Blog 24. Mai 2012

Unsere starken Seiten

"Wer die Welt verändern will, muss sie kennen": Der Amnesty Report 2012 informiert über die Lage der Menschenrechte in 155 Ländern.

Am 24. Mai hat Amnesty International weltweit den Amesty Report 2012 veröffentlicht. Der Bericht beleuchtet die Lage der Menschenrechte in 155 Ländern. Seit vier Jahren bin ich in der deutschen Amnesty-Sektion für die Übersetzung verantwortlich. Das ist immer wieder ein hartes Stück Arbeit. Doch sie lohnt sich. Denn wer die Welt verändern will, muss sie kennen.

Birgit Stegmayer arbeitet seit 1992 in der Abteilung "Kampagnen und Kommunikation" der deutschen Amnesty-Sektion. Sie ist Übersetzerin und koordiniert seit 2008 die deutsche Ausgabe des Amnesty Reports. Außerdem ist sie gemeinsam mit Mascha Rohner für die Kampagnenarbeit zu den Urgent Actions zuständig.

 

Jetzt liegt er endlich vor mir auf dem Schreibtisch - der Amnesty Report 2012 auf Deutsch!

Doch bis es soweit war, war es ein hartes Stück Arbeit. Denn die deutsche Übersetzung erschien am 24. Mai gleichzeitig mit dem englischen Original – und den Übersetzungen ins Französische, Spanische, Russische, Japanische und viele anderen Sprachen.

Damit der Jahresbericht auch pünktlich in Deutschland erscheint, sind viele Arbeitsstunden und Abstimmungen über Ländergrenzen hinweg nötig. Doch der Einsatz lohnt sich. Denn wer die Welt verändern will, muss sie kennen.

Die Stärke von Amnesty International liegt im freiwilligen Engagement seiner zahlreichen Mitglieder und der unabhängigen Recherche-Arbeit der Amnesty-Experten. Weltweit recherchieren und dokumentieren Amnesty-Mitarbeiter Menschenrechtsverletzungen und bringen sie ans Licht der Öffentlichkeit. Amnesty funktioniert wie eine große Datenbank des Wissens. Mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu informieren und für den Einsatz für die Menschenrechte zu mobilisieren, wird das Wissen über verschiedene Kanäle ständig nach außen getragen.

Unsere wichtigste Publikation ist der Amnesty Report. 1962, ein Jahr nach der Gründung der Organisation, veröffentliche Amnesty zum ersten Mal einen Bericht, in dem 210 gewaltlose politische Gefangene aus verschiedenen Ländern vorgestellt wurden. Seitdem gibt Amnesty jedes Jahr einen Bericht über die weltweite Lage der Menschenrechte heraus.

Der aktuelle Amnesty Report 2012 informiert auf über 570 Seiten über die Lage der Menschenrechte in 155 Ländern.

Die Öffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen informieren: Vorstellung des Amnesty Reports 2012 auf der Pressekonferenz in Berlin am 23. Mai 2012.

Die Arbeit in unserem Team hat am 6. Dezember 2011 begonnen, als die ersten englischen Kapitel für den Amnesty Report aus dem Internationalen Sekretariat in London zur Übersetzung eintrafen. 30 Länderkapitel, darunter Argentinien, Venezuela, Jordanien und Saudi-Arabien. Dass in diesen Ländern noch einiges passieren konnte bis Jahresende, davon mussten wir ausgehen. Also waren Anfang 2012 noch Ergänzungen und Aktualisierungen aus London zu erwarten.

Trotzdem mussten wir mit den Übersetzungen beginnen, denn das gesamte Manuskript - also alle 155 Länderkapitel und die fünf Essays zu den Weltregionen - musste bis zum 23. Februar beim Verlag vorliegen. Die ersten 30 Kapitel leitete ich sowohl an das Übersetzungsteam als auch zur Kontrolle an die ehrenamtlichen Experten der Amnesty-Ländergruppen weiter. Dann lief die Maschinerie an: Fragen der Übersetzerinnen und Übersetzer, Korrekturen und Updates aus London, Lektorieren der Übersetzungen, neue Kapitel aus London kurz vor Weihnachten und auch danach. Aber unsere Übersetzerinnen und Übersetzer scheuten die Feiertagsarbeit nicht, denn sie wussten: jetzt muss alles ganz schnell gehen.

Dabei darf aber natürlich die Qualität nicht auf der Strecke bleiben. Verschwand Iván Millacura wirklich schon 1993, wie’s im englischen Argentinien-Kapitel heißt, oder war es erst 2003, wie eine der Übersetzerinnen glaubt? Diese Frage leitete ich an meine Ansprechpartnerin in London weiter. Sie erfuhr vom Verfasser des Kapitels, dass es tatsächlich 2003 heißen muss. Die Korrektur wurde umgehend an das internationale Übersetzungsteam weitergeleitet.

Und das ist das Besondere an diesem Projekt: Wir arbeiten sehr eng auf internationaler Ebene zusammen und kennen uns mittlerweile wirklich gut. Der internationale Charakter von Amnesty wird hier sehr deutlich.

Manchmal lieferten wir uns sogar kleine Wettbewerbe: Wer von uns hatte als erste entdeckt, dass es im China-Kapitel der Fehlerteufel aus Chen Guangcheng "Chihi Tehreen" gemacht hat? Oder wir stöhnten gemeinsam auf, als das Dänemark-Kapitel, das Ende Dezember schon fertig übersetzt und lektoriert war, im Januar, im Februar und sogar noch einmal im März von London überarbeitet wurde.

Das Dokument, in dem eine engagierte Kollegin in London alle Fragen der Übersetzer aus den verschiedenen Ländern und sämtliche Korrekturen und Ergänzungen in den englischen Originaltexten zusammengestellt hat, umfasste am Ende des Projekts am 2. März insgesamt 238 Seiten. Mein Rechner hat sich manchmal sogar "geweigert", dieses Dokument zu öffnen.

Am 20. Februar 2012 schickten wir dann die ersten 50 Länderkapitel an den S. Fischer Verlag, in dem die deutsche Übersetzung des Amnesty Reports erscheint. Auch das Dänemark-Kapitel schickten wir mit – vielleicht etwas voreilig. Aber letztendlich gelang uns auch in diesem Fall, die nachträglichen Korrekturen noch rechtzeitig einzufügen. Angesichts der umfangreichen Korrekturen räumte uns der Verlag noch ein paar Tage mehr für das Manuskript ein und unterstützte uns bei der Eingabe, so dass die Texte tatsächlich Anfang März in die Setzerei geschickt werden konnten – noch vor der spanischen und französischen Ausgabe. Diesmal haben wir gewonnen!

Möglich war das nur, weil wir mit einem engagierten Team von Übersetzerinnen und Übersetzern und Lektorinnen zusammen gearbeitet habe. Jetzt konnte ich kurz durchatmen, aber fertig war das Buch damit noch nicht. Die Druckfahnen kamen am 20. März vom Verlag zur Kontrolle zurück. Und das Vorwort des internationalen Amnesty-Generalsekretärs Salil Shetty, das Anfang März eingegangen war, musste noch übersetzt werden. Auch für diese Arbeit blieb uns nicht viel Zeit. Also las ich die Druckfahnen oft noch bis in den späten Abend und fügte die letzten Londoner Korrekturen in die Texte ein.

Der internationale Generalsekretär von Amnesty International: Salil Shetty.

Als Bettlektüre eignet sich der Report allerdings nicht, stelle ich immer wieder fest. Manche der beschriebenen Menschenrechtsverletzungen sind wirklich sehr belastend. Doch sie müssen dokumentiert werden, damit wir die Öffentlichkeit informieren und für den Schutz der Menschenrechte mobilisieren können.

Uns ist es besonders wichtig, dass wir zu guter Letzt noch einen Anhang für das Buch gestalteten, der das Jahr positiv abschließt und auf die Erfolge der Amnesty-Arbeit und die großartigen Menschen verweist, die das Jahr 2011 geprägt haben. Wie zum Beispiel der Mexikaner Abel Barrera, der im Mai 2011 für seinen Einsatz für die indigene Bevölkerung im Bundesstaat Guerrero mit dem Menschenrechtspreis der deutschen Amnesty-Sektion ausgezeichnet wurde.

Abel Barrera ist einer von vielen Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern, über deren mutiges Engagement der Amnesty Report 2012 berichtet.

Denn der Amnesty Report macht nicht nur auf die Zwangslage derer aufmerksam, die sich Menschenrechrsverletzungen ausgesetzt sahen. Sondern er würdigt auch gleichzeitig die Arbeit derjenigen, die unermüdlich für Menschenwürde und Menschenrechte eintreten.

 

Amnesty International Report 2012 zur weltweiten Lage der Menschenrechte

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