Erneut im Hungerstreik

Nasrin Sotoudeh

Nasrin Sotoudeh

Die iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh ist am 31. Oktober in den Hungerstreik getreten. Sie protestiert damit gegen ihre willkürliche Inhaftierung und die schlechten Haftbedingungen. Seit ihrer Festnahme hält man sie im Evin-Gefängnis in Teheran in Einzelhaft und gestattet ihr nur hin und wieder den Kontakt mit Familienangehörigen. Sie ist eine gewaltlose politische Gefangene, die aufgrund ihrer Arbeit als Anwältin festgehalten wird.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Email: info_leader@leader.ir
oder über die Website: http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadeqh Larijani
Howzeh Riyasat-e Qoveh Qazaiyeh (Office of the Head of the Judiciary)
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: über die Internetseite:
http://www.dadiran.ir/tabid/75/Default.aspx
Erste Textzeile mit rotem Sternchen: Ihr Vorname. Zweite Textzeile mit Sternchen: Ihr Nachname. Dritte Zeile mit Sternchen: Ihre E-Mail-Adresse.

Sende eine Kopie an

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
His Excellency Mohammad Javad Larijani
Bureau of International Affairs
Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave. south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
Fax: (00 98) 21 5537 8827
E-Mail: bia.judi@yahoo.com

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. Dezember 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Mit Sorge erfahre ich, dass sich Nasrin Sotoudeh immer noch in Haft befindet und fordere Sie auf, sie umgehend und bedingungslos freizulassen, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit festgehalten wird und weil sie als Anwältin tätig ist.

  • Stellen Sie sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird und umgehend regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie einschließlich ihres Ehemanns und zu ihrem Rechtsbeistand erhält.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass die UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte nicht nur darlegen, dass Rechtsanwält_innen "alle ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrnehmen können" müssen, sondern auch ausdrücklich feststellt, dass sie das Recht auf freie Meinungsäußerung besitzen. "Insbesondere hat ein Anwalt das Recht, sich an öffentlichen Erörterungen über Angelegenheiten des Rechts, der Rechtspflege und der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte zu beteiligen."

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling for the immediate and unconditional release of Nasrin Sotoudeh, held solely for her peaceful exercise of her rights to freedom of expression and association, including her work as a lawyer;

  • Calling on the Iranian authorities to ensure that she is protected from torture or other ill-treatment while held, and she is granted immediate and regular access to her family including her husband, and her lawyer;

  • Reminding the Iranian authorities that the UN Basic Principles on the Role of Lawyers not only state that lawyers must be allowed to carry out their work "without intimidation, hindrance, harassment or improper interference" but that they are also entitled to freedom of expression, which includes "the right to take part in public discussion of matters concerning the law, the administration of justice and the promotion and protection of human rights".

Sachlage

Nasrin Sotoudeh hat sich öffentlich zu rechtsstaatlichen Mängeln und Unzulänglichkeiten der Justizverwaltung geäußert. Zu ihren Mandant_innen zählen minderjährige Straftäter_innen in Todeszellen ebenso wie die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Nach ihrer Festnahme durfte sie nur von Zeit zu Zeit ihre Familie und nur selten (möglicherweise nur einmal) ihren Anwalt anrufen. Am 31. Oktober telefonierte sie zum letzten Mal mit ihrem Ehemann. Am 3. November traf sie ihre beiden Kinder und ihre Schwester.

Ihr Mann Reza Khandan wird nicht zu ihr gelassen. Das ist vermutlich eine Repressalie, die zumindest zum Teil seinem öffentlichen Eintreten für seine Frau geschuldet ist. Ihre Kinder sollen sie am 3. November in schlechtem Zustand vorgefunden haben. Sie hatte zehn Kilogramm Gewicht verloren und hatten nach Worten ihrer Kinder "ein dunkleres Gesicht". Die Kinder sollen während und nach dem Treffen geweint haben, weshalb ein Familienmitglied den Tag als "einen der schlimmsten meines Lebens" bezeichnete. Am 31. Oktober, nach einem Treffen mit dem Generalstaatsanwalt von Teheran im Evin-Gefängnis, nahm Nasrin Sotoudeh den nach einem Monat am 26. Oktober abgebrochenen Hungerstreik wieder auf und weitete ihn auf einen trockenen Hungerstreik aus, d.h. sie trinkt nicht einmal mehr Wasser.

Bei ihrem Strafverfahren am 15. November wird sie sich wegen "Handlungen gegen die nationale Sicherheit", "Versammlung und Konspiration mit dem Ziel, die Sicherheit des Landes zu gefährden" und wegen Zusammenarbeit mit dem iranischen Menschenrechtszentrum Centre for Human Rights Defenders (CHRD), dessen Mitbegründerin Shirin Ebadi ist, verantworten müssen. Es besteht zudem die Befürchtung, dass Nasrin Sotoudeh im Gefängnis gefoltert wurde.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In den Monaten vor ihrer Festnahme wurde Nasrin Sotoudeh, gegen die schon 2008 ein Reiseverbot verhängt worden war, gewarnt, dass ihr wegen des Einsatzes für ihre Mandant_innen Vergeltungsmaßnahmen drohen könnten. Ihrem Mann Reza Khandan ist ebenfalls gedroht worden, dass seine Frau festgenommen werden könnte, wenn er sie nicht davon abhielte, Shirin Ebadi zu verteidigen.

Nasrin Sotoudehs ursprüngliche Anwältin, Nasim Ghanavi, ist von den Behörden unter Druck gesetzt worden. Man hat ihr beispielsweise mit ihrer Festnahme gedroht, dem Anschein nach, wegen ihres Mandats für Nasrin Sotoudeh. Nasim Ghanavi ist daraufhin gezwungen gewesen, sich von dem Fall zu distanzieren, da sie ihre Mandantin nicht mehr wirksam hätte vertreten können.
Da das Verhandlungsdatum für Nasrin Sotoudeh mit dem 15. November inzwischen feststeht, hat der zuständige Richter Berichten zufolge die Erlaubnis erteilt, dass sich ihr neuer Anwalt, Abdolfattah Soltani, mit ihr treffen darf und man geht davon aus, dass dieses Treffen in den nächsten Tagen oder der kommenden Woche stattfinden wird.

In den vergangenen Monaten sind Rechtsanwält_innen verstärkt verfolgt worden. So verbüßt Mohammad Olyaeifard, ein Anwalt und Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation "Ausschuss zur Verteidigung politischer Gefangener im Iran", zurzeit eine einjährige Gefängnisstrafe, weil er sich öffentlich zur Hinrichtung eines seiner Mandanten, eines minderjährigen Straftäters, äußerte (siehe Iran urged to release lawyer imprisoned for criticizing juvenile's execution, 6. Mai 2010, http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/iran-urged-release-lawyer-imprisoned-criticizing-juveniles-execution-2010-05-06). Mohammad Olyaeifard ist bei schlechter Gesundheit.

Abdolfattah Soltani und Mohammad Ali Dadkhah, beide Anwaltskollegen von Shirin Ebadi und Mitbegründer des CHRD, wurden nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 festgenommen (UA-160/2009 und UA-186/2009). Beide wurden zwar später gegen Kaution freigelassen, doch sind weiter Verfahren gegen sie anhängig, die zu ihrer Inhaftierung und ihrem Ausschluss aus der Anwaltskammer führen könnten. Ein weiterer bekannter Anwalt, Mohammad Seyfzadeh, auch Gründungsmitglied des CHRD, wurde Ende Oktober zu neun Jahren Haft und einem zehnjährigen Arbeitsverbot als Anwalt verurteilt, obwohl nur das Disziplinargericht für Anwälte ein solches Berufsverbot aussprechen darf. Die Begründung für das Arbeitsverbot lautete mit Bezug auf den CHRD "Gründung einer Organisation mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu gefährden" und "Zugehörigkeit zu einer Organisation, deren Ziel es ist, der nationalen Sicherheit zu schaden". Darüber hinaus verhängte man 2009 ein Reiseverbot gegen ihn, ebenso wie gegen Dr. Hadi Esmailzadeh, ein weiteres Mitglied des CHRD.

Andere sahen sich zu ihrer eigenen Sicherheit gezwungen, das Land zu verlassen. Zum Beispiel Shadi Sadr, die 2009 eine Woche lang in Haft genommen wurde (UA-139/2009) und Mohammad Mostafaei, der Anwalt der zur Steinigung verurteilten Sakineh Mohammadi Ashtiani (UA-175/2009). Ein anderer ihrer Anwälte, Javid Houtan Kiyan, wurde am 10. Oktober festgenommen (UA-211/2009-4).

Vor der Festnahme wurden Nasrin Sotoudehs Vermögenswerte eingefroren und sie wurde ins Finanzamt bestellt. Nach diesem Besuch berichtete sie der iranischen Menschenrechtinitiative International Campaign for Human Rights in Iran, dass sie die Fälle von 30 weiteren Anwält_innen gesehen hatte, gegen die wegen Steuerhinterziehung ermittelt werden sollte. Damit scheinen die Behörden erreichen zu wollen, dass diese Anwält_innen ihre Arbeit einstellen. Nähere Informationen dazu Iran: Lawyers’ defence work repaid with loss of freedom, 1. Oktober 2010, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/093/2010/en