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Kolumbien 2009
- Interner bewaffneter Konflikt
- Staatliche Morde
- Paramilitärische Gruppen
- Prozess für Gerechtigkeit und Frieden
- Skandal um Verbindungen zwischen Politik und Paramilitärs
- Guerillagruppen
- Straflosigkeit
- Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter
- Entführungen und Geiselnahmen
- Gewalt gegen Frauen und Mädchen
- US-amerikanische Militärhilfe
- Amnesty International: Missionen und Berichte
Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien Staats- und Regierungschef: Álvaro Uribe Vélez Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 46,7 Mio. Lebenserwartung: 72,3 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 29/22 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 92,8%
Mehrere Hunderttausend Menschen waren weiterhin von dem anhaltenden bewaffneten Konflikt betroffen. Opfer des Konflikts war vor allem die Zivilbevölkerung. Angehörige indigener Gemeinschaften, Kolumbianer afrikanischer Herkunft und Kleinbauern waren besonders gefährdet; viele dieser Menschen lebten in Gebieten, die für die Konfliktparteien von ökonomischem und strategischem Interesse waren. Alle Konfliktparteien – die Sicherheitskräfte, paramilitärische und Guerillagruppen – waren verantwortlich für weit verbreitete und systematische Menschenrechtsverstöße sowie Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Während einige Anzeichen dafür sprachen, dass die durch den bewaffneten Konflikt verursachte Gewalt, wie Entführungen und Geiselnahmen, abgenommen hat, sprachen andere dagegen. Es kam zu einem Anstieg der Binnenvertreibungen sowie der Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und Tötungen von Gewerkschaftern. Die Zahl der von den Sicherheitskräften ermordeten Zivilpersonen war immer noch sehr hoch. Paramilitärische Gruppen waren weiterhin aktiv, obwohl die Regierung das Gegenteil behauptete. Die Tötung etlicher Jugendlicher durch die Armee führte zu Entlassungen ranghoher Militärangehöriger und erzwang den Rücktritt des Armeechefs, General Mario Montoya. Etliche der im besonderen Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Geiseln wurden nach Jahren der Gefangennahme durch die Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) freigelassen, aber Hunderte von Menschen blieben weiterhin Gefangene der FARC und der Nationalen Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN). Den FARC wurden 2008 erneut in Stadtgebieten verübte Bombenanschläge zugeschrieben. Ein gewisser Fortschritt war bei den gerichtlichen Untersuchungen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen festzustellen, obwohl Straflosigkeit ein unverändert ernsthaftes Problem darstellte. Die Auslieferung führender Paramilitärs an die USA, gegen die Anklagen wegen Drogenhandels erhoben worden waren, untergrub die Untersuchungen von Menschenrechtsverstößen in Kolumbien.
Interner bewaffneter Konflikt
Im Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2008 wurden mindestens 1492 Zivilisten in dem bewaffneten Konflikt getötet, und 182 Personen fielen dem "Verschwindenlassen" zum Opfer. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 1348 bzw. 119 Personen.
- Am 26. Mai 2008 wurde ein Angehöriger einer indigenen Gemeinschaft, Oscar Dogirama Tequia, in der Gemeinde Ríosucio im Departamento Chocó von FARC-Mitgliedern ermordet. Er war beschuldigt worden, ein Informant der Armee gewesen zu sein.
Im Zusammenhang mit den landesweiten Demonstrationen für Landrechte und gegen Menschenrechtsverstöße kam es im Oktober 2008 im Departamento Cauca zu Massenprotesten von Angehörigen indigener Gemeinschaften. Hierbei soll die Bereitschaftspolizei (ESMAD) exzessive Gewalt angewandt haben; einige der Demonstranten sollen ebenfalls gewalttätig gewesen sein. Viele Demonstranten und Angehörige der Sicherheitskräfte wurden verletzt, und Berichten zufolge sind etliche Demonstranten getötet worden. Überall im Land kam es zu Tötungen und Bedrohungen von Sprechern indigener, afro-kolumbianischer sowie Kleinbauerngemeinschaften, von denen sich einige an Kampagnen für Landrechte beteiligt hatten.
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Am 16. Dezember 2008 erschossen Angehörige der Armee Edwin Legarda, den Ehemann von Aida Quilqué, Sprecherin einer indigenen Gemeinschaft. Edwin Legarda fuhr gerade im Auto nach Popayán, Hauptstadt des Departamento Cauca, um seine Frau abzuholen, die aus Genf zurückkehrte. Dort hatte sie an einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats zu Kolumbien teilgenommen.
- Am 14. Oktober 2008 wurde Walberto Hoyos Rivas, Sprecher der afro-kolumbianischen Gemeinschaft im Curvaradó-Flussbecken, Departamento Chocó, von Paramilitärs in der "humanitären Zone" Caño Manso getötet. Es handelt sich um eine von mehreren Gemeinschaften, die Ortsansässige gegründet hatten, um ihr Recht zum Ausdruck zu bringen, als Zivilisten nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden. Walberto Hoyos Rivas hatte sich aktiv für den Schutz des kollektiven Rechts afro-kolumbianischer Gemeinschaften auf Land im Curvaradó-Flussbecken eingesetzt. 2007 hatte er einen Anschlag überlebt. Walberto Hoyos Rivas sollte im Prozess gegen zwei Paramilitärs aussagen, die in den Mord an einem anderen führenden Angehörigen der Gemeinschaft verwickelt waren.
Die Fälle von Vertreibungen stiegen erheblich an, und zwar von 191000 im ersten Halbjahr 2007 auf 270000 im Vergleichszeitraum 2008. Der Süden des Landes war wegen anhaltender Kämpfe zwischen den Sicherheitskräften und Gruppierungen der Paramilitärs und der Guerilla besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.
Die aufgrund des Konflikts Vertriebenen waren erheblichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt, so dass es besonders schwierig für sie war, Zugang zu Gesundheit, Bildung und anderen sozialen Leistungen zu erhalten.
Guerilla- und paramilitärische Gruppen rekrutierten zwangsweise Kinder. Die Sicherheitskräfte wiederum benutzten Kinder als Informanten; dies steht im Widerspruch zu einer vom Verteidigungsministerium 2007 herausgegebenen Direktive, die den Einsatz von Kindern für Geheimdienstzwecke verbietet. Am 12. Februar akzeptierte die Regierung schließlich das Berichterstattungs- und Kontrollsystem der vom UN-Sicherheitsrat 2005 verabschiedeten Resolution 1612 zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, erklärte sich aber nicht damit einverstanden, die Auflagen auch auf Taten sexueller Gewalt auszudehnen.
Im April 2008 erließ die Regierung das Dekret 1290, mit dem ein Programm ins Leben gerufen wurde, das die staatliche finanzielle Entschädigung der Opfer von Verbrechen durch Guerilla- und paramilitärische Gruppen ermöglicht. Das Programm sieht jedoch weder die Rückgabe geraubten Landes noch eine anderweitige Wiedergutmachung hierfür vor. Auch sind keine Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte vorgesehen.
Ein Gesetzentwurf über Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverstößen, der von einem Kongressausschuss im November gebilligt worden war, fand bis zum Jahresende keine Zustimmung im Kongress. Das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Kolumbien erklärte, dass der Gesetzentwurf, der von der Mehrheit der Regierungsmitglieder in dem Ausschuss stark abgeschwächt worden war, in der aktuellen Fassung diskriminierend sei.
Staatliche Morde
Die Tötung zahlreicher junger Männer aus dem nahe der Hauptstadt Bogotá gelegenen Soacha zwang die Regierung schließlich einzuräumen, dass die Sicherheitskräfte für extralegale Hinrichtungen verantwortlich waren. Die Ermordung von Personen, die vom Militär fälschlich als "im Kampf getötete Guerilleros" bezeichnet worden waren, wurde Berichten zufolge gemeinsam mit paramilitärischen oder kriminellen Gruppen begangen. Im Oktober führte dieser Skandal zur Entlassung von 27 Armeeangehörigen, darunter drei Generälen. Im November musste der in Menschenrechtsverletzungen verwickelte Armeechef, General Mario Montoya, zurücktreten. Präsident Uribe erklärte, dass die Soacha-Morde vor Zivil- und nicht vor Militärgerichten verhandelt würden, da Letztere in solchen Fällen zwar ihre Zuständigkeit reklamieren, die Verfahren dann aber abschließen würden, ohne eine ernsthafte Untersuchung durchgeführt zu haben.
Zwischen Juni 2007 und Juni 2008 wurden mindestens 296 Personen von den Sicherheitskräften extralegal hingerichtet; im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 287. Die Militärgerichtsbarkeit erklärte sich in vielen dieser Fälle für zuständig.
Im November erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte während eines Besuchs in Kolumbien, dass staatliche Morde offenbar weit verbreitet seien und systematisch durchgeführt würden.
Paramilitärische Gruppen
Paramilitärische Gruppen waren nach wie vor aktiv, trotz der Behauptung der Regierung, dass die Demobilisierung aller Paramilitärs in einem von der Regierung unterstützten Prozess, der im Jahr 2003 begonnen hatte, erreicht worden sei. Paramilitärs töteten weiterhin Zivilisten und begingen Menschenrechtsverletzungen, manchmal mit Unterstützung durch die Sicherheitskräfte oder mit deren Einverständnis. Den Paramilitärs wurden im Zeitraum Juni 2007 bis Juni 2008 461 Morde zugeschrieben, während es im Vergleichszeitraum des Vorjahres 233 waren.
- Am 14. Juni drangen Mitglieder der paramilitärischen bäuerlichen Selbstverteidigungskräfte von Nariño (Autodefensas Campesinas de Nariño) in das Dorf San José de la Turbia in der Gemeinde Olaya Herrera, Departamento Nariño, ein. Sie warnten die Einwohner, dass sich die Marine in der Nähe befände und sie mit ihr zusammenarbeiten würden. Dann riefen sie den Namen Tailor Ortiz auf. Als er die Hand hob, sagten die Paramilitärs: "Den bringen wir sofort um." Sie fesselten ihn und schossen ihm in den Kopf. Dann sagten sie: "Jedes Mal wenn wir kommen, nehmen wir uns einen anderen vor."
Etwa 1778 Leichen von Opfern des "Verschwindenlassens" durch die Paramilitärs wurden zwischen 2006 und 2008 von den Behörden aus 1441 Gräbern exhumiert. Ende 2008 waren die sterblichen Überreste von erst etwa 300 Opfern identifiziert und ihren Familien übergeben worden. Die Exhumierungen wiesen schwerwiegende Mängel auf, wodurch die Identifizierung von Opfern und Tätern erschwert wurde.
Die Sicherheitskräfte benutzten weiterhin mutmaßlich demobilisierte Paramilitärs für militärische und geheimdienstliche Aktivitäten, obwohl 2007 ein Verbot solcher Einsätze erlassen worden war.
Prozess für Gerechtigkeit und Frieden
Mehr als 130000 Opfer paramilitärischer Gewalt reichten im Rahmen des Prozesses für Gerechtigkeit und Frieden offizielle Entschädigungsklagen ein. In diesem Prozess wurde Paramilitärs, die ihre Waffen niederlegten und zu Geständnissen über Menschenrechtsverletzungen und zu Wiedergutmachungsleistungen an ihre Opfer bereit waren, eine stark verminderte Haftstrafe in Aussicht gestellt. 90% der Paramilitärs qualifizierten sich jedoch nicht für die Aufnahme in den Prozess und entzogen sich so der Justiz. Opfer, die in dem Prozess aussagen wollten, wurden weiterhin bedroht oder sogar ermordet. Viele Paramilitärs arbeiteten nicht zufriedenstellend mit den Gerichten für Gerechtigkeit und Frieden zusammen; insbesondere verweigerten sie die Rückgabe des Landes, das sie sich widerrechtlich angeeignet hatten. Hierdurch wurde das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung untergraben.
Im Mai 2008 wurden 15 führende kolumbianische Paramilitärs an die USA ausgeliefert, wo sie sich wegen Drogenvergehen vor Gericht zu verantworten hatten. Ihre Auslieferung erfolgte auf die Behauptung der kolumbianischen Regierung hin, dass sie sich nicht an die Auflagen des Prozesses für Gerechtigkeit und Frieden gehalten hätten. Die US-Regierung bekräftigte, dass kolumbianischen Ermittlungsbeamten weiterhin Zugang zu den ausgelieferten Paramilitärs gewährt werde. Jedoch bestand weiterhin Anlass zur Sorge, dass durch die Auslieferung der Paramilitärs die Untersuchung der von ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien sowie die Aufdeckung möglicher Verbindungen zwischen Paramilitärs und kolumbianischen Politikern und anderen staatlichen Amtsträgern unterlaufen werde.
Im Mai stellte das Verfassungsgericht in einem Urteil fest, dass das von der Regierung aufgelegte Schutzprogramm für die am Prozess für Gerechtigkeit und Frieden beteiligten Opfer und Zeugen gegen die verfassungsmäßige und internationale Verpflichtung des Staates verstößt, Diskriminierung von Frauen und Gewalt gegen Frauen zu verhindern.
Skandal um Verbindungen zwischen Politik und Paramilitärs
Die Ermittlungen gegen etwa 70 Kongressabgeordnete wegen des Verdachts auf Verbindungen zu paramilitärischen Gruppierungen wurden fortgeführt. Eine größere Anzahl von Abgeordneten trat jedoch von ihren Ämtern zurück, so dass die Verantwortung für die Ermittlungen vom Obersten Gerichtshof auf die lokalen Büros der Generalstaatsanwaltschaft überging, womit sich das Risiko möglicher politischer Manipulation erhöhte. Während die Anklagen gegen einige der Abgeordneten fallengelassen wurden, sprach der Oberste Gerichtshof andere für schuldig und verurteilte sie zu Gefängnisstrafen.
Aufgrund dieses Skandals nahmen die Spannungen zwischen der Regierung und dem Obersten Gerichtshof zu. Während die Regierung behauptete, dass politische Motive das Handeln des Obersten Gerichtshofs bestimmten, bezichtigte der Oberste Gerichtshof die Regierung des Versuchs, die Ermittlungen zu untergraben. Die meisten der in den Skandal verwickelten Abgeordneten gehörten der Regierungskoalition an. Im Dezember gewährte die Interamerikanische Menschenrechtskommission dem für die Ermittlungen zu den Verbindungen zwischen Politikern und Paramilitärs zuständigen Richter am Obersten Gerichtshof, Iván Velásquez, Schutzmaßnahmen. Damit waren bestimmte Verpflichtungen für die kolumbianische Regierung im Hinblick auf die Sicherheit des Richters verbunden.
Guerillagruppen
Sowohl FARC als auch ELN waren 2008 weiterhin für Entführungen und Morde an Zivilisten verantwortlich. Im Zeitraum zwischen Juni 2007 und Juni 2008 wurden den Guerillagruppen mehr als 166 Tötungen von Zivilpersonen zugeschrieben. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug die Zahl 214.
- Am 16. Januar sollen FARC-Mitglieder in der Gemeinde Hormiga des Departamento Putumayo zwei Jungen im Alter von zwölf und 14 Jahren getötet haben. Die Häuser ihrer Familien wurden niedergebrannt. Die Morde waren offensichtlich eine Vergeltungsmaßnahme für die Weigerung der Jungen, sich den FARC anzuschließen.
Guerillagruppen benutzten in großem Ausmaß Landminen. Als Folge wurden im Jahr 2008 mehr als 45 Zivilpersonen und 102 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet sowie 160 bzw. 404 verwundet.
- Am 27. Juni wurden drei indigene Kinder aus dem Reservat Las Planadas Telembí in der Gemeinde Samaniego des Departamento Nariño getötet, als sie auf Minen traten, die von Guerilleros gelegt worden waren.
Es gab eine Reihe von Bombenanschlägen in Stadtzentren. Einige Anschläge, denen hauptsächlich Zivilpersonen zum Opfer fielen, schrieben die Behörden den FARC zu.
- Die kolumbianischen Behörden machten die FARC für die Explosion eines Sprengkörpers am 14. August in Ituango im Departamento Antioquia verantwortlich. Bei der Explosion, die sich in einem Stadtviertel ereignete, in dem ein Fest gefeiert wurde, verloren sieben Menschen ihr Leben und mehr als 50 Personen wurden verletzt. Die FARC bestritten jedoch, für dieses Attentat verantwortlich zu sein.
Im März griffen kolumbianische Soldaten einen Stützpunkt der FARC in Ecuador an und töteten dabei den Vize-Kommandeur der Gruppe, "Raúl Reyes". Diese Operation hatte eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Kolumbien und den Nachbarstaaten zur Folge.
Die kolumbianische Regierung erklärte, dass die Informationen, die nach dem Angriff vom Computer des "Raúl Reyes" sichergestellt wurden, die Existenz eines "Unterstützernetzwerks" in mehreren europäischen Ländern sowie die Namen kolumbianischer Politiker mit Verbindungen zu den FARC offengelegt hätten. Der FARC-Führer "Manuel Marulanda" starb ebenfalls im März, allerdings eines natürlichen Todes.
Straflosigkeit
Straflosigkeit blieb weiterhin die Regel in den meisten Fällen von Menschenrechtsverletzungen. Hauptsächlich als Resultat internationalen Drucks war allerdings ein zunehmender Fortschritt bei mehreren besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Ermittlungen zu verzeichnen. Zu den Fällen, bei denen ein gewisses Maß an Fortschritt erzielt werden konnte, gehörten der Fall der Tötung von acht Einwohnern der "Friedensgemeinde" San José de Apartadó im Verwaltungsbezirk Apartadó des Departamento Antioquia durch die Armee und Paramilitärs im Februar 2005 sowie der Fall der Tötung von zehn Angehörigen der Justizpolizei, eines Polizeiinformanten und eines Zivilisten in Jamundí im Departamento Valle del Cauca durch die Armee im Mai 2006.
In den meisten dieser Fälle gab es jedoch – wenn überhaupt – nur schleppende Fortschritte bei der Ermittlung der Verantwortung innerhalb der Befehlskette.
Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter
Im Berichtsjahr war eine Zunahme der Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und ein Anstieg der Morde an Gewerkschaftern zu verzeichnen, insbesondere um den 6. März, als in Kolumbien und in anderen Ländern Demonstrationen stattfanden, auf denen gegen die von den Paramilitärs und den Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen protestiert wurde. Die Verantwortung für diese Attacken wurde den Paramilitärs zugeschrieben.
Mindestens 46 Gewerkschaftsmitglieder wurden im Jahr 2008 getötet, im Vorjahr waren es 39. Etwa zwölf Menschenrechtsverteidiger wurden 2008 getötet, ähnlich viele wie 2007.
- Am 20. September erschossen zwei Männer auf einem Motorrad in der Gemeinde Bolívar des Departamento Cauca den Kleinbauernsprecher Ever González von der Nichtregierungsorganisation CIMA. Er hatte die öffentliche Aufmerksamkeit auf staatliche Morde in Cauca gelenkt.
Präsident Álvaro Uribe Vélez gab erneut Erklärungen ab, mit denen er die Legitimität der Menschenrechtsarbeit untergrub.
- Im Anschluss an die Veröffentlichung der Kolumbien-Berichte von Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) bezichtigte er Amnesty International im November der "Blindheit", des "Fanatismus" und des "Dogmatismus". Zudem beschuldigte er den HRW-Direktor von Amerika öffentlich als "Unterstützer" und "Komplizen" der FARC.
Entführungen und Geiselnahmen
Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt war die prominenteste Person unter einer Anzahl von Geiseln, die im Jahr 2008 nach jahrelanger Gefangenschaft in den Händen der FARC ihre Freiheit wiedererlangten. Ingrid Betancourt und 14 weitere Geiseln wurden durch eine Militäroperation am 2. Juli befreit. Die Operation war umstritten, da einer der daran beteiligten Soldaten in Verletzung des humanitären Völkerrechts das Emblem des Roten Kreuzes trug. Am 4. Februar und am 20. Juli brachten Millionen von Menschen auf Kundgebungen in Kolumbien und vielen anderen Teilen der Welt ihren Protest gegen die Entführungen durch die FARC zum Ausdruck. Die FARC und die ELN hielten jedoch weiterhin Hunderte von Personen in Geiselhaft.
Die Anzahl der Entführungen nahm weiter ab; 2008 wurden 437 Entführungen gemeldet, verglichen mit 521 im Vorjahr. Die meisten der Entführungen wurden kriminellen Banden angelastet. Bei den im Kontext des bewaffneten Konflikts verübten Entführungen lag die Hauptverantwortung bei den Guerillagruppen.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Alle Konfliktparteien verübten 2008 weiterhin sexuellen Missbrauch und andere Formen der Gewaltanwendung an Frauen und Mädchen. Guerrilla-Gruppen sollen Berichten zufolge Kämpferinnen gezwungen haben, in Verletzung ihrer reproduktiven Rechte Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen oder Verhütungsmittel einzunehmen.
- Am 24. September erschoss ein Mann Olga Marina Vergara in ihrem Haus in der Stadt Medellín. Sie war ein führendes Mitglied der Frauenkoalition Friedlicher Weg der Frauen (Ruta Pacífica de las Mujeres). Ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und der fünfjährige Enkel wurden bei dem Angriff ebenfalls getötet. Die Morde ereigneten sich zum Zeitpunkt der Herausgabe eines neuen Berichts von Ruta Pacífica de las Mujeres über Gewalt gegen Frauen im Kontext des bewaffneten Konflikts.
Am 14. April verkündete das Verfassungsgericht einen Gerichtsbeschluss, der sich mit den Rechten der durch den Konflikt vertriebenen Frauen befasste. Der Beschluss stellte einen direkten Bezug zwischen Vertreibung und sexueller Gewalt her und kam zum Ergebnis, dass der Konflikt eine unverhältnismäßig hohe Auswirkung auf die Frauen habe. Er rief die Regierung auf, 13 spezifische Programme zum Schutz der durch den Konflikt vertriebenen Frauen einzurichten.
US-amerikanische Militärhilfe
Im Jahr 2008 belief sich die Finanzhilfe der USA an Kolumbien auf rund 669,5 Mio. US-Dollar. In diesem Betrag waren etwa 543 Mio. US-Dollar aus den Mitteln des Gesetzes über die Mittelbereitstellung an ausländische Staaten (Foreign Operations Funding Bill) enthalten. 235 Mio. US-Dollar davon wurden für soziale und wirtschaftliche Projekte bereitgestellt. Die restlichen 307 Mio. US-Dollar waren für die Sicherheitskräfte vorgesehen, wovon 30% unter der Auflage gewährt wurden, dass die kolumbianischen Behörden bestimmte Menschenrechtsbedingungen erfüllten. Dies unterstrich die Fortführung eines Trends zur Korrektur des Ungleichgewichts zwischen Sicherheitsangelegenheiten und sozioökonomischen Belangen, das die US-amerikanische Hilfe charakterisiert hatte. Im August bewilligte der Kongress die Auszahlung des letzten Teils der Militärhilfe in Höhe von 55 Mio. US-Dollar für das Fiskaljahr 2006. Die Auszahlung dieses Teils war im April 2007 vom Kongress wegen der Besorgnis über außergerichtliche Hinrichtungen durch die Sicherheitskräfte zurückgehalten worden. Aus dem gleichen Grund stoppte der Kongress im August die Auszahlung von zusätzlichen 72 Mio. US-Dollar Militärhilfe, die auf die Fiskaljahre 2007 und 2008 entfiel.
Berichten zufolge legte das Außenministerium der USA wegen der in der Stadt Soacha verübten Tötungen ein Veto gegen drei Militäreinheiten ein, so dass diese von der US-Militärhilfe ausgeschlossen blieben.
Internationale Überwachung
Der im Februar veröffentlichte Kolumbien-Bericht des Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte stellte fest, dass es zwar einige Verbesserungen gegeben habe, dass aber "die Situation der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts weiterhin Anlass zur Sorge bereitet". Bezüglich des Kampfes gegen die Straflosigkeit hieß es in dem Bericht, dass "die strukturellen Probleme in der Justizverwaltung fortbestehen". Der Bericht drückte auch Besorgnis über die Fortführung der staatlichen Morde durch die Sicherheitskräfte und die schweren und systematischen Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch die Guerillagruppen aus. Er wies auch auf die Verbindungen zwischen gewissen Gruppen der Streitkräfte und den von den Berichterstattern als "neue illegale bewaffnete Gruppen" bezeichneten Gruppierungen hin.
Der Beauftragte des UN-Generalsekretärs für die Menschenrechte Binnenvertriebener besuchte Kolumbien im November und die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen stattete Kolumbien im Oktober einen Besuch ab.
Im Dezember wurde die Situation der Menschenrechte in Kolumbien im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat untersucht.
Amnesty International: Missionen und Berichte
Delegierte von Amnesty International besuchten das Land im Februar, März, April, Juni, Juli und Oktober.
"Leave us in Peace!"– Targeting civilians in Colombia’s internal armed conflict (AMR 23/023/2008) Colombia: Ingrid Betancourt gains her freedom (AMR 23/024/2008) Colombia: Amnesty International condemns bomb attack (AMR 23/030/2008) Colombia: Killings of Indigenous and Afro-descendant land right activists must stop (AMR 23/038/2008)