Amnesty Report 15. Mai 2009

Niger 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Niger Staatsoberhaupt: Mamadou Tandja Regierungschef: Seini Oumarou Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 14,7 Mio. Lebenserwartung: 55,8 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 183/188 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 28,7%

Trotz der landesweiten Nahrungsmittelknappheit und der wachsenden Gefahr einer Hungersnot blockierte die Regierung Bemühungen einzelner humanitärer Organisationen. Angehörige der Sicherheitskräfte waren für die widerrechtliche Tötung von Zivilpersonen verantwortlich, die unter dem Verdacht standen, eine bewaffnete Oppositionsbewegung von Tuareg-Nomaden zu unterstützen. Zahlreiche Soldaten und Zivilisten wurden von den Tuareg-Rebellen entführt. In dem Bemühen, die Pressefreiheit einzuschränken, wurden einige Journalisten in Haft genommen.

Hintergrund

Der bewaffnete Konflikt zwischen den Regierungstruppen und der Nigrischen Bewegung für Gerechtigkeit (Mouvement des Nigériens pour la Justice – MNJ), einer bewaffneten Oppositionsbewegung von Tuareg-Nomaden aus der Region Agadez im Norden des Landes, dauerte im gesamten Berichtsjahr an. Präsident Mamadou Tandja bezeichnete die Rebellen der MNJ als "Banditen"und "Drogenhändler" und schloss ungeachtet entsprechender Aufrufe politischer Parteien und der Zivilgesellschaft jeden Dialog mit der MNJ aus. Der Ausnahmezustand in der Region Agadez, durch den die Sicherheitskräfte größere Befugnisse erhielten, wurde mehrmals verlängert. Im Dezember verschwanden der UN-Sondergesandte für den Niger, Robert Fowler, und sein ebenfalls für die Vereinten Nationen arbeitender Begleiter Louis Gay zusammen mit ihrem Fahrer, als sie in ihrem Auto unterwegs waren. Die beiden kanadischen Staatsbürger und ihr einheimischer Chauffeur befanden sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens rund 40 km von der Hauptstadt Niamey entfernt. Berichten zufolge wurden die Männer entführt. Doch obwohl die Behörden eine Untersuchung des Vorfalls einleiteten gab es Ende 2008 noch keine Erkenntnisse über ihren Verbleib.

Als der ehemalige Premierminister Hama Amadou im Juni unter dem Vorwurf der Korruption und der Veruntreuung von Geldern verhaftet wurde, forderten nigrische Menschenrechtsorganisationen ein unverzügliches und faires Gerichtsverfahren für ihn. Nach Ansicht seiner Anhänger waren die gegen ihn erhobenen Vorwürfe politisch motiviert, um seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 zu verhindern. Ende 2008 war noch immer kein Verfahren gegen Hama Amadou eröffnet worden, und er befand sich weiter in Haft.

Nahrungsmittelknappheit

Obwohl viele unabhängige Berichte darauf hinwiesen, dass dem Land eine schwere Hungersnot droht, untersagte die Regierung der Organisation Ärzte ohne Grenzen die Fortführung ihrer Tätigkeit in der südlichen Region Maradi und zwang die NGO, das Land zu verlassen. Die Regierung warf der Hilfsorganisation vor, die Zahl der unterernährten Kinder in der Region zu übertreiben, um mehr Spenden einzuwerben. Die Ernährungslage sei "nicht dramatisch", und das Land benötige keine internationale Hilfe. Damit verstieß die Regierung gegen ihre Verpflichtung, die Bevölkerung vor Hunger zu bewahren und sich bei Bedarf um internationale Hilfe zu bemühen.

Willkürliche Haft, Folterungen und Tötungen

In der Region Agadez nahmen die Sicherheitskräfte Dutzende von Zivilisten fest. Einige der Inhaftierten sollen gefoltert worden sein. Die Festnahmen erfolgten oft nach Angriffen der MNJ. Meist wurden die Betroffenen nach einigen Tagen oder Wochen ohne Anklageerhebung oder Verfahren wieder freigelassen. Auch einige Fälle von "Verschwindenlassen" wurden gemeldet.

  • Am 26. März 2008 wurde der Händler Aboubakar Attoulèle vom Militär festgenommen. Berichten zufolge schnitten ihm die Soldaten die Ohren ab, zündeten seine Haare an und erstachen ihn.

  • Am 30. März 2008 nahmen Soldaten der nigrischen Armee vier Männer fest, darunter den Dorfvorsteher von Tourayat, Al Wali. Die Angehörigen konnten nichts über den Verbleib der Männer in Erfahrung bringen.

Menschenrechtsverstöße bewaffneter Oppositionsgruppen

Die MNJ entführte im Berichtsjahr eine Reihe von Soldaten und Zivilisten und hielt sie als Geiseln, darunter einen hochrangigen Vertreter der Regierung, einen Imam und einen Lehrer. Einige der Entführten wurden dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz übergeben, andere befanden sich auch am Ende des Jahres noch in Geiselhaft.

  • Im Januar 2008 wurde bei einem Angriff der MNJ auf die ca. 1000 km östlich der Hauptstadt Niamey gelegene Stadt Tanout der Präfekt Abdou Garba Kona zusammen mit mehreren Militärangehörigen entführt. Im März wurden 26 der Entführten freigelassen, darunter auch der Präfekt.

  • Im Mai 2008 entführte die MNJ bei Tanout den Vizepräsidenten der staatlichen Menschenrechtskommission Ahmadou Ahellawey, während er dabei war, mehr Bewusstsein für die Menschenrechte zu schaffen. Er wurde nach einer Woche wieder freigelassen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Regierung verbot jede Berichterstattung der Medien über den Konflikt im Norden des Landes. Ein Reiseverbot verhinderte, dass Journalisten die Region besuchten. Einige Journalisten wurden wegen angeblicher Verbindungen zur MNJ willkürlich in Haft genommen. Im März ließ der Hohe Rat für Kommunikation (Conseil Supérieur de la Communication) den Sender Radio France International (RFI) unter dem Vorwurf, er "diskreditiere die staatlichen Institutionen des Niger", für drei Monate abschalten. Im April ordnete er die Schließung von Sahara FM an, dem wichtigsten privaten Rundfunksender in Agadez.

  • Im Oktober kam Moussa Kaka, der Direktor des Privatsenders Radio Saraouniya und Korrespondent von RFI im Niger, nach über einem Jahr Haft als gewaltloser politischer Gefangener vorläufig frei. Die ursprüngliche Anklage der "Verschwörung gegen den Staat" wurde durch den weniger gravierenden Vorwurf von "Tätigkeiten, die die nationale Verteidigung gefährden" ersetzt. Bis Ende 2008 hatte noch kein Gerichtsverfahren stattgefunden.

Sklaverei

Im Oktober verurteilte der Gerichtshof der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS im Fall der 24-jährigen Hadijatou Mani, die zehn Jahre lang als Haus- und Sexsklavin gehalten worden war, die Regierung des Niger zu einer Entschädigungszahlung. Die Frau hatte die Regierung verklagt, weil diese das bestehende Verbot der Sklaverei nicht umsetzte. Das bahnbrechende Urteil bestätigte den von zahlreichen nationalen und internationalen NGOs erhobenen Vorwurf, dass es im Niger trotz des Verbots dieser Praxis im Jahr 2003 immer noch Sklaven gibt.

Amnesty International: Berichte

Niger: Le mouvement d’opposition armé touareg doit cesser de prendre en otage des civils (24 January 2008) Niger: Executions and forced disappearances follow army reprisals (3 April 2008)

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