Anwalt in Haft
Der Rechtsanwalt Ren Quanniu wurde am 9. Juli unter dem Verdacht, "Streit angefangen und Ärger provoziert" zu haben, festgenommen. Er hatte zuvor Sorge um seiner Mandantin Zhao Wei geäußert und Untersuchungen zu ihrer Inhaftierung beantragt. Er ist in Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden.
Appell an
LEITER DER BEHÖRDE FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT IN ZHENGZHOU
Shen Qinghuai
Zhengzhou Shi Gong’an Ju
110 Erqilu 450000
Zhengzhou Shi
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
LEITER DER HAFTEINRICHTUNG NR. 3 IN ZHENGZHOU
Zhao Yuexi
Guxu Lu, Guying Zhen, Huiji Qu
Zhengzhou Shi, 450000
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Sende eine Kopie an
MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Guo Shengkun
No 14. Dong Chang’an Jie
Dongchengqu, Beijing 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA
E-Mail: gabzfwz@mps.gov.cn
BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. August 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
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Bitte lassen Sie Ren Quanniu sofort und bedingungslos frei, da er nur aufgrund seiner legitimen Arbeit als Anwalt inhaftiert ist.
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Sorgen Sie bitte dafür, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderweitigen Misshandlungen geschützt ist und Zugang zu Rechtsbeiständen seiner Wahl und zu seiner Familie erhält.
- Bitte stellen Sie sicher, dass die Familie und Rechtsbeistände von Ren Quanniu nicht drangsaliert und eingeschüchtert werden.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Urging Chinese authorities to immediately and unconditionally release Ren Quanniu, who has been detained for carrying out his legitimate professional activities as a lawyer
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Urging them to ensure that while in detention Ren Quanniu has regular, unrestricted access to family and lawyers of his choice, and that he is not subjected to torture or other ill-treatment.
- Urging them to ensure that Ren Quanniu’s family and lawyers are free from any harassment and intimidation.
Sachlage
Ren Quanniu wurde am 9. Juli unter dem Verdacht, "Streit angefangen und Ärger provoziert" zu haben, festgenommen. Diese Anklage wird häufig eingesetzt, um Aktivist_innen in China zu inhaftieren. Ren Quanniu hatte zuvor Sorge um seine Mandantin Zhao Wei geäußert. Zhao Wei war eine Mitarbeiterin des Menschenrechtsanwalts Li Heping, der sich ebenfalls in Haft befindet. Sie wurde am 10. Juli 2015 festgenommen und kam laut einem Beitrag, der auf der offiziellen Seite der Behörde für Öffentliche Sicherheit in Tianjin in einem sozialen Netzwerk am 7. Juli veröffentlicht wurde, gegen Kaution frei. Am 8. Juli erklärte die Behörde für Öffentliche Sicherheit in Zhengzhou dann in einem Eintrag im Internet, dass Ren Quanniu in Gewahrsam genommen worden sei und er am 9. Juli zugegeben habe, Gerüchte über die sexuelle Belästigung von Zhao Wei in Haft erfunden zu haben. Ren Quanniu traf sich am 11. Juli mit seinen Rechtsbeiständen in der Hafteinrichtung Nr. 3 in Zhengzhou. Laut seinen Rechtsbeiständen ist Ren Quanniu in guter psychischer Verfassung und hat abgestritten, die ihm vorgeworfene Straftat gestanden zu haben. Er beteuere seine Unschuld und versichere, dass alle seine Handlungen im Zusammenhang mit seiner Arbeit als Anwalt von Zhao Wei uneingeschränkt rechtmäßig waren.
Die Ehefrau von Ren Quanniu, Hu Youling, wurde am 13. Juli von drei Polizist_innen zum Verhör mitgenommen. Sie kam noch am selben Tag wieder frei. Zhang Zunjie, einer der Anwälte von Ren Quanniu, gab an, dass sein Arbeitgeber ihm aufgetragen habe, den Fall niederzulegen. Chang Boyang, ein weiterer Anwalt von Ren Quanniu, berichtete, dass zwei Polizist_innen ihn am Morgen des 14. Juli abfingen, als er gerade sein Wohnhaus verließ. Sie wiesen ihn an, täglich bei ihnen anzurufen bzw. bei der Polizei vorstellig zu werden.
Der Grund für die Inhaftierung von Ren Quanniu sind breit diskutierte Berichte in sozialen Medien, denen zufolge Zhao Wei in Haft möglicherweise sexuell belästigt wurde. Am 27. Mai hatte Ren Quanniu im Netz eine Nachricht gepostet, in der er seine Sorge über diese Berichte zum Ausdruck brachte. Da die Behörden ihm Besuche bei Zhao Wei in Haft verweigerten, war es ihm nicht möglich, die Vorwürfe selbst zu überprüfen. Er erklärte, dass er einen offiziellen Antrag auf Einleitung von Untersuchungen zu der Situation von Zhao Wei in Haft bei der Staatsanwaltschaft in Tianjin eingereicht habe.
Hintergrundinformation
Seit Beginn beispielloser landesweiter Maßnahmen der chinesischen Behörden gegen Menschenrechtsverteidiger_innen und Aktivist_innen am 9. Juli 2015 sind bereits mindestens 248 Personen inhaftiert und verhört worden. Zu den Betroffenen gehören Menschenrechtsanwält_innen, deren Mitarbeiter_innen und sogar ihre Angehörigen. Mindestens 17 Anwält_innen oder Aktivist_innen sind inhaftiert worden. Gegen 13 von ihnen wurde Anklage wegen Straftaten erhoben, die die Sicherheit des Staates gefährden. Fast allen Inhaftierten werden rechtlicher Beistand und Familienbesuche verweigert.
Zhao Wei war eine der Assistent_innen des Menschenrechtsanwalts Li Heping aus Peking. Sie unterstützte Li Heping bei Fällen, in denen er Opfer von rechtswidrigen Zwangsräumungen und anderen Menschenrechtsverletzungen vertrat. Nachdem sie am 10. Juli in Gewahrsam genommen worden war, bestellte ihre Mutter Ren Quanniu als Anwalt. Er wurde Ende Juli 2015 mündlich von einem Mitarbeiter der Behörde für Öffentliche Sicherheit von Tianjin aus der Niederlassung im Bezirk Hexi darüber informiert, dass Zhao Wei unter dem Verdacht "Streit angefangen und Ärger provoziert" zu haben, offiziell inhaftiert worden sei. Am 22. September 2015 teilte man ihm erneut nur mündlich mit, dass seine Mandantin "an einem bestimmten Ort unter häusliche Überwachung" gestellt worden sei, weil man ihr "Anstiftung zum Umsturz der Regierung" vorwerfe. Während ihrer Inhaftierung lehnten die Behörden alle Anträge von Ren Quanniu, sie zu besuchen, ab. Als Begründung gaben sie an, dass sie in einen Fall verwickelt sei, in dem es um die "Gefährdung der nationalen Sicherheit" gehe und ein Besuch von ihm die Ermittlungen stören würde. Erst am 11. Januar 2016 informierten Angehörige der Behörde für Öffentliche Sicherheit die Mutter von Zhao Wei und Ren Quanniu darüber, dass sie in der Hafteinrichtung Nr.1 in Tianjin festgehalten wird.
Am 28. Januar ging Ren Quanniu zur Hafteinrichtung Nr. 1, um seine Mandantin zu besuchen. Man sagte ihm jedoch, Zhao Wei habe einen anderen Anwalt beauftragt und er sei in der Folge nicht länger für ihre Vertretung zuständig. Die Mutter von Zhao Wei streitet dies ab. Ren Quanniu hatte zudem herausgefunden, dass nun die Behörde für Öffentliche Sicherheit in Tianjin den Fall übernommen hatte. Er reichte noch am selben Tag Klage gegen diese Behörde wegen Behinderung seiner Tätigkeit als Anwalt von Zhao Wei ein. Vor seiner Festnahme hatte er darauf noch keine Antwort der Staatsanwaltschaft erhalten.
Erkenntnissen von Amnesty International zufolge ist es in China üblich, dass die Behörden inhaftierten Menschenrechtsverteidiger_innen andere Rechtsbeistände zuteilen. Man zwingt sie, die von ihnen bestellten Anwält_innen zu entlassen, oder behauptet, sie hätten dies getan. Anschließend werden sie gezwungen, mit den von den Behörden bestellten Rechtsbeiständen zu arbeiten. Manchmal erhalten sie gar keinen Zugang zu rechtlichem Beistand.
Am 8. Juli postete das Ministerium für Öffentliche Sicherheit einen Artikel mit dem Titel "Anwälte, die Gerüchte in die Welt setzen, müssen bestraft werden" auf seiner Webseite. Erst einen Tag zuvor war bekanntgegeben worden, dass Zhao Wei gegen Kaution aus der Haft entlassen wurde. Nach dem 7. Juli sind einige wenige Beiträge auf der Seite von Zhao Wei in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht worden. In einer Nachricht schrieb sie, dass sie schockiert darüber sei, dass Ren Quanniu das Gerücht gestreut hat, sie sei sexuell belästigt worden. Der Verbleib von Zhao Wei ist jedoch noch immer nicht bekannt. In einem Online-Beitrag dankte sie ihren Unterstützer_innen und den "zahllosen hilfsbereiten und ehrlichen uniformierten Polizeikräften", die an ihrem Fall mitgearbeitet haben. Dies ließ Bedenken laut werden, die Nachricht könne ihr diktiert oder von Polizist_innen selbst geschrieben worden sein. Am 10. Juli sprach Zhao Wei telefonisch mit der Zeitung South China Morning Post (SCMP) und wiederholte die im Internet erschienenen Nachrichten. Die SCMP erklärte jedoch, dass sie den Aufenthaltsort von Zhao Wei nicht ausfindig machen konnten und auch nicht wissen, ob sie während des Interviews unter Beobachtung stand. Die Bitte um ein persönliches Interview habe sie abgelehnt. Der Ehemann von Zhao Wei, der seit ihrer vermeintlichen Freilassung weder mit ihr reden konnte, noch sie gesehen hat, sagte der SCMP gegenüber, dass er nicht glaube, dass seine Frau die Verfasserin dieser Beiträge ist. Er geht davon aus, dass man sie gezwungen hat, sie zu schreiben. Am 13. Juli veröffentlichte Ji Huiyun, die sich als eine der Verteidiger_innen von Zhao Wei ausgab, über ein soziales Netzwerk ein Foto eines handgeschriebenen Briefes. Darin gab Zhao Wei ihr die Erlaubnis, wegen Diffamierung im Zusammenhang mit der Verbreitung falscher Berichte über ihre sexuelle Belästigung in Haft gegen Ren Quanniu vorzugehen.