Drohende Zwangsernährung

Ergebnis dieser Urgent Action

Mohammed Allan ist am 4. November nach einem Jahr ohne Anklageerhebung aus der Haft entlassen worden. Das Hohe Gericht von Israel hatte im August seine Verwaltungshaftanordnung ausgesetzt, weil er sich nach einem Hungerstreik von 65 Tagen in Lebensgefahr befand. Das israelische Militär ordnete jedoch an, er müsse den Rest seiner Verwaltungshaftstrafe verbüßen.

Karte Israel

Karte Israel

Der palästinensische Anwalt Mohammed Allan befindet sich seit dem 16. Juni aus Protest gegen seine Inhaftierung im Hungerstreik. Er wird von den israelischen Behörden seit dem 6. November 2014 ohne Anklage oder Verfahren in Haft gehalten. Die Gründe für seine Festnahme und Inhaftierung sind nicht bekannt. Mohammed Allan hat am 14. August das Bewusstsein verloren. Ihm droht die Zwangsernährung.

Appell an

GENERALDIREKTOR DES GESUNDHEITSMINISTERIUMS
Moshe Bar Siman Tov
2 Ben-Tabai St.
P.O.B. 1176
Jerusalem 91010
ISRAEL
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 972) 2 623 3026
E-Mail: mankal@moh.health.gov.il

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Gilad Erdan
Kiryat Hamemshala
PO Box 18182
Jerusalem 91181
ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

Sende eine Kopie an

MILITÄRSTAATSANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv
ISRAEL
(Anrede: Dear Judge Advocate General /
Sehr geehrter Herr Militärstaatsanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avi_n@idf.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904 5555 oder
030 8904 5309
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. September 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte schaffen Sie die Verwaltungshaft ab und lassen Sie Mohammed Allan sowie alle anderen Verwaltungshäftlinge frei, sofern sie nicht unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in einem Verfahren vor Gericht gestellt werden, das internationalen Standards entspricht.

  • Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass von einer Zwangsernährung von Hungerstreikenden grundsätzlich abzusehen ist. Jegliche Entscheidungen bezüglich einer nicht einvernehmlichen Ernährung dürfen nur von qualifiziertem medizinischem Personal und im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit getroffen werden. Die Behörden dürfen medizinisches Personal nicht zu Handlungen anweisen, die ihrem fachmännischen Urteil widersprechen, oder der Medizinethik zuwiderlaufen, laut welcher eine Zwangsernährung von psychisch gesunden Hungerstreikenden grundsätzlich ausgeschlossen ist.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Israeli authorities to end the use of administrative detention and release Mohammed Allan and all other administrative detainees unless they are promptly charged with an internationally recognizable criminal offence and brought to trial in proceedings which meet international standards.

  • Stressing that as a general rule hunger strikers should not be forcibly fed, and any decision on non-consensual feeding should be made only by qualified health professionals and only for reasons of medical necessity; the authorities must never require health professionals to act in any way contrary to their professional judgment or medical ethics, which essentially preclude compulsory feeding of mentally competent hunger strikers.

Sachlage

Der palästinensische Anwalt Mohammed Allan wurde am 6. November 2014 in seinem Haus in Einabus, einem Dorf im besetzten Westjordanland, von israelischen Sicherheitskräften festgenommen. Man legte ihm Handschellen an und brachte ihn zu seinem Büro in der Stadt Nablus im Westjordanland, wo man ihm befahl, einige seiner Fallakten vorzuzeigen. Am 11. November wurde eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung gegen ihn erlassen. Die israelischen Behörden haben bis heute weder Mohammed Allan selbst noch seinem Rechtsbeistand die Gründe für seine Festnahme und Inhaftierung genannt. Seine Verwaltungshaftanordnung wurde am 5. Mai um weitere sechs Monate verlängert. Am 16. Juni ist er in den Hungerstreik getreten, um so gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Laut der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer nimmt er seit Beginn seines Hungerstreiks nur noch Wasser zu sich.

Mitarbeiter_innen des israelischen Gefängnisdiensts informierten den Rechtsbeistand von Mohammed Allan am 7. August darüber, dass sie beabsichtigen, beim israelischen Bezirksgericht einen Antrag auf Zwangsernährung zu stellen. Sie gaben an, sich dabei auf ein neues Gesetz zu beziehen, das die Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik erlaubt. Erklärungen von israelischen Politiker_innen – unter anderem von demjenigen, der das Gesetz eingebracht hatte – deuten darauf hin, dass dieses Gesetz vor allem auf palästinensische Gefangene ausgerichtet ist.

Am 10. August wurde Mohammed Allan auf die Intensivstation des Soroka-Krankenhauses in der israelischen Stadt Be’er Sheva verlegt. Nachdem das Krankenhaus-Personal dort eine Zwangsernährung jedoch abgelehnt hatte, brachte man ihn dann in das Barzilai-Krankenhaus in der israelischen Stadt Ashkelon. Mohammed Allan lehnte auch dort eine medizinische Untersuchung ab. Obwohl er so schwach ist, dass er nicht einmal ohne Hilfe stehen kann, fesselte man ihn mit einem Hand und einem Fuß an sein Krankenhausbett. Berichten zufolge hat er am 14. August kurzzeitig das Bewusstsein verloren.

Mohammed Allan sagte seinem Rechtsbeistand am 12. August, dass er nicht sterben, sondern ein Leben in Würde leben wolle.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seitdem Mohammed Allan am 16. Juni in den Hungerstreik getreten ist, weigert er sich, jegliche Nahrungsmittel, Vitamine und Mineralien zu sich zu nehmen, und trinkt ausschließlich Wasser. Nachdem sein Zustand sich am 14. August verschlechtert und er das Bewusstsein verloren hatte, führte man ihm intravenös Mineralien zu.

Die Verwaltungshaft wurde angeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen. Seit Jahren setzt Israel diese Form der Haft jedoch auch gegen Personen ein, die entsprechend der Vorschriften der Strafprozessordnung festgenommen, angeklagt und vor Gericht gestellt werden müssten. Zudem werden Personen in Verwaltungshaft genommen, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Verwaltungshaftanordnungen können immer wieder verlängert werden. Amnesty International ist der Ansicht, dass es sich bei einigen der Palästinenser_innen in israelischer Verwaltungshaft um gewaltlose politische Gefangene handelt, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft gehalten werden. Das israelische Militär behält die gegen Verwaltungshäftlinge vorliegenden Beweismittel meist ein und beruft sich dabei auf Sicherheitsgründe. Dies führt dazu, dass die Betroffenen keine Möglichkeit haben, gegen ihre Inhaftierung vorzugehen.

Die Verhängung von Verwaltungshaft gegen Palästinenser_innen ist in Israel weit verbreitet. Viele der betroffenen palästinensischen Inhaftierten und Gefangenen sind in den Hungerstreik getreten, um so gegen ihre Haftbedingungen und ihre Inhaftierungen ohne Anklage zu protestieren. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’tselem befanden sich Ende Juni 2015 insgesamt 370 Palästinenser_innen in israelischen Hafteinrichtungen in Verwaltungshaft. Laut der palästinensischen NGO Addameer, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt, befinden sich derzeit sieben palästinensische Gefangene im Hungerstreik. Israelische Staatsbürger_innen sind nur sehr selten von Verwaltungshaft betroffen. Nach der Tötung des Palästinensers Ali Dawbashe und seines Sohnes Saad Dawbashe im Zusammenhang mit einem Brandanschlag Anfang August 2015 wurden jedoch drei Israelis in Verwaltungshaft genommen. Amnesty International fordert die israelischen Behörden beständig dazu auf, die Verwaltungshaft abzuschaffen, da sie gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt.

Das israelische Parlament, die Knesset, hat am 30. Juli 2015 ein Gesetz verabschiedet, das die Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik in Extremfällen erlaubt, wenn ein Bezirksgericht seine Zustimmung gibt und ein medizinischer Bericht vorliegt, der belegt, dass sich der oder die Betroffene in einem bedrohlichen Zustand befindet.

Erklärungen des israelischen Politikers, der das Gesetz zur Zwangsernährung von Gefangenen eingebracht hat, deuten darauf hin, dass das Hauptziel dieses Gesetzes nicht die Gesundheit der Gefangenen ist. Vielmehr scheint es darauf abzuzielen, Zugeständnisse wie die Freilassung von Verwaltungshäftlingen zu vermeiden. Die israelische Zeitung Haaretz zitierte am 14. Juni folgende Aussage von Gilad Erdan, dem Minister für öffentliche Sicherheit: "Sicherheits-Gefangene wollen den Hungerstreik als eine neue Form des Selbstmordattentats einsetzen, um so den Staat Israel zu bedrohen. Wir werden nicht zulassen, dass uns jemand bedroht, und wir werden nicht zulassen, dass Gefangene in unseren Gefängnissen sterben."

Die Gesundheitsversorgung von Gefangenen muss internationalen Gesetzen und Standards zum Recht auf Gesundheit und der Medizinethik entsprechen. Dies schließt auch die Patientenrechte auf Schweigepflicht, Selbstbestimmung und informierten Einwilligung ein (welche auch das Recht umfasst, einen Eingriff – bei dem es sich auch um das Verabreichen von Nahrung handeln kann – abzulehnen). Die Entscheidung darüber, ob eine nicht einvernehmliche Ernährung durchgeführt werden muss, darf nur von qualifiziertem medizinischem Personal und im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit getroffen werden. Das Fachpersonal muss den psychischen Zustand und die Wünsche der oder des Hungerstreikenden im Rahmen vertraulicher Gespräche erörtern und diese dann bei der Entscheidungsfindung miteinbeziehen. Die Medizinethik verbietet medizinischem Personal grundsätzlich die Zwangsernährung von psychisch gesunden Hungerstreikenden. Das medizinische Personal in Gefängnissen hat sowohl Verpflichtungen gegenüber den Häftlingen – vor allem gegenüber denen, die sich in ihrer Behandlung befinden – als auch gegenüber den Gefängnisbehörden. Die Behörden dürfen medizinisches Personal jedoch nicht anweisen, entgegen ihrer fachlichen Einschätzung oder medizinethischer Grundsätze zu handeln. Amnesty International lehnt die nicht einvernehmliche Ernährung von Hungerstreikenden ohne medizinische Aufsicht ab, wenn diese nicht aus medizinischen Gründen durchgeführt wird oder in ihrer Ausführung grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkommt. Kein Gefangener oder Häftling darf wegen eines Hungerstreiks bestraft oder zum Beenden eines Hungerstreiks gezwungen werden.