Amnesty Report 25. Mai 2009

Eritrea 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Staat Eritrea Staats- und Regierungschef: Isayas Afewerki Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 5 Mio. Lebenserwartung: 56,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 79/72 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 60,5%

Oppositionsparteien, nicht eingetragene Religionsgemeinschaften und praktisch jegliche zivilgesellschaftliche Betätigung waren nach wie vor verboten. Bis zu 1200 eritreische Asylsuchende, die aus Ägypten und aus anderen Ländern nach Eritrea abgeschoben worden waren, wurden bei ihrer Ankunft festgenommen. Darüber hinaus blieben Tausende gewaltlose und andere politische Gefangene, die seit Jahren in den Gefängnissen festgehalten werden, in Haft. In den Gefängnissen herrschten miserable Haftbedingungen. Wer als Dissident galt, desertierte, sich der Einberufung entzog oder die Regierung kritisierte, wurde bestraft und schikaniert. Das galt auch für die Angehörigen der Betroffenen. Die Regierung wies jegliche Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zurück.

Hintergrund

Auch 2008 war fast die Hälfte der Bevölkerung, darunter mehr als 85000 Kinder, unterernährt und auf Lebensmittelhilfe aus dem Ausland angewiesen. Obwohl Äthiopien im Grenzkonflikt mit Eritrea den Schiedsspruch der internationalen Grenzkommission nicht in die Praxis umsetzte, lief deren Mandat im Oktober 2008 aus; der UN-Sicherheitsrat zog die UN-Mission in Äthiopien und Eritrea (UNMEE) ab. Damit zog er die Konsequenzen aus der Behinderung der Arbeit der UNMEE durch Eritrea an der Grenze zwischen den beiden Ländern.

Im Zeitraum Februar bis April 2008 zog Eritrea in dem seit langem umstrittenen Gebiet Ras Doumeira an der Grenze zu Dschibuti Streitkräfte zusammen. Dschibuti beschuldigte das Nachbarland, territoriale Ansprüche auf dschibutisches Gebiet zu erheben. Im Juni kam es zu kleineren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern, bei denen mindestens 35 Soldaten getötet und 50 verletzt worden sein sollen.

Eritrea erlaubte dem Asmara-Flügel des Bündnisses für die Wiederbefreiung von Somalia (Alliance for the Re-Liberation of Somalia – ARS), bei dem es sich um die Abspaltung eines von Dschibuti aus operierenden ARS-Flügels handelte, den Aufenthalt auf seinem Staatsgebiet. Eritrea war Durchgangsland für Waffen und Munition, die auf Waffenmärkten in Somalia verkauft wurden und lieferte auch selbst Waffen an Somalia.

Nach wie vor waren im Exil befindliche Oppositionsparteien aus Eritrea in Äthiopien sowie in anderen Staaten Afrikas, Europas und in Nordamerika aktiv.

Religionsfreiheit

Mehr als 2000 Mitglieder von nichtregistrierten Minderheitenkirchen, darunter Pfingstkirchen und evangelikale Religionsgemeinschaften, die seit 2002 verboten waren, blieben ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft. Viele wurden 2008 festgenommen. Auch einige Kritiker, die den erlaubten Konfessionen, wie dem Islam und der eritreisch-orthodoxen Kirche angehörten, blieben inhaftiert. Amnesty International betrachtet alle, die einzig und allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder Religionsausübung in Haft genommen werden, als gewaltlose politische Gefangene.

  • Der im Januar 2006 festgenommene Patriarch (Abune) der eritreisch-orthodoxen Kirche, Antonios, wurde nach wie vor in geheimer Haft festgehalten. Er hatte Kritik an der Einmischung der Regierung in kirchliche Angelegenheiten sowie an der Festnahme von drei orthodoxen Priestern geübt und zunächst unter Hausarrest gestanden. Man ersetzte ihn durch einen von der Regierung ernannten Patriarchen. Obwohl der Gesundheitszustand von Patriarch Antonios weiterhin schlecht war, soll man ihm die Medikamente zur Behandlung seiner Diabetes verweigert haben.

  • Am 13. und 14. August 2008 nahmen Soldaten in der Hauptstadt Asmara und in anderen Städten mindestens 40 muslimische Geistliche und Studenten der ethnischen Gruppe der Saho fest. Sie wurden ohne Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten und ohne formelle Anklageerhebung in Haft gehalten und liefen Gefahr, gefoltert zu werden.

  • Auch der im Oktober 2007 festgenommene Pastor Ogbamichael Teklehaimanot der Kale-Hiwot-Kirche blieb in Haft. Er hatte zuvor im Ausbildungszentrum der Armee in Sawa zehn Monate in Einzelhaft zugebracht und Zwangsarbeit verrichten müssen.

  • Im Februar 2008 wurden zehn Mitglieder der Full-Gospel-Kirche, die fünf Jahre im Gefängnis gesessen hatten, freigelassen.

Gewaltlose und andere politische Gefangene

Die Regierung tolerierte keine friedlichen Äußerungen abweichender Meinungen und beschränkte die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Angehörige von Gefangenen sagten, dass bei sämtlichen Kontakten mit dem Ausland die Gefahr bestehe, dass diese von der Regierung kontrolliert würden und Sanktionen nach sich zögen. Dadurch sei es noch schwerer, das Schicksal bestimmter Gefangener zu verfolgen, vor allem derjenigen, die sich in geheimer Haft befinden sollen.

Es wird vermutet, dass politische Gefangene, die seit 2001 oder noch länger inhaftiert sind und denen man vorwirft, bewaffnete Oppositionsgruppen wie die Eritreische Befreiungsfront (Eritrean Liberation Front – ELF) zu unterstützen, nach wie vor ohne formelle Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren festgehalten werden. Unter den gewaltlosen politischen Gefangenen befanden sich Menschen, die sich der Einberufung entzogen hatten, Fahnenflüchtige und nach Eritrea abgeschobene abgelehnte Asylbewerber.

  • Hunderte ehemalige Mitarbeiter der Regierung, unabhängige Journalisten und Beamte, die im September 2001 festgenommen wurden, sollen nach mehr als sieben Jahren noch immer ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert sein. Darunter befinden sich elf ehemalige Minister und Veteranen, die festgenommen wurden, weil sie die Regierung zu Reformen aufgerufen hatten. Einige Gefangene sollen zwischenzeitlich wegen der schlechten Haftbedingungen in der Haft gestorben sein.

  • Aster Yohannes, die Ehefrau des gewaltlosen politischen Gefangenen Petros Solomon, war nach wie vor ohne formelle Anklage in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt. Als sie 2003 aus den USA zurückgekehrt war, um ihre Kinder zu besuchen, hatte man sie festgenommen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Unabhängige oder private Medien waren verboten. Eine private Presse gibt es bereits seit 2001 nicht mehr.

Zehn Journalisten, die 2001 festgenommen worden waren, befanden sich weiterhin ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Nach unbestätigten Berichten soll mindestens einer von ihnen, Fessayahe Yohannes ("Joshua"), im Januar 2007 in der Haft gestorben sein. Fragen nach ihm ließ die Regierung unbeantwortet.

  • Weil er versucht hatte, über die Grenze nach Äthiopien zu gelangen, musste der Journalist Daniel Kibrom, der für den staatlichen Fernsehsender Eri TV gearbeitete hatte, fünf Jahre Zwangsarbeit leisten. Er war im Oktober 2006 in einem Gefangenenlager interniert worden.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Seit November 2007 schoben Ägypten, Sudan, Deutschland, Schweden und Großbritannien eritreische Flüchtlinge und Asylbewerber ab. Bei den Abschiebungen wurde nicht nur das Schicksal früherer Abgeschobener ignoriert, die willkürlich festgenommen und gefoltert worden waren, sondern auch die Empfehlung des Büros des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR), abgelehnte Asylbewerber grundsätzlich nicht nach Eritrea abzuschieben, da die Menschenrechte dort in erheblichem Maße verletzt werden.

  • Im ersten Halbjahr 2008 führte Ägypten eine Massenabschiebung nach Eritrea durch. Bis zu 1200 eritreische Asylbewerber, die aus Ägypten und anderen Ländern nach Eritrea abgeschoben worden waren, wurden dort bei ihrer Ankunft festgenommen. Es bestand die akute Gefahr, dass sie gefoltert und auf andere Weise misshandelt werden könnten. Einige Schwangere und Frauen mit Kindern wurden nach ein paar Wochen in Haft auf freien Fuß gesetzt, die meisten wurden Berichten zufolge jedoch in das entlegene Wia-Gefängnis und in andere Einrichtungen des Militärs gebracht. Ende des Jahres wurden sie dort noch immer gefangen gehalten. Ende Dezember 2008 führten die ägyptischen Behörden mehr als weitere 20 Asylbewerber nach Eritrea zurück, mehreren Hundert drohte nach wie vor die Abschiebung aus Ägypten.

  • Am 14. Mai 2008 schoben deutsche Ausländerbehörden die Asylbewerber Yonas Haile Mehari und Petros Aforki Mulugeta gegen ihren Willen nach Eritrea ab. Beide wurden bei der Ankunft festgenommen und inhaftiert. Yonas Haile Mehari wurde ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Auch in ihrem Fall war die Gefahr sehr groß, dass sie gefoltert und auf andere Weise misshandelt werden könnten.

  • Ungefähr 700 eritreische Staatsbürger, die aus Eritrea in den Sudan und dann nach Libyen geflüchtet waren, unter ihnen 60 Frauen und 30 Kinder, wurden in Hafteinrichtungen in Mistarah und in anderen Orten in Libyen festgehalten. Ihnen drohte ebenfalls die Abschiebung.

Militärdienst

Der nationale Wehrdienst ist für Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren und für Frauen im Alter von 18 bis mindestens 27 Jahren obligatorisch. Er dauert eigentlich 18 Monate – sechs Monate davon sind Dienst an der Waffe, und häufig muss auch Zwangsarbeit geleistet werden – und ist auf unbestimmte Zeit verlängerbar. Auch nach Beendigung ihres Wehrdienstes können Männer und Frauen als Reservisten eingesetzt werden. Der überwiegende Teil der erwachsenen Bevölkerung war im nationalen Wehrdienst gebunden. In einer Schule in Sawa wurden einige 17-Jährige gezwungen, sich für den Wehrdienst im nächsten Jahr einzuschreiben. Sie erhielten keine Ausreisegenehmigungen, weil man verhindern wollte, dass sie das Land verließen. Übliche Bestrafungsmethoden für Menschen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sind Gefängnis und die Fesselung in schmerzhaften Positionen. Die von Militärkommandanten angeordnete Haft kann auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen sind vom Militärdienst nicht ausgenommen.

Folter und andere Misshandlungen

Die Haftbedingungen in Eritrea blieben hart. Gefangene wurden regelmäßig gefoltert oder auf andere Art misshandelt. Übliche Bestrafungsmethoden der vergangen Jahre sind die Fesselung in schmerzhaften Positionen wie der "Acht" und dem sogenannten Hubschrauber. Bei anderen Methoden werden die Gefangenen stundenlang der Sonne ausgesetzt oder in überfüllten Schiffscontainern zusammengepfercht, in denen extreme Temperaturschwankungen herrschten. Viele Gefangene waren in geheimen Gefängnissen eingesperrt, einige auch in Sicherheitsgefängnissen, z.B. dem Karchele-Gefängnis in Asmara. Viele wurden auch in überfüllten unterirdischen Zellen ohne Tageslicht festgehalten. Die hygienischen Zustände dort waren prekär, es war feucht und es gab weder sauberes Trink- noch Waschwasser. Die Gefangenen waren unterernährt und bekamen nur schmutziges Wasser zu trinken. Eine medizinische Versorgung gab es praktisch nicht.

  • Wie aus eritreischen Quellen hervorging, soll der muslimische Anführer und Mitbegründer der ELF, Taha Mohammed Nur, im Februar 2008 im Gefängnis gestorben sein.

  • Teklesenbet Gebreab Kiflom, Mitglied der evangelikalen Full-Gospel-Kirche, soll im Oktober 2008 im Militärgefängnis Wia gestorben sein, nachdem man ihm eine Behandlung seiner Malariaerkrankung verweigert hatte. Wie es in Berichten hieß, starb der evangelikale Christ Azib Simon im Juni unter ähnlichen Umständen.

Amnesty International: Berichte

Egypt: Deadly Journey through the Desert (MDE 12/015/2008)

Eritrea: Prisoners of conscience remembered on 7th anniversary of mass detentions (AFR 64/007/2008)

Egypt: Amnesty International calls for President to stop flights to possible torture in Eritrea (MDE 12/014/2008)

Libya: Amnesty International warns against deportations of Eritreans (MDE 19/007/2008)

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