Amnesty Journal Korea (Süd) 04. Dezember 2017

Die Waffen nieder

Kriegsdienstverweigerer Moon Myungjin

Kriegsdienstverweigerer Moon Myungjin.

Weil er den Kriegsdienst verweigerte, musste Moon Myungjin in Seoul ins Gefängnis. Nun setzt sich der Südkoreaner für die Abschaffung der Wehrpflicht ein.

Von Lena Khalifa

Es war ein kalter Dezembertag, als Moon Myungjin 2010 vor dem Verteidigungsministerium in Seoul ankündigte, den Kriegsdienst zu verweigern. "Kein Lebewesen verdient es, ­getötet zu werden", sagte er vor Freunden und Gesinnungsgenossen. Südkorea und seine Nachbarstaaten sollten die Aufrüstung stoppen, von der nur politische Eliten und die Rüstungsindustrie profitierten. "Meine Kriegsdienstverweigerung ist das Mindeste, was ich tun kann, um gegen diesen Teufelskreis aus Gewalt Stellung zu beziehen."

Noch am selben Abend feierte Moon Myungjin seinen Beschluss, den obligatorischen Wehrdienst nicht abzuleisten, im Kreise seiner Unterstützerinnen und Unterstützer – obwohl klar war, dass die Behörden ihn nicht ungestraft davonkommen lassen würden: Gut hundert Tage später, am 30. März 2011, wurde er wegen Kriegsdienstverweigerung verurteilt und inhaftiert. Das Land mit seinen fünfzig Millionen Einwohnern unterhält eine Armee von 650.000 Männern und Frauen – die fünftgrößte der Welt. Zwischen 21 und 24 Monate beträgt die Wehrpflicht, nur zwei Prozent jedes Jahrgangs werden ausgemustert. Als Alternative bleibt nur die 18-monatige Gefängnisstrafe.

Die nahm auch Moon Myungjin in Kauf, der in einem längeren Prozess zu dem Entschluss gekommen war, dass der Dienst an der Waffe nichts für ihn sei. Erste Gedanken machte er sich bei Protesten gegen den amerikanischen Einmarsch im Irak 2003, an dem auch südkoreanische Soldaten beteiligt waren. Seine Haltung festigte sich drei Jahre später während seines ­Pädagogikstudiums, als er an einer Demonstration gegen den Ausbau einer US-Militärbasis im südkoreanischen Pyeongtaek teilnahm. Dort erlebte er, wie das Militär brutal gegen friedliche Aktivistinnen und Aktivisten vorging, die sich der Vertreibung von Bauern entgegenstellten. "Man hat uns immer erzählt, die Armee sei dazu da, das Volk vor dem Feind zu schützen", erinnert sich der heute 33-Jährige bei einem Auftritt in Berlin. "Doch nur weil ich nicht die Meinung der Regierung teilte, ­wurde ich selbst zum Feind."

Als Feind gilt er immer noch, obwohl seit seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft im Juni 2012 mehr als fünf Jahre vergangen sind. Amnesty hatte sich für die Freilassung des Pazifisten eingesetzt, der bereits vor Verbüßung seiner Strafe für die südkoreanische Nichtregierungsorganisation World Without War tätig war. Heute reist er für die Gruppe und das südkoreanische Menschenrechtsbildungszentrum Deul um die Welt und wirbt um Verständnis für den Kampf der südkoreanischen Friedensaktivisten, die einen Zivildienst als Alternative zum Dienst an der Waffe fordern. Wegen seiner Vorstrafe darf er nicht mehr als Lehrer arbeiten. Dabei hatte er Kindern beibringen wollen, Menschen zu lieben und zu achten: "Soldat sein bedeutet aber, Menschen nicht zu achten, sie nicht als Menschen zu sehen und schließlich eine Waffe auf sie zu richten und zu schießen."

2016 waren nach Informationen von Amnesty etwa 400 Kriegsdienstverweigerer in südkoreanischen Gefängnissen inhaftiert. Die meisten von ihnen sind Zeugen Jehovas. Angesichts der politisch angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel wird der Militärdienst als eine "heilige Pflicht" betrachtet. Auch deshalb hüten sich viele Verweigerer davor, ihren Entschluss mit allzu vielen Menschen zu teilen, da ihnen soziale Ausgrenzung und berufliche Einschränkungen drohen.

Moon Myungjin nimmt das in Kauf – und die kleinen Ver­änderungen in Südkorea geben ihm Recht. Zwar hat Präsident Moon Jae-in seine Ankündigung, eine zivile Alternative zum Wehrdienst einzuführen, noch nicht umgesetzt. Doch entschieden 2016 Bezirksgerichte zugunsten von vier Männern, die den Kriegsdienst verweigert hatten. Bereits im Jahr zuvor waren sechs Verweigerer in erster Instanz freigesprochen worden.

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