Amnesty Report 24. November 2009

Streiks 2007/ Gefährdung bei Engagement in USTG

VERWALTUNGSSTREITVERFAHREN EINES GUINEISCHEN STAATSANGEHÖRIGE

Sehr geehrter Herr Richter Strappert,

Ihre Fragen kann Amnesty International wie folgt beantworten:

  1. Treffen die geschilderten Umstände, insbesondere was die familiären und wohnungsmäßigen Verhältnisse, die Tätigkeit bei USTG sowie den Tod der vier Kinder und des Nachbarn angeht, zu?

Amnesty International kann bestätigen, dass es einen Stadtteil namens Madina in Conakry gibt. Ibrahim Fofana war im Januar 2007 Generalsekretär der Union Syndicale des Travailleurs de Guinée (USTG). Amnesty kann keine Angaben über die familiären oder Wohnverhältnisse von Herrn Fofana machen. Daher ist es Amnesty auch nicht möglich, Aussagen darüber zu tätigen, ob Herr Fofana Onkel des Klägers ist bzw. ob dieser sich für die USTG engagiert hat.

Amnesty International hat keine Informationen über den Tod von 19 Personen, die vor dem Haus Herrn Fofanas aufgefunden wurden. Mitarbeiter von Amnesty International hielten sich im April 2007 in Guinea auf, um bzgl. der Januar-/Februarunruhen Recherchen anzustellen. In diesem Zusammenhang haben sie auch mit mehreren Vertretern der Gewerkschaften gesprochen. Der Umstand, dass im Januar 19 Menschen tot vor dem Haus Herrn Fofanas aufgefunden worden seien, wurde von niemandem zur Sprache gebracht, obwohl davon auszugehen ist, dass solch ein Umstand auf große Empörung in der Öffentlichkeit und in den Gewerkschaften gestoßen wäre, so wie auch die kurzzeitige Inhaftierung Herrn Fofanas im Januar und die spätere Verwüstung seines Hauses durch Sicherheitskräfte im Juli 2007 großen Unmut in der Bevölkerung hervorrief.

Nachdem die beiden führenden Gewerkschaften USTG und Confédération Nationale des Travailleurs de Guinée (CNTG) im Januar 2007 zum Generalstreik aufgerufen hatten, um gegen Korruption durch staatliche Funktionsträger zu protestieren, waren Ibrahim Fofana und andere Gewerschaftsvertreter, Oppositionelle und Demonstranten verstärkt Bedrohung und Verfolgung durch Sicherheitskräfte ausgesetzt. Im Zuge der Streiks im Januar und Februar 2007 wurden mehr als 130 Personen durch Sicherheitskräfte getötet und 1500 Menschen verletzt. Trotz Einsetzung einer Nationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung dieser Menschenrechtsverletzungen, wurden bisher keine Untersuchungsergebnisse vorgelegt.

Amnesty hat keine Kenntnis von einer Festnahme des Klägers durch die Roten Barette, was aber durchaus nicht bedeutet, das diese nicht stattgefunden hat. Während der Streiks wurden mehrere Dutzend Menschen willkürlich ohne Haftbefehl und Anklage für mehrere Tage von Sicherheitskräften verhaftet und inhaftiert.

  1. Unterstellt, jemand war an den gewerkschaftlichen Aktionen im Januar 2007 in Guinea als Mitarbeiter des Präsidenten der Gewerkschaft USTG beteiligt: Hätte er nach der Rückkehr mit Repressionen durch staatliche Stellen zu rechnen? Gibt es Vergleichsfälle von anderen Rückkehrern und/oder Aktivisten, die nicht ausgereist sind?

Unabhängig von der Mitgliedschaft oder Mitarbeit in einer konkreten Gewerkschaft, Organisation oder Partei ist im Fall einer Auseinandersetzung mit guineischen Sicherheitskräften, Kritik an staatlichen Funktionsträgern oder eines regimekritischen Engagements mit Verfolgung und Bedrohung durch staatliche Behörden und Sicherheitskräfte zu rechnen.

Immer wieder kommt es in Guinea zur Anwendung exzessiver Gewalt gegen Demonstranten und Menschen, die ihre Meinung frei äußern. So töteten Sicherheitskräfte im Oktober 2008 in Conakry und Boké bei einer Demonstration fünf Menschen; 20 Personen wurden verletzt. Im August 2009 wurden eine Person getötet und zwei weitere Personen verwundet, als Sicherheitskräfte gewaltsam eine Demonstration in Kamsar auflösten. Schließlich wurden im September diesen Jahres über 150 Menschen getötet und über 1500 verletzt, als Sicherheitskräfte eine Demonstration in Conakry auflösten.

Regimekritiker müssen weiterhin zu jeder Zeit mit willkürlicher Inhaftierung rechnen. So wurden im Januar 2009 zwölf Soldaten, die für den ehemaligen Präsidenten Lansana Conté gearbeitet haben, ohne Anklage inhaftiert. Elf von ihnen sind noch immer in Haft. Der Zugang zu einem Rechtsbeistand wird ihnen verwehrt, ebenso der Besuch von Familienangehörigen. Am 29.09. diesen Jahres wurden mehrere Bewohner des Bezirks Bomboli in Conakry von Sicherheitskräften geschlagen und verhaftet.
Amnesty International werden immer wieder Fälle von Folter und Misshandlung durch Polizisten und Sicherheitskräfte bekannt. Praktiziert wird vor allem die sogenannte "Chinesische Folter", bei der die Arme des Gefangenen hinter seinem Rücken gefesselt werden und ein Holzstab zwischen die beiden Ellbogen geklemmt wir, um den Schmerz zu erhöhen, während sich Sicherheitskräfte auf seinen Oberkörper stellen. Im Oktober 2008 wurden zehn Personen ohne Anklage in Gewahrsam genommen, die in einer Zelle mit Urin und Exkrementen untergebracht wurden. Sicherheitskräfte nahmen Auspeitschungen mit einem Gummiriemen vor, die die Gefangenen mitzählen mussten. Einer der Häftlinge fiel aufgrund der Schwere der Misshandlungen ins Koma.

  1. Kann Amnesty International feststellen, ob die vorgelegte Kopie der Geburtsurkunde des Klägers Fälschungsmerkmale aufweist?

Amnesty International prüft grundsätzlich keine Dokumente auf Echtheit und kann daher auch keine Aussage über eventuelle Fälschungsmerkmale der Geburtsurkunde machen.Wir hoffen, dass Ihnen diese Angaben dienlich sind.
Mit freundlichen Grüßen

Franziska Ulm
Fachreferentin für Afrika

Komplettes Gutachten zum Download:

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Guinea Positionspapiere

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