und Sicherheitskräfte. Hunderte von Personen wurden vor allem im August und September während Protestkundgebungen und Unruhen festgenommen. Darunter befanden sich auch führende Persönlichkeiten der schiitischen Opposition. Die Schiiten stellen die Mehrheit der Bevölkerung Bahrains. Viele der Demonstrierenden wurden ohne Haftbefehl festgenommen und blieben anschließend bis zu zwei Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft.
Unabhängige und schiitische Gruppierungen gewannen die Mehrzahl der Sitze bei den Parlamentswahlen im Oktober 2010.
Unfaire Gerichtsverfahren, Folter und andere Misshandlungen
Im Berichtsjahr begannen die Gerichtsverfahren gegen Personen, die sich an den Protesten im August und September beteiligt hatten. In einigen Verfahren wurden Vorwürfe wegen Folter und anderer Verstöße laut. Zudem soll in einigen Fällen Angeklagten der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert worden sein.
- Am 28. Oktober 2010 begann vor dem Oberen Strafgerichtshof (High Criminal Court) in Manama das Verfahren gegen 25 prominente Regierungskritiker, die meisten von ihnen mit Verbindungen zu al-Haq, einer nicht erlaubten oppositionellen Gruppierung. Die Angeklagten wurden aufgrund der Antiterrorgesetze von 2006 u.a. beschuldigt, "eine rechtswidrige Organisation gegründet und finanziert zu haben, mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Verfassung außer Kraft zu setzen". Gegen zwei der Angeklagten, die im Ausland leben, wurde in Abwesenheit verhandelt. Allen Angeklagten wurde zur Last gelegt, Proteste angefacht und öffentliche Unruhen angezettelt zu haben. Die Gefangenen befanden sich während der zwei Wochen vor ihrem Prozess in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt. Einige von ihnen berichteten dem Staatsanwalt, dass sie von Beamten des nationalen Sicherheitsdienstes gefoltert und anderweitig misshandelt worden seien. Man habe sie gezwungen, "Geständnisse" zu unterzeichnen. Mehrere der Angeklagten wurden medizinisch untersucht. Ein staatlicher Gerichtsmediziner gab an, keine Anzeichen von Folter festgestellt zu haben. Während der Anfangsphase des Prozesses beschwerten sich die Rechtsanwälte der Angeklagten darüber, dass sie nur eingeschränkten Zugang zu ihren Mandanten hätten. Fast alle Angeklagten zogen ihre "Geständnisse" vor Gericht zurück und gaben an, dass sie gefoltert und anderweitig misshandelt worden seien. Es fand keine unabhängige Untersuchung der Foltervorwürfe statt, und nur zwei der Angeklagten wurden von einem unabhängigen Arzt untersucht. Im Dezember legten die Verteidiger der 23 Angeklagten ihre Mandate nieder, weil das Gericht ihre Anträge ignorierte. Die Angeklagten lehnten die daraufhin ernannten Anwälte ab und verweigerten die Zusammenarbeit mit ihnen. Ende 2010 dauerte der Prozess noch an.
Weitere Gerichtsverfahren waren gegen Personen anhängig, denen Tötungen und das In-Brand-Stecken von Autos und Reifen sowie andere Sachbeschädigung während regierungskritischer Demonstrationen und Unruhen in den Vorjahren zur Last gelegt wurden. Auch in diesen Verfahren gaben einige der Angeklagten an, gefoltert oder misshandelt worden zu sein, um ein "Geständnis" zu erzwingen.
- Im März 2010 verurteilte das Oberste Berufungsgericht 19 Männer zu einer dreijährigen Haftstrafe. Sie waren für schuldig befunden worden, im Jahr 2008 während einer Demonstration gegen die Regierung in Karzakan einen Polizisten getötet zu haben. Im Oktober 2009 waren die Angeklagten von einem erstinstanzlichen Gericht freigesprochen worden. Das Gericht befand, dass es ausreichend Beweise gebe, dass die Angeklagten während ihrer Untersuchungshaft gefoltert worden seien, um "Geständnisse" zu erpressen. Dieses Ermittlungsergebnis wurde vom Obersten Berufungsgericht ignoriert. Den Foltervorwürfen der Männer ist bisher nicht nachgegangen worden.
Es wurden noch weitere Fälle von Folterungen gemeldet.
- Zwei Männer wurden im Jahr 2010 inhaftiert, weil man ihnen zur Last legte, im August einen Mordversuch an einem Zeitungsverleger verübt zu haben. Die beiden Männer sollen gefoltert worden sein, um detaillierte "Geständnisse" von ihnen zu erpressen, die dem Gericht vorgelegt wurden. Die Freilassung der Männer erfolgte im Dezember, nachdem das Opfer erklärt hatte, sie seien nicht die Angreifer gewesen.
Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt
Sicherheitskräfte sollen 2010 mehrfach mit scharfer Munition auf Demonstrierende und andere Personen geschossen haben. Im Oktober erklärte der Innenminister gegenüber Amnesty International, dass die Sicherheitskräfte alles versucht hätten, die Proteste und die Ausschreitungen ohne Anwendung von unverhältnismäßiger Gewalt zu unterbinden, und dass bei den Aktionen niemand verletzt worden sei.
- Im März wurden die Krankenpfleger Ibrahim al-Dumistani und Abdel-Aziz Nasheeb festgenommen. Sie hatten versucht, Hussain Ali al-Sahlawi zu helfen, der offensichtlich von der Polizei während der Auflösung einer Protestkundgebung in Karzakan durch Schüsse verletzt worden war. Dabei hatten Demonstrierende Reifen in Brand gesetzt. Der Verletzte gab an, er habe an den Protesten gar nicht teilgenommen und sei von der Polizei vor seinem Haus niedergeschossen worden. Die beiden Krankenpfleger wurden bezichtigt, bei einer "Vertuschung" geholfen und "ihre medizinischen Berufe missbraucht" zu haben. Sie kamen umgehend gegen Kaution frei.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Regierung warnte Kritiker des Königshauses und der Regierung vor strafrechtlicher Verfolgung unter dem Presse- und Veröffentlichungsgesetz von 2002. Demnach riskieren Kritiker des Königs und Personen, die "zum Hass gegen die Regierung aufwiegeln", Gefängnisstrafen. Es gab jedoch keine Berichte über derartige strafrechtliche Verfolgungen.
Die Regierung ging nach der Festnahme der 23 Oppositionsaktivisten weiterhin mit Härte gegen Andersdenkende vor. Am 28. August berief sich der Staatsanwalt auf Artikel 246 des Strafgesetzes und verbot den Medien und weiteren Institutionen die Veröffentlichung oder Ausstrahlung von Einzelheiten über Festnahmen. Zuwiderhandlungen könnten mit Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden. Obwohl es keine Berichte über strafrechtliche Verfolgungen gab, verbot die Regierung zahlreiche Publikationen und Blogs und sperrte den Zugang. Der Direktor der staatlichen Medienbehörde teilte im Oktober mit, dass das Bahrain-Online-Forum gesperrt worden sei. Das Forum habe zu Hass und Gewalt angezettelt. Er sagte weiter, dass andere Internetseiten blockiert worden seien. Sie hätten, so seine Angaben, Material veröffentlicht, dass gegen bahrainische Gesetze verstoße. Rundbriefe politischer Vereinigungen seien ebenfalls verboten worden. Laut Gesetz dürfen solche Rundbriefe nur an Mitglieder verteilt werden. Die Dokumente seien jedoch öffentlich zugänglich gewesen.
Recht auf Vereinigungsfreiheit
Im September 2010 löste die Regierung den Vorstand der unabhängigen NGO Bahrain Human Rights Society auf und warf ihm "gesetzliche und verwaltungstechnische Unregelmäßigkeiten" vor. Außerdem habe die NGO mit "illegalen Organisationen zusammengearbeitet". Kurz zuvor hatte die NGO auf ihrer Internetseite über die Foltervorwürfe der 23 festgenommenen schiitischen Regierungskritiker berichtet. Die Regierung setzte einen Interimsverwalter ein. Somit ist die Unabhängigkeit der Organisation kaum noch gegeben.
Mehrere Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen durften nicht ins Ausland reisen. Die Regierung stritt allerdings ab, diese Personen mit einem Reiseverbot belegt zu haben.
- Nabeel Rajab, der Direktor des im Jahr 2004 verbotenen Bahrain Centre for Human Rights, wurde am 27. September 2010 an der Grenze daran gehindert, nach Saudi-Arabien auszureisen. Nach internationalen Protesten gegen dieses Vorgehen konnte er seine Reise im Oktober antreten.
Rechte von Arbeitsmigranten
Trotz der Neuregelung des Sponsorensystems (kafala) im Jahr 2009 wurden erneut ausländische Arbeitsmigranten, vor allem Hausangestellte, ausgebeutet und misshandelt. Das neue System erlaubt es ausländischen Arbeitnehmern, ihre Arbeitsstelle ohne Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers zu wechseln. Mehreren Berichten zufolge konfiszierten Arbeitgeber die Pässe der Arbeitsmigranten, die sich somit keine andere Stelle suchen konnten. Eine Reihe von Arbeitsmigranten hat sich offensichtlich im Berichtsjahr das Leben genommen. Der Grund waren schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die bahrainische Gesetzgebung bietet nur wenig Schutz für ausländische Hausangestellte. Beispielsweise fehlen Bestimmungen über Mindestlöhne, Freizeit und Erholungszeiten.
Todesstrafe
Gegen mindestens eine Person erging ein Todesurteil, ein Mann wurde hingerichtet. Wie bereits in den vorangegangenen zehn Jahren wurde die Todesstrafe nur gegen ausländische Staatsangehörige verhängt.
-
Im März 2010 wurde Russel Mezan, ein Staatsbürger Bangladeschs, wegen Mordes an einem kuwaitischen Mann zum Tode verurteilt. Im Oktober wurde das Urteil im Rechtsmittelverfahren bestätigt, und Ende des Berichtsjahrs hielt auch das Kassationsgericht das Urteil aufrecht.
- Im Juli 2010 wurde Jassim Abdulmanan aus Bangladesch hingerichtet. Er war 2007 wegen Mordes an einem anderen Bangladescher im Jahr 2005 zum Tode verurteilt worden.
Im Dezember enthielt sich Bahrain der Stimme, als in der UN-Generalversammlung eine Resolution über ein weltweites Hinrichtungsmoratorium zur Abstimmung anstand.
Amnesty International: Mission und Berichte
Eine Delegation von Amnesty International stattete Bahrain im Oktober einen Besuch ab. Sie machte sich ein Bild von der Lage der Menschenrechte und traf zu Gesprächen mit der Regierung zusammen. Die Delegation beobachtete den ersten Verhandlungstag des Prozesses gegen 23 schiitische Aktivisten, die im August und September verhaftet worden waren.
Bahrain: Detained Shi’a Muslims at risk (MDE 11/005/2010)
Bahrain: Fair trial and freedom of expression must be guaranteed (MDE 11/009/2010)