Aktuell 16. November 2015

Rückblick: Die Erfolge des Briefmarathons 2014

Moses Akatugba aus Nigeria nach seiner Freilassung im Juni 2015

Moses Akatugba aus Nigeria nach seiner Freilassung im Juni 2015

Die deutsche Amnesty-Sektion hatte aus den insgesamt zwölf internationalen Fällen fünf ausgewählt – aus China, Griechenland, Nigeria, Saudi-Arabien und den USA.

Der größte Erfolg war die Begnadigung und Freilassung von Moses Akatugba aus Nigeria, der zum Tode verurteilt war. Der Gouverneur des Bundesstaates Delta, Dr. Emmanuel Uduaghan, begnadigte ihn Ende Mai 2015 angesichts des öffentlichen Drucks, den unter anderem Amnesty International aufgebaut hatte: "Ich habe Herrn Moses Akatugba begnadigt und die Anordnung für seine Entlassung aus der Haft unterzeichnet. Sein Fall hat in den sozialen Medien große Beachtung gefunden und Amnesty International ist auch eingeschritten."

Liu Ping

Liu Ping

Im Fall von Liu Ping aus China gab es einen Fortschritt zu verzeichnen: Im Dezember 2014 durfte die inhaftierte Bürgerrechtlerin erstmals Besuch von ihrer Tochter Liao Minyue erhalten. Amnesty geht davon aus, dass die Besuchserlaubnis ein Ergebnis des Briefmarathons war. Im Februar 2015 konnte Liao Minyue ihre Mutter erneut besuchen. Sie berichtete, Liu Ping habe dünner und älter gewirkt als im Dezember und leide unter gesundheitlichen Problemen, sie sei jedoch guten Mutes. Von den Tausenden Briefen ins Gefängnis sei ihr zwar keiner ausgehändigt worden, es bewege sie jedoch sehr, dass sie nicht vergessen sei.

 

Paraskevi Kokoni, Romi aus Griechenland, die 2012 aus rassistischen Motiven heraus angegriffen wurde

Paraskevi Kokoni, Romi aus Griechenland, die 2012 aus rassistischen Motiven heraus angegriffen wurde

Für Paraskevi Kokoni aus Griechenland hatte der Briefmarathon ebenfalls positive Auswirkungen. Drei Männer wurden wegen des rassistischen Angriffs auf sie und zwei weitere Familienmitglieder verurteilt. Als große Unterstützung empfand Paraskevi Kokoni die Solidaritätsbriefe und Postkarten, die sie erhielt. Im März 2015 überreichte sie persönlich mehr als 82.000 Unterschriften aus 111 Ländern, die während des Briefmarathons zur Unterstützung der Roma in Griechenland gesammelt wurden, an den Justizminister des Landes. Der Minister räumte ein, dass die geltende antirassistische Gesetzgebung in Griechenland unzureichend sei und versprach eine Reform des Strafgesetzbuches.

 

Chelsea Manning wurde der Weitergabe vertraulicher Regierungsinformationen für schuldig befunden

Chelsea Manning wurde der Weitergabe vertraulicher Regierungsinformationen für schuldig befunden

Auch für die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning waren die Brief aus aller Welt überaus wichtig. Ihre Anwältin Nancy Hollander schrieb Amnesty: "Chelsea ist überwältigt von der unglaublichen Unterstützung, die sie von Amnesty International und ihren Unterstützerinnen und Unterstützern erhält. Es ist ermutigend für sie, zu wissen, dass ihr so viele Menschen weltweit zur Seite stehen und ihr helfen wollen, freizukommen. Ich möchte Amnesty International und all den guten Menschen im Namen von Chelsea und mir (…) danken." Chelsea Manning selbst teilte mit, sie habe jede einzelne der mehr als 17.000 Solidaritätsbotschaften, die sie im Gefängnis erhielt, gelesen, könne aber leider nicht alle beantworten.

 

Urteil gegen Raif Badawi bestätigt

Urteil gegen Raif Badawi bestätigt

Der mittlerweile bekannteste Fall des Briefmarathons 2014 ist der saudi-arabische Blogger Raif Badawi, der unter anderem zu zehn Jahren Gefängnis, einer hohen Geldstrafe und 1.000 Stockhieben verurteilt worden war. Als am 9. Januar 2015 nach dem Freitagsgebet in Dschidda die ersten 50 Hiebe vollzogen wurden, löste dies eine internationale Empörungswelle aus. An den folgenden Freitagen wurde die Vollstreckung der Prügelstrafe ausgesetzt. Anfang Juni 2015 bestätigte das Oberste Gericht Saudi-Arabiens jedoch das Urteil gegen Raif Badawi. Auch wenn sich an seinem Urteil bisher noch nichts geändert hat, so zeigte die weltweite Mobilisierung dennoch Wirkung: So verabschiedete zum Beispiel das EU-Parlament eine Resolution, in der die bedingungslose Freilassung des Bloggers gefordert wird. Es war das erste Mal, dass eine EU-Resolution die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien kritisierte. Auch die schwedische Außenministerin kritisierte Saudi-Arabien scharf – als Konsequenz kündigte die schwedische Regierung einen langjährigen Rüstungsvertrag mit dem Golfstaat. Raif Badawis Frau, Ensaf Haidar, die mit den drei Kindern nach Kanada geflohen ist, schrieb Amnesty: "Ich kann nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, aufzuwachen und festzustellen, dass die ganze Welt über den Fall von Raif spricht. Als Raif mich anrief, berichtete ich ihm von den Aktivitäten der Kampagne von Amnesty International. Ich erinnere mich sogar, dass er plötzlich vor Freude zu weinen begann, und er sagte zu mir: 'Ensaf, wie kann ich all diesen Menschen, die mich unterstützen, danken? Ich möchte jedem Einzelnen danken.'" Im Mai 2015 besuchte Ensaf Haidar die Jahresversammlung der deutschen Sektion in Dresden, um u.a. über den Fall ihres Ehemanns zu berichten. Es bleibt zu hoffen, dass die internationale Solidarität mit Raif Badawi anhält, seine Strafe weiterhin nicht vollstreckt und er doch noch freigelassen wird. In vielen Fällen, die in den vergangenen Jahren im Zentrum des Briefmarathons standen, haben sich die Erfolge erst sehr viel später eingestellt.

 

Weitere Erfolgsmeldungen und gute Nachrichten finden Sie auf www.amnesty.de/erfolge

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