Menschenrechtler vor Gericht

Die palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Farid al-Atrash und Issa Amro

Die palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Farid al-Atrash und Issa Amro

Die beiden palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Farid al-Atrash und Issa Amro müssen sich vor einem israelischen Militärgericht verantworten. Sie sind wegen der Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit angeklagt und könnten zu Haftstrafen verurteilt werden. Bei einem Gerichtstermin am 23. November beantragte der Rechtsbeistand von Issa Amro, dass eine Reihe der gegen ihn erhobenen Anklagen fallengelassen wird. Am 21. Dezember soll der nächste Gerichtstermin stattfinden.

Appell an

MINISTERPRÄSIDENT
Benjamin Netanyahu, Office of the Prime Minister
3 Kaplan St., PO Box 187
Kiryat Ben-Gurion
Jerusalem 91950
ISRAEL
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
E-Mail: pm_eng@pmo.gov.il

MILITÄRSTAATSANWALT
Brigadier General Sharon Afek
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv
ISRAEL
(Anrede: Dear Brigadier General / Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: Mag@idf.gov.il

Sende eine Kopie an

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Avigdor Liberman
Ministry of Defence
37 Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909
ISRAEL
Fax: (00 972) 73 323 3300
E-Mail: minister@mod.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030-89 04 55 55 oder 030-89 04 53 09
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem (verlängert bis:) 27. Juni 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie sofort alle gegen Farid al-Atrash und Issa Amro erhobenen Anklagen fallen.

  • Sorgen Sie bitte für ein sofortiges Ende der Drangsalierung von Issa Amro und anderen Menschenrechtsverteidiger_innen in den besetzten palästinensischen Gebieten.

  • Bitte leiten Sie zudem unverzüglich eine Untersuchung zu den von Issa Amro erhobenen Vorwürfen ein, er sei von Angehörigen der israelischen Polizei geschlagen worden. Sollten ausreichend Beweise vorliegen, ziehen Sie die Verantwortlichen zur Rechenschaft.

Sachlage

Am 26. Februar fand in der Altstadt von Hebron im besetzten Westjordanland ein friedlicher Protestmarsch statt, zu dem palästinensische Einwohner_innen und Aktivist_innen der Stadt aufgerufen hatten. Sie protestierten anlässlich des 22. Jahrestags der Sperrung der al-Shuhada-Straße für Palästinenser_innen durch die israelischen Behörden. Bei der Demonstration wurde die Aufhebung diskriminierender Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Palästinenser_innen in Hebron gefordert.

Die israelischen Streitkräfte gingen mit Schallbomben und Tränengas gegen die Protestierenden vor. Farid al-Atrash wurde festgenommen und vor ein Militärgericht auf dem Militärstützpunkt Ofer in der Nähe von Ramallah gestellt. Gegen ihn wurde unter anderem Anklage wegen der "Teilnahme an einer illegalen Demonstration" und des "Angriffs gegen Soldat_innen" erhoben. Videoaufnahmen seiner Festnahme bestätigen Farid al-Atrashs Aussage, dass er sich lediglich vor israelische Soldat_innen gestellt und friedlich ein Plakat hochgehalten hatte. Er wurde geschubst und mitgezerrt und unter Gewaltanwendung von mehreren Angehörigen der Streitkräfte festgenommen.

Issa Amro ist der Koordinator der Gruppe Youth Against Settlements (Jugend gegen Siedlungen). Er wurde am 29. Februar wegen seiner Rolle bei den Protesten am 26. Februar von Angehörigen der israelischen Polizei in dem Zentrum festgenommen, in dem er arbeitet. Am 7. Juni wurde dann jedoch in 18 Punkten Anklage gegen ihn erhoben, von denen sich einige auf mutmaßliche Vorfälle aus den vergangenen Jahren bezogen. Eine Anklage bezieht sich beispielsweise auf einen Vorfall aus dem Jahre 2010. Die Anklagen gegen Issa Amro lauteten unter anderem auf "Beleidigung eines Soldaten" und "Tätlichkeit". Er streitet alle Vorwürfe ab und gibt an, zweimal von Polizist_innen in Haft geschlagen worden zu sein. Angehörige der israelischen Armee, der israelischen Polizei und israelische Siedler_innen sollen ihn in der Vergangenheit zudem mehrfach bedroht und drangsaliert haben.

Bei einem Gerichtstermin am 23. November vor dem Militärgericht in Ofer beantragte der Rechtsbeistand von Farid al-Atrash und Issa Amro, dass eine Reihe der gegen Issa Amro erhobenen Anklagen fallengelassen wird, da diese sich auf mutmaßlich vor langer Zeit begangene Straftaten beziehen und einige aus bereits geschlossenen Polizeiakten stammen. Die Anklagen gegen Farid al-Atrash wurden nicht diskutiert. Die Staatsanwaltschaft hat um Zeit für eine Reaktion auf diesen Antrag gebeten. Daraufhin wurde der nächste Gerichtstermin auf den 21. Dezember festgesetzt. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklagen gegen beide Männer haltlos sind und sich ausschließlich auf ihre Arbeit als Menschenrechtsverteidiger beziehen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

[img_assist|nid=33669|title=Palästinensischer Menschenrechtsverteidiger Issa Amro|desc=© Amnesty International|link=none|align=left|width=189|height=130]Issa Amro ist ein palästinensischer Menschenrechtsverteidiger und leitet die Gruppe Youth Against Settlements (Jugend gegen Siedlungen) in Hebron. Er und seine Gruppe setzen sich auf friedliche Weise gegen rechtswidrigen Siedlungsbau in Hebron und diskriminierende Einschränkungen gegen Palästinenser_innen durch die israelischen Behörden in der Stadt ein. Issa Amro dokumentiert in Hebron begangene Menschenrechtsverletzungen, organisiert friedliche Proteste und verteilt Informationen zu den Siedlungen und der Besetzung durch das israelische Militär an Tourist_innen, Journalist_innen und Diplomat_innen.
[img_assist|nid=33670|title=Palästinensicher Anwalt und Menschenrechtsverteidiger Farid al-Atrash|desc=© Amnesty International|link=none|align=left|width=210|height=130]Farid al-Atrash ist ein palästinensischer Anwalt, Menschenrechtsverteidiger und Leiter des Büros in Hebron der Unabhängigen Kommission für Menschenrechte (Independent Commission for Human Rights), einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation, welche die Handlungen der palästinensischen Behörden überprüft. Videoaufnahmen seiner Festnahme während der Demonstration vom 26. Februar 2016 finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=JCeeS2C6kWY.

Hebron ist neben Ost-Jerusalem die einzige Stadt im Westjordanland, in deren Zentrum israelische Siedler_innen leben. Etwa 800 israelische Siedler_innen leben in vier Siedlungen innerhalb der Altstadt oder in den angrenzenden Stadtteilen. Darüber hinaus leben mehr als 7.000 weitere in zwei Siedlungen am Stadtrand von Hebron. Am 25. Februar 1994 erschoss ein Bewohner einer israelischen Siedlung 29 Palästinenser_innen und verletzte zahlreiche weitere, die sich beim Gebet in der für Jüd_innen und Muslim_innen heiligen Höhle der Patriarchen / Abrahams-Moschee befanden. Nach dem Anschlag verhängten die israelischen Behörden eine Reihe strikter und diskriminierender Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gegen die palästinensischen Bewohner_innen von Hebron. Unter anderem wurden große Abschnitte der al-Shuhada-Straße, das ehemalige Handelszentrum der Stadt, für Palästinenser_innen gesperrt, während sie für Bewohner_innen israelischer Siedlungen und deren Besucher weiter frei zugänglich blieben.

Bereits seit Jahren bestehen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Palästinenser_innen in Hebron. Die israelische Armee verhängt immer wieder zusätzliche Ausgangssperren oder Schließungen, die zum Teil über lange Zeiträume andauern, wenn es beispielsweise zu Angriffen auf israelische Soldat_innen oder Zivilpersonen durch Palästinenser_innen kommt. Palästinenser_innen dürfen einige Straßen in der Altstadt von Hebron nicht einmal betreten, so zum Beispiel die al-Shuhada-Straße. Die Bewegungsfreiheit israelischer Siedler_innen oder deren Besucher_innen wird hingegen nicht eingeschränkt. Der Anstieg der Gewalt in den besetzten palästinensischen Gebieten und Israel seit Oktober 2015 hat dazu geführt, dass die israelischen Behörden die willkürlichen und diskriminierenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Palästinenser_innen in und um die Altstadt von Hebron drastisch verstärkt haben. Einige Teile der Altstadt sind sogar zu einer "militärischen Sperrzone" erklärt worden.

Menschenrechtsverteidiger_innen in Hebron werden bereits seit langer Zeit von Angehörigen des israelischen Militärs, der israelischen Polizei und von israelischen Siedler_innen drangsaliert. Issa Amro ist immer wieder bedroht worden und hat tätliche Angriffe durch israelische Siedler_innen erlebt, bei denen häufig auch israelische Soldat_innen oder Polizeikräfte zugegen waren. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf Englisch unter https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/11/israel-opt-drop-baseless-charges-against-palestinian-human-rights-defender/. Issa Amro gibt an, mehrfach vom israelischen Militär festgenommen worden zu sein. Die Soldat_innen sollen ihm Handschellen angelegt und die Augen verbunden haben. Nach einigen Stunden in Haft ließen sie ihn wieder frei. Seine Festnahmen wurden jedoch nie offiziell registriert. Er ist der Ansicht, dass die israelische Armee so ihre Stärke beweisen und die israelischen Siedler_innen in der Stadt beschwichtigen will.

Einige der gegen Issa Amro erhobenen Anklagen, wie "Teilnahme an einem Protest ohne Genehmigung", stellen keine international als Straftat anerkannten Handlungen dar. Eine der Anklagen wegen "Tätlichkeit" bezieht sich auf einen Vorfall bei einem Protest am 20. März 2013. Zur mutmaßlichen Tatzeit befand Issa Amro sich jedoch bereits im Gewahrsam, sodass er nicht daran beteiligt gewesen sein kann. Ein Video belastet eindeutig einen anderen Mann im Zusammenhang mit dem Vorfall, bei dem die Kamera eines israelischen Siedlers zerstört wurde. Das Video können Sie unter folgendem Link ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=OVGaQGnM2Bw. Die Demonstration im März 2013 verlief friedlich. Am selben Tag besucht US-Präsident Barack Obama die besetzten palästinensischen Gebiete. Einige Demonstrierende trugen Obama-Masken und T-Shirts, auf denen "I have a dream" stand, und schwenkten die palästinensische Flagge. Die Behörden betrachteten dies als politisch und somit als strafbar.