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Aggressionen gegen Andersdenkende

Protestaktion indischer Frauen der "unteren Kaste" in Neu-Delhi im Dezember 2013
Indiens Zivilgesellschaft ist Repressionen, Diffamierungen und Rechtsbeugungen ausgesetzt: Der Umgang der Regierung mit der Zivilgesellschaft ist schon seit Jahren wenig konstruktiv. Inzwischen wird diese Politik zunehmend gefährlich.
Von Michael Gottlob
Zwei bis drei Prozent sollen es sein. Zwei bis drei Prozent des Bruttosozialprodukts, um die das Wirtschaftswachstum in Indien geschwächt wird, weil Umwelt- und Menschenrechtsgruppen die Realisierung von großen Investitionsprojekten verhindern. Dies war einem Bericht des indischen Inlandsgeheimdienstes zu entnehmen, der Anfang Juni 2014 an die Öffentlichkeit gelangte, kurz nach dem Amtsantritt von Ministerpräsident Narendra Modi.
Modi hatte im Wahlkampf versprochen, die Wirtschaft anzukurbeln, und begann schon bald, bei seinen Reisen ins Ausland unter dem Slogan "Make in India" um Investoren zu werben. Um Indien als Produktionsstandort attraktiver zu machen, sollten den Firmen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Zu den Hindernissen für Investoren zählen in den Augen der Regierung Gesetze wie der gerade erst novellierte "Land Acquisition Act" und der "Forest Rights Act", die bei anstehenden Enteignungen und Umsiedlungen im Rahmen von Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekten im öffentlichen Interesse bestimmte Prozeduren vorsehen: die Information, Konsultation und Mitbestimmung der lokalen Bevölkerung und die Entschädigung der Betroffenen. Die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung kann ebenfalls zum Problem werden.
Und dann stören eben auch Aktivisten und Organisationen, die sich für die Beachtung der Gesetze und Bestimmungen einsetzen und Rechtsbrecher zur Verantwortung ziehen wollen. Ins Visier geriet vor allem Greenpeace Indien. Die Umweltorganisation hatte sich unter anderem mit der Kohleindustrie angelegt – auf Kohle basieren mehr als 60% der Stromerzeugung in Indien. Kohle trägt in hohem Maß zur Belastung von Luft und Wasser bei und ihr Abbau erfordert Umsiedlungen von vielen Menschen, die ohnehin schon zu den Marginalisierten gehören. Außerdem hat sich der Kohlebergbau als besonders anfällig für Korruption und andere illegale Praktiken erwiesen. Schürflizenzen wurden in großem Stil unter der Hand und unter Wert vergeben.
Rechtsdumping für den Produktionsstandort
Wegen des Widerstands gegen ein Kohlebergbauprojekt in der Mahan-Region im Bundesstaat Madhya Pradesh kam es zwischen Greenpeace und der indischen Regierung zum offenen Konflikt. Die Aktivistin Priya Pillay wurde im Januar 2015 an einer Reise nach London gehindert, wo sie mit Parlamentariern über negative Auswirkungen des Projekts sprechen wollte, das vom teilweise an der Londoner Börse notierten Unternehmen Essar betrieben wird. Im April 2015 sperrten die indischen Behörden Greenpeace Indien die Konten und entzogen der Organisation die Lizenz, Spenden aus dem Ausland annehmen zu können.
Vor allem das Gesetz zur Regulierung von Spenden aus dem Ausland ("Foreign Contribution Regulation Act", FCRA) wird von der Regierung als Hebel benutzt, um Nichtregierungsorganisationen in Bedrängnis zu bringen. Durch Kontensperrung oder Lizenzentzug wirkt sich das zunächst finanziell aus. Der Hinweis auf ausländische Gelder lässt die Proteste aber auch als ausländische Einmischung in indische Angelegenheiten erscheinen, ein Argument, das in Indien selbst 70 Jahre nach dem Ende der Kolonialherrschaft immer noch große Aversionen schüren kann – wohingegen bei Investitionen die ausländische Herkunft der Gelder nicht zu stören scheint.
Dabei kommen Kritik und Widerstand meistens von der lokalen Bevölkerung selbst. So haben in den Kohlegebieten im Bundesstaat Chhattisgarh im Oktober 2015 mehr als 5.000 Menschen bei einer Aktion nach dem Vorbild Gandhis für ihre Rechte demonstriert. Doch auch Aktivisten vor Ort werden als antinational beschimpft und durch physische Gewalt eingeschüchtert. Der Dokumentarfilmerin Savita Rath, die öffentliche Anhörungen mitgefilmt hat, wurde mehrfach mit Verhaftung gedroht, dem Umweltschützer Ramesh Agrawal wurde 2012 in die Beine geschossen.
Ein andere Möglichkeit, um lästige Kritiker loszuwerden oder mundtot zu machen, sind die drakonischen Sicherheitsgesetze wie etwa der "Unlawful Activities Prevention Act" von 1967. Mit ihrer Hilfe werden Protestierende und Menschenrechtsverteidiger kriminalisiert und in die Nähe von Terroristen gerückt. Vor einigen Jahren erregte der Fall des Arztes Binayak Sen in den Adivasi-Gebieten Chhattisgarhs weltweit Aufsehen, dem Verbindungen zur maoistischen Guerilla vorgeworfen wurden und der wegen Kriegsführung gegen den Staat angeklagt war. Auch Journalisten werden auf diese Art zum Schweigen gebracht. Somaru Nag und Santosh Yadav, die in Chhattisgarh über Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei berichtet haben, wurden inhaftiert und wegen Verschwörung und versuchten Mordes angeklagt.
Selbst dort, wo keine Guerilla operiert, werden Protestierende zu Staatsfeinden gemacht. So etwa die Gegner des Atomkraftwerks in Kudankulam an der Küste des Bundesstaats Tamil Nadu. Mehr als 50 Personen, die friedlich protestiert hatten, darunter S.P. Udayakumar und M. Pushparayan, wurden wegen Aufruhrs und Kriegsführung gegen den Staat verklagt. Amnesty hat dazu mehrere Eilaktionen initiiert.
Einschüchterung von Kritikern
Investitions- und Entwicklungsprojekte sind nicht das einzige Feld, auf dem sich Regierung und andere politische Akteure durch Kritiker und zivilgesellschaftliche Gruppen gestört fühlen und mit Einschüchterung und Repression reagieren. Die Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen hat auch eine kulturelle Dimension. Davon zeugen offen ausgesprochene Drohungen gegenüber missliebigen Künstlern, Wissenschaftlern und Intellektuellen und zuletzt eine beängstigende Mordserie. Im August 2013 wurde der Sozialaktivist Narendra Dabholkar in der Nähe seines Hauses in Pune getötet. Govind Pansare, kommunistischer Politiker und Autor eines Buches über den Nationalhelden Shivaji, wurde im Februar 2015 in Mumbai auf offener Straße ermordet. Ende August 2015 wurde der ehemalige Vize-Kanzler der Universität Hampi, Prof. M. M. Kalburgi, in seinem Haus in Dharwad im Bundesstaat Karnataka erschossen.
Allen drei Opfern war gemeinsam, dass sie sich kritisch mit Hindu-Traditionen und -Ritualen auseinandersetzten und fortlebende Formen des Aberglaubens bekämpften.
Kalburgi hatte den angesehenen "Sahitya Akademi Award" erhalten, der für die Übersetzung indischer Literatur in die Regionalsprachen des Landes verliehen wird. Nachdem die Akademie zu dem Mord zunächst schwieg, erhob sich öffentlicher Protest.
Viele Preisträger gaben ihre Auszeichnung zurück, darunter bekannte Autoren wie Uday Prakash. In ihren Begründungen erinnerten sie an die vielen Angriffe auf die Meinungsfreiheit in den vergangenen Jahren: Verleger wurden unter Druck gesetzt, Bücher aus dem Verkehr zu ziehen, Universitäten und Colleges mussten Lehrpläne ändern und bestimmte Texte aus den Literaturlisten streichen.
Hinter diesen Angriffen stehen meist fundamentalistische Gruppen, die keine Kritik an heiligen Texten und Ritualen dulden. Sie werfen Forschern vor, die von ihnen publizierten Erkenntnisse verletzten ihre religiösen Gefühle. Die staatlichen Stellen unterbinden die Angriffe nicht wirksam, wenn sie nicht sogar selbst an der Unterdrückung von Kunst und Wissenschaft beteiligt sind. Nach Ansicht des Historikers und Journalisten Ramachandra Guha gab es in Indien nie zuvor eine Regierung mit einer derart antiintellektuellen Haltung.
Modi stellt zwar seine wirtschaftspolitische Agenda in den Vordergrund, die auf "Entwicklung" setzt, zum Kernprogramm der regierenden Indischen Volkspartei (Bharatiya Janata Party, BJP) gehört jedoch seit ihrer Gründung im Jahr 1980 das Bekenntnis zum Kulturnationalismus und damit die Vorstellung einer Nation, die sich nur auf hinduistische Traditionen stützt.
Der Hinduismus als Leitkultur
Die BJP ist der politische Arm eines Netzwerks hindunationalistischer Organisationen, dessen Ursprung und Zentrum der 1925 gegründete Nationale Freiwilligenverband (Rashtriya Swayamsevak Sangh, RSS) ist. Das gemeinsame Ziel aller Organisationen ist die Stärkung des Hindutums: Hindutva. Viele Politiker der BJP, darunter auch Modi und Parteichef Amit Shah, sind durch die Schule des RSS gegangen. Für sie ist Indien das heilige Land der Hindus; Träger der Nation ist die ethnische Gruppe der Indo-Arier; in Staat und Gesellschaft soll der Hinduismus als Leitkultur gelten.
Zwar bekennt sich Modi gelegentlich und pflichtgemäß zum säkularen Staat, wie er in der Verfassung verankert ist. Doch die Überfälle auf Rationalisten wie Kalburgi werden von der Regierung nicht deutlich genug verurteilt. Vielmehr bemüht sie sich, wichtige kultur- und wissenschaftspolitische Positionen mit Kandidaten aus dem eigenen Lager zu besetzen und in Forschungs- und Bildungsinstitutionen die gewünschte Sichtweise von Staat und Gesellschaft zu etablieren.
Im Oktober 2015 traten 53 Historiker mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, in der sie eine "bedrohliche Stimmung" im Land beklagen und die offene Gewalt gegen einzelne Forscher anprangern: "Man versucht, Meinungsverschiedenheiten durch physische Gewalt beizulegen". Die Regierung, so der Verdacht, wolle offenbar die bisherige Deutungsvielfalt in Wissenschaft und Lehre durch eine Art "gesetzlich vorgeschriebene Geschichtsschreibung" nach politischen Maßgaben ersetzen.
Die Hindutva-Ideologie, nach der Indien das Land der Hindus ist, macht Anhänger anderer Religionen zu Fremden und Ausländern, zu Bürgern zweiter Klasse. Die zunehmende Ausbreitung dieser Ideologie führt bei Angehörigen religiöser Minderheiten zu Furcht und Schrecken, denn in der Vergangenheit hat sich allzu oft gezeigt, wie gewaltträchtig der offen propagierte Dominanzanspruch der "Mehrheitsreligion" gegenüber anderen ist. Die jüngere indische Geschichte ist von schweren religiös motivierten Auseinandersetzungen durchzogen. Erinnert sei nur an die Gewalt gegen Sikhs nach der Ermordung Indira Gandhis in Delhi (1984), an die Gewalt gegen Muslime im Bundesstaat Gujarat, nachdem ein Eisenbahnwaggon mit Hindu-Pilgern in Brand gesetzt worden war (2002), und an die Gewalt gegen Christen im Bundesstaat Odisha, denen der Mord an einem Hindu-Hassprediger in die Schuhe geschoben wurde (2008).
Dass all diese Fälle bisher nicht genügend juristisch aufgearbeitet und viele Täter nicht bestraft wurden, trägt zu den anhaltenden Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften bei. Selbst nichtige Anlässe, wie etwa der Verzehr von Rindfleisch, können dazu führen, dass Streit aufflammt.
Oft genug wird er sogar gezielt geschürt, etwa zur Mobilisierung in Wahlkämpfen. Dabei werden auch zivilgesellschaftliche Gruppen zum Feind erklärt, die sich teilweise aus Religionsgemeinschaften rekrutieren und die mit Organisationen und Solidaritätsgruppen in anderen Ländern in Kontakt stehen. Premierminister Modi äußert sich so gut wie nie zu religiösem Hass und Rassismus, der auch von führenden Politikern seiner Partei und ihr nahestehenden Organisationen ausgeht. Und wenn er sich äußert, geschieht dies meistens zu spät.
Die Durchsetzung des Hinduismus als Leitkultur in Indien bedroht aber keineswegs nur religiöse Minderheiten, die aus der Nation ausgeschlossen und zu Bürgern zweiter Klasse gemacht werden, sie wird auch von jenen als Bedrohung empfunden, die gegen ihr Selbstverständnis in die Hindugemeinschaft eingebunden werden. Dies ist z. B. bei vielen Dalits der Fall. Als Dalit (wörtlich: "gebrochene Menschen") bezeichnen sich Personen, die man früher als "Unberührbare" beschimpfte und die an unterster Stelle der sozialen Hierarchie standen, noch unterhalb der nach Kasten gegliederten Hindugesellschaft. Sie machen etwa 15% der indischen Bevölkerung aus.
"Unberührbarkeit" ist nach Artikel 17 der indischen Verfassung abgeschafft, ihre Praxis unter Strafe gestellt. Es gibt ein umfassendes staatliches Programm der positiven Diskriminierung (Affirmative Action) für Angehörige der "Registrierten Kasten" (Scheduled Castes), wie die Dalits offiziell heißen. Durch die Quotierung von Studienplätzen und Stellen im Öffentlichen Dienst sollen Ausgrenzung und Ungleichheit nach und nach beseitigt werden.
Unüberbrückbaren Differenzen
Doch bereits der historische Führer der Dalits, B. R. Ambedkar (1891-1956), stellte die Reformierbarkeit der Hindugesellschaft in Frage und brach mit dem Hinduismus: Als Hindu geboren, wollte er nicht als Hindu sterben und trat kurz vor seinem Tod zum Buddhismus über. Andere Dalits taten es ihm gleich, wiederum andere konvertierten zum Christentum oder zum Islam.
Die BJP und die alte Elite betrachten diese Eigenständigkeit der Dalits mit Argwohn, sie fürchten um ihren Mehrheits- und Machtanspruch. In einigen Bundesstaaten wurden deshalb Antikonversionsgesetze eingeführt. Zugleich versuchen RSS-nahe Organisationen, Dalits und Adivasis, die indischen Ureinwohner, stärker an die Hindugemeinschaft zu binden und Konvertierte zurückzuholen. Dalits und Adivasis, die zum Christentum oder zum Islam übergetreten sind, werden in "Heimkehrzeremonien" (ghar wapsi) wieder zu Hindus gemacht.
Wer sich demgegenüber auf die gesetzlich verbriefte Religionsfreiheit beruft, wird schnell antiindischer, antihinduistischer und antinationaler Tendenzen bezichtigt oder ausländischer Beeinflussung verdächtigt. Wenn die Kritik an Diskriminierung, Repression und Bevormundung aus einer säkularen Haltung heraus vorgetragen wird, kann dies ebenfalls zu unüberbrückbaren Konfrontationen zwischen selbstbewussten Dalits und traditionsorientierten Hindus führen. Immer wieder wird von Gewalttaten gegen Dalits berichtet, die nur ihr Recht auf Nutzung von Brunnen oder auf Eintritt in den Tempel oder auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nehmen.
Institutionalisierte Diskriminierung an Universitäten
Anfang 2016 nahm eine Auseinandersetzung an der Universität von Hyderabad einen dramatischen Verlauf, der zu einer weiteren Politisierung der Dalits beitragen könnte. Der 26-jährige Doktorand Rohith Vemula geriet als Mitglied der "Ambedkar Students Association" wegen eines Protests gegen die Exekution eines bekannten, für die Beteiligung an Terrorakten verurteilten Muslims in Konflikt mit hindunationalistischen Aktivisten. Die von ihnen benachrichtigte Universitätsleitung verbannte Rohith aus seinem Wohnheim, anschließend übernachtete er in einem Zelt am Rande des Campus. Auch sein Stipendium wurde nicht ausgezahlt. Offenbar wurde Druck aus höchsten Regierungskreisen ausgeübt. Am 17. Januar 2016 fand man Rohith erhängt an einem Deckenventilator. Er hinterließ einen Brief, in dem er mit bitteren Worten seine lebenslange Erfahrung der Ausgrenzung und seinen Kampf um Anerkennung beschreibt.
Der Suizid von Rohith Vemula löste in ganz Indien hitzige Debatten über die fortdauernde Diskriminierung von Dalits aus, gerade auch in Bildungsinstitutionen, die ihnen eigentlich den Weg zu Gleichberechtigung und Anerkennung öffnen sollen. In einem offenen Brief an den Vize-Kanzler der Universität Hyderabad protestierten mehr als 100 Indien-Wissenschaftler aus aller Welt gegen die "institutionalisierte Diskriminierung" an den Lehranstalten.
Ungeachtet ihrer offiziellen Abschaffung besteht die "Unberührbarkeit" im Alltagsleben fort. Der "Indian Express" veröffentlichte im November 2014 eine Statistik, wonach sich mehr als ein Viertel der Inder zur "Unberührbarkeit" bekennt. Dies zeigt, dass es letztlich von gesellschaftlichen Interaktionsformen und Diskursen sowie der Einstellung der einzelnen Personen abhängt, ob diese schwere Form der Diskriminierung überwunden werden kann. Gesetze und staatliche Programme allein reichen dazu nicht aus. Um Empathie und Annäherung zu fördern und nicht zu weiterer Entfremdung beizutragen, ist mehr zivilgesellschaftliches Engagement notwendig, nicht weniger. Ein hoffnungsvolles Zeichen ist die wachsende Zahl von Schulen, in denen Menschenrechtsunterricht auf dem Lehrplan steht, ein anderes die zunehmende (auch finanzielle) Unterstützung von Menschenrechtsgruppen aus der breiten Bevölkerung.
Die Voraussetzungen für Bürgerbeteiligung sind eigentlich nicht schlecht in Indien, denn das Land verdankt seine Freiheit und Unabhängigkeit der massenhaften Aktivierung von Frauen und Männern aller Schichten, Religionen und ideologischen Orientierungen. Viel vom Geist des gewaltlosen Widerstands gegen die Fremdherrschaft hat Eingang in die politische Kultur des postkolonialen Indiens gefunden. Andererseits scheint das politische Establishment nicht erst seit Modi, sondern spätestens seit der Notstandsregierung Indira Gandhis (1975-77) das konstruktive Verhältnis zur Zivilgesellschaft verloren zu haben. Der Einsatz für die Menschenrechte wird von der Regierung oft als Angriff auf den Staat verstanden, anstatt ihn als Beitrag zur Konfliktlösung und zur Prävention von Gewalt zu schätzen.
Zivilgesellschaftliche Kräfte, ob engagierte Individuen oder organisierte Gruppen, können das friedliche Aushandeln von Interessengegensätzen erleichtern. Die Investitionsbedingungen für die Wirtschaft werden auch dadurch verbessert, dass die Rechte der Menschen vor Ort respektiert werden und ihre Zustimmung zu Vorhaben eingeholt wird. Ein Land mit verfeindeten Religionsgemeinschaften ist für ausländische Investoren ebenfalls nicht attraktiv. Wie der indische Politiker und langjährige UNO-Diplomat Shashi Tharoor kürzlich bemerkte: "Make in India and hate in India cannot go together".
Die Historiker, die sich im Oktober 2015 als Akademiker und als Staatsbürger zu Wort gemeldet haben, erinnern an die Werte und Traditionen der Vielfalt, die Indien in der Vergangenheit geprägt haben. Und sie schließen ihre Erklärung mit den Worten: "Es ist leicht, die Vielfalt niederzutrampeln, aber wir sollten uns klarmachen, dass es sehr lange dauern wird und die Fähigkeiten der derzeitigen Machthaber übersteigt, sie wiederherzustellen, wenn sie einmal zerstört ist."