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"Wir haben alles verloren"
Schwierige Lebensbedingungen: Sudanesische Geflüchtete in Adre, Tschad, April 2023
© Amnesty
Im April brachen im Sudan Kämpfe zwischen rivalisierenden Truppen aus, die bis heute anhalten. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Der Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Ahmed Abdelmoneim, der bereits in den neunziger Jahren politisch verfolgt wurde, floh mit seiner Familie nach Ägypten.
Interview: Martina Liedke
Wie haben Sie die Kämpfe in Khartum erlebt?
Ich lebte mit meiner Familie in unserer Wohnung im Stadtteil Bahri/Shambat, der besonders stark von heftigen Kämpfen und Luftangriffen betroffen war. Es gab weder Wasser noch Strom, beides wurde absichtlich abgeschaltet. Nach 15 Tagen gelang es uns, in das Haus meines Vaters zu ziehen, das in einem anderen Stadtteil liegt. Nachdem wir unsere Wohnung verlassen hatten, wurde sie von kriminellen Banden ausgeraubt. Wir haben dadurch alles verloren.
Wie war die Lage, als Sie die Stadt verlassen haben?
Die Lage in der Stadt war katastrophal. Wir sahen Leichen auf den Straßen. Es gab keine Polizeikräfte vor Ort. Krankenhäuser, Schulen und andere Einrichtungen wurden bombardiert oder in Militärbasen umgewandelt. In den ersten zwei Wochen des Krieges gab es nicht genug Lebensmittel, und die Preise vervielfachten sich. Die Menschen wurden an Kontrollpunkten in der Stadt verhört, misshandelt und häufig von Banden ausgeraubt, die mit den beiden Konfliktparteien zusammenarbeiten.
Gab es Hilfe und Unterstützung für Flüchtlinge?
Wir haben auf unserer Flucht keine internationalen Hilfsmaßnahmen gesehen, sondern nur begrenzte lokale Wasser- und Lebensmittellieferungen. Im Osten des Landes wurden Hilfsgüter aus dem Ausland leider schon auf den Märkten verkauft. Es gab kaum kostenlose Transportmöglichkeiten. Im Gegenteil: Die Beförderungskosten innerhalb der Hauptstadt und in andere Städte des Landes waren extrem hoch. Viele Menschen mussten ihre gesamten Ersparnisse aufwenden, um das Kriegsgebiet zu verlassen.
Wie ist die Lage in anderen Städten?
Die Lage in Medani, Port Sudan und Halfa ist ebenfalls sehr schwierig. Dort gibt es zwar keine militärischen Angriffe, aber der Krieg in Khartum wirkt sich auch hier aus. Die Preise für Unterkünfte sind stark gestiegen. Wir haben diese Städte auf unserer Flucht nach Ägypten durchquert und haben viele Familien gesehen, die auf der Straße leben, ohne Toiletten und frisches Wasser. Sie sind Ausbrüchen von Krankheiten schutzlos ausgeliefert. In Port Sudan leben Tausende Flüchtlinge unter sehr schlechten Bedingungen und warten darauf, das Land zu verlassen, nicht nur Menschen aus dem Sudan, sondern auch aus Syrien und dem Jemen. Als ich dort war, starben viele Kinder an einem Hitzschlag.
Sie sind jetzt mit Ihrer Familie in Ägypten. Wie ist die Situation dort?
Die Menschen aus dem Sudan leben in Kairo unter schwierigen Bedingungen. Die meisten haben während des Krieges und der langen, sehr teuren Flucht alles verloren. Ich habe außer der sudanesischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Wir warten jetzt darauf, dass die deutsche Botschaft uns Dokumente ausstellt, damit wir nach Deutschland weiterreisen und uns dort niederlassen können. Ich hoffe, dass dies nicht lange dauern wird.
HINTERGRUND
Von Marie Gorgis und Alexandra Mankarios
Seit April erschüttert ein militärischer Machtkampf den Sudan. Mehr als drei Millionen Menschen sind nach UN-Angaben innerhalb des Landes auf der Flucht, mehr als 925.000 sind in Nachbarstaaten geflohen. Für viele ist es nicht die erste Fluchterfahrung: Seit 2003 verloren 4,5 Millionen Sudanes*innen aufgrund von Konflikten und Bürgerkrieg ihre Heimat.
Die humanitäre Situation und die Menschenrechtslage sind katastrophal, die Menschen benötigen Wasser, Lebensmittel, Medikamente, Schutz vor Gewalt. Amnesty hat in einem Bericht mit dem Titel "Death Came To Our Home" vorsätzliche und wahllose Angriffe auf Zivilpersonen, sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen, ethnisch bedingte Gewalt, gezielte Angriffe auf zivile Objekte wie Krankenhäuser und Kirchen sowie Plünderungen dokumentiert. "Überall im Sudan erlebt die Zivilbevölkerung täglich unvorstellbare Gräuel, weil die Konfliktparteien rücksichtslos um die territoriale Kontrolle kämpfen", sagte Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Die Menschen sind nirgendwo sicher."
Hintergrund des militärischen Konflikts ist ein Machtkampf zwischen der sudanesischen Armee unter General Abdel Fattah Al-Burhan und den Rapid Support Forces (RSF), einer 100.000 Mann starken Miliz unter der Führung von Mohammed Hamdan Dagalo. Al-Burhan war seit 2019 De-facto-Staatsoberhaupt im Sudan. Anstatt, wie angekündigt, den Übergang zur Demokratie vorzubereiten, putschte er 2021 gemeinsam mit Dagalo. Seither wurde das Land von einer Militärjunta regiert – mit Al-Burhan an der Spitze und Dagalo als seinem Stellvertreter. Nach monatelangen Spannungen brach im April ein offener Kampf zwischen Al-Burhan und Dagalo aus. Den Preis dafür zahlt die Zivilbevölkerung.
Auf Unterstützung können die Opfer der Gewalt kaum hoffen – es herrscht völlige Straflosigkeit. Amnesty fordert die Einrichtung eines internationalen und unabhängigen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus, der schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Rechts im Sudan überwachen und dokumentieren soll. Die Konfliktparteien müssen ihre Gewalttaten einstellen, den Zugang zu humanitärer Hilfe und medizinischer Versorgung ermöglichen und denjenigen, die fliehen wollen, sicheres Geleit gewähren. Die an den Sudan grenzenden Länder müssen sichere Fluchtwege bereitstellen und ihre Einreisebeschränkungen aufheben.