Aktuell Syrien 28. April 2011

Syrien: UN-Sicherheitsrat muss Internationalen Strafgerichtshof einschalten

Solidaritätskundgebung mit den Menschen in Syrien in New York

Solidaritätskundgebung mit den Menschen in Syrien in New York

26. April 2011 - Angesichts der zunehmenden Gewalt, mit der die syrische Regierung versucht, die Proteste im Land niederschlagen, fordert Amnesty International den UN-Sicherheitsrat auf, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit Ermittlungen zur Lage in Syrien zu beauftragen.

Der UN-Sicherheitsrat berät zurzeit mögliche Reaktionen auf das harte Durchgreifen der syrischen Regierung, das seit Mitte März schon etwa 400 Menschenleben forderte.

"Die syrische Regierung versucht offensichtlich, friedliche Proteste durch den Einsatz von Panzern und scharfer Munition zu ersticken", erklärte der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty.

"Die syrische Regierung und ihre Sicherheitskräfte denken seit langem, dass sie straffrei agieren können. Welche Folgen das hat, erleben wir in Form der blutigen Gewaltakte der letzten Tage auf den Straßen Syriens", warnte Salil Shetty und fuhr fort: "Präsident Assad und seine Leute müssen begreifen, dass ihr Handeln Konsequenzen haben wird: Wenn sie ihre eigenen BürgerInnen niederschießen lassen, wird sie die internationale Gemeinschaft vor dem Internationalen Strafgerichtshof oder vor nationalen Gerichten auf der Grundlage der universellen Gerichtsbarkeit persönlich zur Verantwortung ziehen."

Des weiteren fordert Amnesty International ein umfassendes Waffenembargo gegen Syrien und das Einfrieren der Vermögenswerte von Präsident Assad und anderen Personen, die schwere Menschenrechtsverletzungen angeordnet oder selbst begangen haben.

Seit Beginn der Proteste im März wurden unbewaffnete SyrerInnen, die sich versammelten, um für mehr Freiheit zu demonstrieren, regelmäßig von Sicherheitskräften angegriffen. Die Sicherheitskräfte schießen dabei mit scharfer Munition auf friedlich demonstrierende Menschen.

Die Regierung kündigte in der vergangenen Woche die Aufhebung des seit 48 Jahren bestehenden Ausnahmezustands an. Die Gewalt nahm seitdem jedoch zu: Karfreitag war mit 120 Toten der bislang blutigste Tag.

Amnesty International sind 393 Personen namentlich bekannt, die seit Beginn der Proteste getötet wurden; die tatsächlichen Zahlen dürften jedoch höher liegen.

Laut Berichten kam es mehrfach dazu, dass Scharfschützen auf Menschen zielten, die verwundeten Personen Hilfe leisten wollten oder selbst verletzt auf der Straße lagen.

Amnesty International wies Behauptungen der syrischen Regierung, viele der Tötungen seien von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppierungen begangen worden, als haltlos zurück.

Nachdem die syrische Armee am 25. April in die Stadt Dar’a eingerückt war, wurden mehrfach Wohnhäuser aus Panzern heraus beschossen, obwohl es keinerlei Hinweise darauf gab, dass die Menschen in den Häusern bewaffnet waren.

Im ganzen Land wurden Hunderte Menschen festgenommen und die weitaus meisten befinden sich ohne Kontakt zur Außenwelt an nicht bekannten Orten in Haft. Viele, der inzwischen wieder Freigelassenen, berichten in der Haft gefoltert worden zu sein.

Am 26. Februar beschloss der UN-Sicherheitsrat einstimmig, die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichthofs mit Ermittlungen zur Lage in Libyen zu beauftragen.

"Der UN-Sicherheitsrat sollte sich nun an seiner Entscheidung im Falle Libyens orientieren und auch in Bezug auf Syrien eine konsequente Haltung an den Tag legen", so Salil Shetty. "Ein konsequentes Vorgehen unter Beachtung des Grundsatzes der Null-Toleranz bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit wäre ein deutliches Signal an alle Regierungen, dass Verstöße gegen das Völkerrecht nicht länger hingenommen werden."

Hintergrund

Die in den letzten Wochen gemeldeten Menschenrechtsverletzungen durch syrische Behörden schließen auch Tötungen und Folter nicht aus. Die Sicherheitskräfte scheinen im Rahmen eines umfassenden sowie systematischen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung gezielt Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Die von ihnen verübten Straftaten stellen somit Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

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