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Griechenland 2009
- Tötung von Alexis Gregoropoulos – exzessive Gewaltanwendung
- Folter und andere Misshandlungen
- Menschenhandel
- Arbeitnehmerrechte
- Haftbedingungen
- Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen
- Recht auf freie Meinungsäußerung
- Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen
- Amnesty International: Berichte
Amtliche Bezeichnung: Hellenische Republik Staatsoberhaupt: Karolos Papoulias Regierungschef: Kostas Karamanlis Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 11,2 Mio. Lebenserwartung: 78,9 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 8/8 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 96%
Nachdem die Polizei im Dezember 2008 einen 15-Jährigen erschossen hatte, wandte sie Berichten zufolge exzessive Gewalt gegen Demonstranten an. Während der Proteste, die sich auf das ganze Land ausgeweitet hatten, kam es auch zu gewalttätigen Ausschreitungen. Trotz einer neuen Gesetzgebung zu Asylverfahren und Aufnahmebedingungen für Migranten verstieß die Behandlung von Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus und von Asylsuchenden noch immer gegen internationale Standards. Tausende Häftlinge protestierten mit einem Hungerstreik gegen ihre Behandlung im Gefängnis. Ein Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.
Tötung von Alexis Gregoropoulos – exzessive Gewaltanwendung
Am 6. Dezember 2008 wurde der 15-jährige Alexis Gregoropoulos von einem Polizeibeamten getötet, der zu den im Zentrum von Athen eingesetzten "Sondereinsatzkräften" gehörte. Die Schilderungen der Ereignisse, die zum Tod des Jugendlichen geführt hatten, wichen voneinander ab. Polizeilichen Angaben zufolge sollen zwei Polizeibeamte in einem Fahrzeug von einer Gruppe von 20 bis 30 Jugendlichen angegriffen worden sein. Als Reaktion darauf habe einer der Beamten eine Blendgranate geworfen, während der andere zwei Schüsse in die Luft und einen auf den Boden abgegeben habe. Ein Schuss sei abgeprallt und habe Alexis Gregoropoulos schwer verletzt. Nach Aussagen von Augenzeugen hingegen sollen sich zwei Polizeibeamte gegen 21 Uhr in einem Fahrzeug Alexis Gregoropoulos und seinen Freunden genähert und sie beschimpft haben. Als die Beamten weitergefahren seien, habe einer der Jugendlichen eine Flasche auf das Polizeifahrzeug geworfen. Nachdem das Fahrzeug angehalten habe, seien die Beamten zu Fuß zurückgekehrt und hätten die Jugendlichen beschimpft. Während dieses Wortwechsels habe ein Beamter drei Schüsse abgegeben, von denen einer Alexis Gregoropoulos getötet habe. Ein paar Tage später wurden beide Beamte vom Dienst suspendiert. Der Beamte, der den Schuss abgegeben hatte, wurde wegen rechtswidrigen Gebrauchs einer Schusswaffe und vorsätzlichen Totschlags, der andere wegen Komplizenschaft angeklagt.
Die Schießerei löste landesweite Proteste gegen die Regierung aus, die Ende 2008 noch anhielten. Die Polizei soll exzessive Gewalt und Strafmaßnahmen vor allem gegen friedliche Demonstranten angewandt haben, während sie Aufrührer, die Eigentum zerstört hatten, weitgehend ungeschoren ließ. Unter den von Polizisten geschlagenen Demonstranten befanden sich zwei Mitglieder von Amnesty International. Die Polizei nahm zudem zahlreiche Personen willkürlich fest. Flüchtlinge und Asylsuchende
Im Juli 2008 wurden zwei Präsidialerlasse bezüglich des Verfahrens zur Feststellung des Flüchtlingsstatus sowie Normen für die Anerkennung als Flüchtling bekanntgegeben. Der Inhalt beider Erlasse konnte die von Menschenrechts- und anderen Organisationen geäußerten Besorgnisse nicht vollständig ausräumen. Der Präsidialerlass 90/2008 sieht Rechtshilfe im Antragsstadium nur dann vor, wenn der Asylantrag abgelehnt wurde. Die Rechtsmittelverfahren bei abgelehnten Anträgen sind nicht unabhängig, da das Berufungskomitee den Status eines Beratungsgremiums für den Innenminister beibehält. Der Zugang von Rechtsanwälten zu den Fallakten und ihren inhaftierten Klienten ist eingeschränkt. Asylanträge müssen persönlich eingereicht werden, wodurch einige Asylsuchende dem Risiko einer Festnahme ausgesetzt sind. Die Anträge müssen unmittelbar bei der Einreise ins Land gestellt werden. Besondere Vorkehrungen, die den Zugang zum Asylverfahren für bei ihrer Ankunft verhaftete Personen sicherstellen, sind nicht vorgesehen. Asylantragsteller dürfen bis zu 60 Tage inhaftiert werden. Der Präsidialerlass 96/2008 beinhaltet die Richtlinien für den Schutz von Flüchtlingen und den Schutz aus humanitären Gründen, der Personen gewährt wird, die nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden. Die Ausschlusskriterien für subsidiären humanitären Schutz beinhalten Delikte, die mit einer dreimonatigen Haftstrafe belegt werden.
Im April berichtete das lokale Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR), dass der Zugang Minderjähriger zum Flüchtlingsschutz willkürlich gewährt werde und die zur Verfügung gestellten Informationen über das Asylverfahren unzureichend seien. Der UNHCR stellte auch fest, dass das Alter bei der Priorisierung von Anträgen keine Rolle spiele. Der UNHCR-Bericht forderte ein Ende der Verwaltungshaft für Minderjährige.
- Im Oktober 2008 sollen 160 unbegleitete Migrantenkinder, von denen einige wahrscheinlich Asylsuchende waren, im Haftzentrum Pagani auf der Insel Lesbos unter erniedrigenden, menschenunwürdigen und gesundheitsschädlichen Bedingungen festgehalten worden sein. Die Inhaftierten schliefen auf dem Boden, der wegen der defekten Rohrleitungen ständig überschwemmt war, und durften nicht nach draußen gehen. In dem für 300 Häftlinge ausgelegten Zentrum befanden sich 830 Personen, darunter Mütter mit Babys und mindestens eine Schwangere. Der Zugang zu Rechtsanwälten und NGOs war eingeschränkt.
Folter und andere Misshandlungen
2008 soll es zu Misshandlungen von Häftlingen durch die Polizei gekommen sein. Hiervon besonders betroffen waren Migranten und Angehörige von Randgruppen.
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Migranten, die auf der Insel Samos an Land gingen, sollen von Beamten der Küstenwache nach ihrer Festnahme am 7. Juli 2008 misshandelt worden sein. Die Migranten sagten, dass sie auf dem Boot der Küstenwache geohrfeigt, mit Fäusten traktiert und getreten worden seien. Einem Migranten soll ein Beamter Sonnencreme in den Rachen geschüttet haben, während ein anderer Migrant am Haar gepackt und mit dem Kopf gegen eine Seite des Bootes gestoßen worden sei. Das Trommelfell eines dritten Migranten soll infolge von Ohrfeigen geplatzt sein. Die Untersuchung dieser Vorwürfe war Ende 2008 noch nicht abgeschlossen. Die im Oktober 2007 angeordnete Untersuchung der Misshandlungen von Migranten auf der Insel Chios war 2008 noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen.
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Am 26. Oktober 2008 griffen Polizeibeamte vor der Zentralen Ausländer- und Asylbehörde in Athen eine wartende Menge von Asylsuchenden an, die ihre Anträge stellen wollten. Nach Aussage der in Athen ansässigen Vereinigung der Rechtsanwälte für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten töteten die Beamten dabei einen Mann und verletzten etliche weitere Personen. Die Behörde soll es in den vorausgegangenen zwei Monaten abgelehnt haben, Anträge entgegenzunehmen.
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Ein Angehöriger der Roma, der am 19. Juni 2008 inhaftiert worden war, sagte aus, dass er auf der Polizeiwache Aharnon mehrere Stunden lang geschlagen worden sei.
- Am 16. Oktober 2008 wurden drei Polizeibeamte von der Beschwerde- und Disziplinarbehörde der Polizei zu Geldstrafen verurteilt und für bis zu sechs Monate vom Dienst suspendiert, weil sie den zyprischen Studenten Avgoustinos Demetriou am 17. November 2006 in Thessaloniki geschlagen hatten. Demetriou war durch die Schläge schwer verletzt worden. Vier Polizeibeamte, die den Vorfall mit angesehen, sich aber nicht an den Misshandlungen beteiligt hatten, wurden freigesprochen.
Im Februar wurde der Bericht über den 2007 erfolgten Griechenlandbesuch des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlicht. Der Bericht stellte eine schwerwiegende Verletzung der Artikel 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest, die das Verbot der Folter und die Achtung der Privatsphäre beinhalten. Das CPT berichtete über unmenschliche und erniedrigende Bedingungen in einigen Grenzposten und zahlreiche Misshandlungsvorwürfe. Ferner hieß es, das Recht inhaftierter Migranten auf Zugang zu einem Rechtsanwalt sowie das Recht darauf, dass die Familie über die Festnahme informiert wird, würden nicht beachtet. Der Zugang zu medizinischer Versorgung war eingeschränkt. Das CPT stattete Griechenland vom 23. bis 29. September 2008 einen zweiten Ad-hoc-Besuch ab.
Menschenhandel
Am 23. Mai 2008 hob das Berufungsgericht von Athen das Urteil gegen einen Mann, der wegen Menschenhandels und Erpressung zu 19 Jahren Haft verurteilt worden war, wieder auf und reduzierte das Strafmaß auf sieben Jahre Haft wegen Menschenschmuggels. Dies war einer der ersten Fälle, die unter ein neues Gesetz gegen Menschenhandel fielen. Prozessbeobachter zeigten sich besorgt über die Nachsicht des Gerichts gegenüber rassistischen und abwertenden Bemerkungen seitens der Verteidigung. Außerdem beanstandeten sie, dass die Dolmetscher die Aussagen der Opfer, die u.a. über Folter durch die Menschenhändler berichteten, nicht korrekt wiedergaben.
Es wurde eine Kampagne gestartet mit dem Ziel, die Rechte der Opfer von Menschenhandel zu schützen. Die Regierung wurde aufgefordert, die Menschenhandelskonvention des Europarats zu ratifizieren und die Gesetzgebung dahingehend zu verbessern, dass Opfer nicht kriminalisiert werden.
Arbeitnehmerrechte
- Am 23. Dezember 2008 verübten unbekannte Personen auf die Bulgarin Konstantina Kouneva, Generalsekretärin der Gewerkschaft der Reinigungskräfte und Hausangestellten von Attika, in Athen einen Schwefelsäure-Anschlag. Die Gewerkschafterin erlitt zahlreiche schwere Verletzungen und lag Ende 2008 noch auf der Intensivstation des Krankenhauses. Die polizeiliche Untersuchung soll unzureichend gewesen sein, da sie sich auf das private Umfeld von Konstantina Kouneva beschränkt und ihre Gewerkschaftsaktivitäten nicht berücksichtigt habe.
Haftbedingungen
Im Oktober und November 2008 kam es landesweit zu Protesten von Gefängnisinsassen gegen die Haftbedingungen. Die Beschwerden richteten sich gegen überfüllte Zellen, unzureichende Sanitäreinrichtungen, Misshandlungen, ergebnislose Untersuchungen von Todesfällen in Gewahrsam, disziplinarische Strafmaßnahmen und Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Kommunikation. Am 3. November begannen Häftlinge im ganzen Land einen Hungerstreik. Eine Woche später berichtete die Initiative für Häftlingsrechte, dass 3311 Gefangene im Hungerstreik seien und Tausende andere Häftlinge das Essen verweigert hätten. Unter den Hungerstreikenden befanden sich 17 in der Stadt Trikala Inhaftierte, die sich die Lippen zugenäht hatten, sowie Kinder in Jugendhaftanstalten. Die Initiative für Häftlingsrechte berichtete über Beschwerden wegen Einschüchterungen der Hungerstreikenden durch Gefängniswärter.
Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen
Am 20. Mai 2008 wurde der Kriegsdienstverweigerer Lazaros Petromelidis in Abwesenheit aufgrund von zwei Anklagen wegen Gehorsamsverweigerung vom Marinegericht von Piräus zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Dies war sein 15. Prozess wegen gleichlautender Anklagen. Ein Haftbefehl wurde erlassen, so dass er Gefahr lief, wegen seiner Überzeugung inhaftiert zu werden.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Im März urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass in zwei Fällen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der sich auf das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit bezieht, verletzt wurde. Betroffen waren die Fälle "Emin und andere gegen Griechenland" und "Tourkiki Enosi Xanthis und andere gegen Griechenland". Es handelt sich hierbei um Zusammenschlüsse von Angehörigen einer Minderheitengemeinschaft. Dem "Kulturverein Türkischer Frauen von Rhodopien" war die Registrierung verweigert worden, weil der Vereinsname das Wort "Türkisch" enthielt. Die "Türkische Union von Xanthi" war 1986 aus demselben Grund aufgelöst worden. In den Fällen "Alexandridis gegen Griechenland" und "Avgi Publishing and Press Agency S. A. & Karis gegen Griechenland" urteilte der Europäische Gerichtshof im Februar bzw. Juni, dass die Rechte auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 9) und das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10) verletzt worden seien.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen
Am 3. Juni 2008 nahm der Bürgermeister der Insel Tilos die ersten gleichgeschlechtlichen Trauungen vor. Die Eheschließungen wurden vom Justizminister für ungültig erklärt, und die Regierung stellte einen Annullierungsantrag. Dies löste im September Proteste aus.
Amnesty International: Berichte
Greece: Lazaros Petromelidis repeatedly convicted for his beliefs (EUR 25/003/2008) Greece: Failing system of police accountability (9 December 2008) Greek police use punitive violence against peaceful demonstrators (11 December 2008)