Oppositionelle inhaftiert

In der belarussischen Hauptstadt Minsk sind am 20. Dezember 2010 die OrganisatorInnen einer größtenteils friedlichen Demonstration unter dem Verdacht, "Massenunruhen organisiert" zu haben, festgenommen worden. Die Demonstrierenden werfen der Regierung Wahlbetrug vor. Den Betroffenen, darunter sechs der insgesamt neun Präsidentschaftskandidaten der Opposition, drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Appell an

STAATSPRÄSIDENT
Alyaksandr Lukashenka
Administratsia Prezidenta Respubliki Belarus
ul. Karla Marksa, 38
220016 Minsk
BELARUS
(korrekte Anrede: Dear President Lukashenka)
Fax: (00 375) 17 226 06 10 oder (00375) 17 222 38 72
E-Mail: contact@president.gov.by

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER REPUBLIK BELARUS
S. E. Herrn Andrei Giro
Am Treptower Park 32
12435 Berlin
Fax: 030-5363 5923
E-Mail: info@belarus-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Belarussisch,Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie hiermit auf, sicherzustellen, dass Uladzimir Nyaklyayeu, Andrei Sannikau, Rygor Kastuseu, Alyaksei Mihalevich, Vital Rymasheusky, Mykalau Statkevich, Alyaksandr Atroshchenkau, Pavel Sevyarinets, Zmitser Bandarenka, Anatol Lyabedska, Anastasiya Palazhanka, Andrei Dzmitzryeu, Tatsyana Shakal, Alyaksandr Fyaduta, Alyaksandr Klaskousky, Uladzimir Kobets, Iryna Khalip und Natallya Radzina., die wegen der Organisation der Demonstrationen vom 20. Dezember in Minsk oder der Teilnahme daran festgenommen wurden, umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

  • Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Belarus als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte die Verpflichtung eingegangen ist, die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit auf dem gesamten Hoheitsgebiet zu garantieren. Jeder, der nur aufgrund der friedlichen Ausübung dieser Rechte und der friedlichen Äußerung seiner politischen Ansichten inhaftiert wird, ist als gewaltloser politischer Gefangener anzusehen.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Behörden eine umfangreiche und unabhängige Untersuchung der Ereignisse vom 20. Dezember durchführen, um die für die vor dem Parlament entstandenen Unruhen Verantwortlichen zu ermitteln, und dass alle Vorwürfe unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte untersucht werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on President Lukashenka to ensure that those detained for organizing or participating in the demonstrations in Minsk on 20 December are immediately and unconditionally released, listing their names;

  • Reminding President Lukashenka that as a state party to the International Covenant on Civil and Political Rights, Belarus has an obligation to guarantee freedom of expression and assembly to all on its territory, and that anybody prosecuted for the legitimate and peaceful expression of their political views will be considered a prisoner of conscience;

  • Urging the authorities to conduct a thorough and independent investigation into the events of 20 December to determine who was responsible for acts of vandalism to the parliament building and to investigate all allegations of disproportionate use of force by law enforcement officers.

Sachlage

Die Opposition rief bereits im Vorfeld der Wahlen ihre UnterstützerInnen dazu auf, sich nach den Präsidentschaftswahlen am 20. Dezember auf dem Oktoberplatz im Zentrum von Minsk zu versammeln. Mehr als 30.000 Demonstrierende kamen zusammen und marschierten ungehindert zum Parlamentsgebäude. Sicherheitskräfte stoppten den Verkehr, um die Protestierenden passieren zu lassen. Gegen 21 Uhr versammelten sich die Demonstrierenden vor dem Parlament und mehrere Oppositionsführer hielten Reden. Eine Gruppe von etwa 20 maskierten und mit Schlagstöcken bewaffneten Männern, die neben dem Eingang stand, rief gegen 22 Uhr die Menge dazu auf, das Regierungsgebäude zu stürmen, und begann, Fenster einzuschlagen.

AugenzeugInnen berichten, dass Mykalau Statkevich, der zu diesem Zeitpunkt eine Rede hielt, die Menge aufforderte, friedlich zu bleiben. Kurz nach Ausbruch der Unruhen erschien die Bereitschaftspolizei und räumte den Oktoberplatz.

Zahlreiche Oppositionelle hat man während der Demonstrationen und in der Folgenacht festgenommen. Einer der Demonstrierenden, Andrei Sannikau, wurde während der Auflösung der Proteste verletzt und auf dem Weg ins Krankenhaus von PolizistInnen festgenommen. Seine Ehefrau, Iryna Khalip, die ihn begleitet hatte, berichtete einem russischen Radiosender live von dem Vorfall. Uladzimir Nyaklyayeu wurde auf dem Weg zur Demonstration von Angehörigen der Sicherheitskräfte geschlagen und anschließend aus der Intensivstation eines Krankenhauses von PolizistInnen verschleppt. Unter den Inhaftierten befindet sich auch Natalya Radzina, die für die Nachrichtenwebsite Charter97 verantwortlich ist. Insgesamt hat man 18 Oppositionelle festgenommen.

Amnesty International ist der Ansicht, dass die Betroffenen nur aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden und betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene, wenn man sie wegen der Organisation oder Teilnahme an den Demonstrationen vom 20. Dezember verurteilt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Unter den Oppositionellen, die man unter dem Verdacht, "Massenunruhen organisiert" zu haben festgenommen hat, sind die Präsidentschaftskandidaten Uladzimir Nyaklyayeu, Andrei Sannikau, Rygor Kastuseu, Alyaksei Mihalevich, Vital Rymasheusky und Mykalau Statkevich, die OppositionsaktivistInnen Alyaksandr Atroshchenkau, Pavel Sevyarinets, Zmitser Bandarenka, Anatol Lyabedska, Anastasiya Palazhanka, Andrei Dzmitzryeu, Tatsyana Shakal, Alyaksandr Fyaduta, Alyaksandr Klaskousky und Uladzimir Kobets sowie die beiden Journalistinnen Iryna Khalip und Natallya Radzina.

Die OrganisatorInnen hatten keine Erlaubnis für die Demonstration eingeholt, wie es das entsprechende Gesetz über Massenaktionen vorsieht. Allerdings hatten sie das Innenministerium im Vorfeld der Kundgebung um ein Gespräch gebeten, was die Verantwortlichen im Ministerium ablehnten. In dem Gesetz über Massenaktionen heißt es, dass öffentliche Veranstaltungen nicht in einem Umkreis von 200 Metern eines U-Bahnhofs oder eines Zebrastreifens stattfinden dürfen – was das Abhalten von Kundgebungen im Zentrum von Minsk unmöglich macht, so dass alle Anfragen grundsätzlich abgelehnt werden.