Guantánamo-Häftling überstellt
Am 11. Juni 2009 wurde Mohammed el Gharani von Guantánamo in den Tschad überstellt – nahezu fünf Monate, nachdem ein US-Bundesbezirksrichter seine Freilassung angeordnet hatte. Nachdem er im Alter von 14 Jahren verhaftet worden war, verbrachte er mehr als sieben Jahre in US-amerikanischer Haft. Weitere Einzelheiten über die Überstellung oder die derzeitige Verfassung von Mohammed el Gharani liegen Amnesty International nicht vor.
Sachlage
Als das US-Justizministerium bekannt gab, dass der tschadische Staatsbürger in sein Heimatland gebracht werde, macht es keine Angaben darüber, warum so viel Zeit seit der richterlichen Anordnung der Freilassung von Mohammed el Gharani vergangen war. Das Urteil des Bundesbezirksrichters wird zwar erwähnt, aber es wird auch angegeben, dass der Transfer das Ergebnis der von Präsident Obama am 22. Januar 2009 angeordneten Überprüfungen der Verfahren von Guantánamo-Häftlingen ist (siehe Amnesty-Bericht: The promise of real change. President Obama’s executive orders on detentions and interrogations, 30 January 2009, http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/015/2009/en).
Richter Richard Leon hatte am 14. Januar el Gharanis Haft für "ungesetzlich" erklärt und seine sofortige Freilassung angeordnet. Der in Saudi-Arabien geborene und aufgewachsene tschadische Staatsbürger wurde seit Februar 2002 in Guantánamo festgehalten. Er wurde im Alter von 14 Jahren Ende 2001 von pakistanischen Sicherheitskräften in Pakistan in Gewahrsam genommen, den US-Behörden übergeben und zum US-Luftwaffenstützpunkt Kandahar in Afghanistan gebracht, ehe man ihn nach Guantánamo überstellte. Während seiner Zeit in US-Gewahrsam wurde er misshandelt (siehe USA: Judge orders release of detainee held in Guantánamo as child 'enemy combatant’, 15. Januar 2009, http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/006/2009/en).
Das Völkerrecht sieht die Festnahme und Inhaftierung eines Kindes nur als letztmögliche Maßnahme vor. Die Inhaftierung soll so kurz wie möglich dauern, und jedes Kind, das unter Freiheitsentzug steht, sollte human, mit Respekt für die angeborene Menschenwürde und dem Alter gemäß behandelt werden. Laut dem Völkerrecht müssen Staaten im Rahmen aller Handlungen, die Kinder betreffen, welche in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind, die Wahrung der Interessen des Kindes als oberste Priorität ansehen. Im Fall der Behandlung der Kinder, die unter der Bush-Regierung als "feindlicher Kämpfer" eingestuft wurden, haben die USA aber nicht nach diesem Grundsatz gehandelt, sondern ihre eigenen Interessen in Bezug auf die nationale Sicherheit vor die des Kindes gestellt. Offensichtlich haben die USA nie berücksichtigt, dass Mohammed el Gharani zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch ein Kind war.
Vor kurzem wurden sechs weitere Guantánamo-Häftlinge aus unbefristeter Militärhaft entlassen. Am 11. Juni 2009 überstellten die US-Behörden vier uigurische Gefangene nach Bermuda , und ein irakischer Staatsbürger wurde in den Irak gebracht. Am 9. Juni wurde der aus Tansania stammende Ahmed Khalfan Ghailani nach New York überstellt, um dort einem Bundesbezirksrichter vorgeführt zu werden. Zuvor hatte ihm ein Prozess vor einer Militärkommission in Guantánamo gedroht. Anfang des Jahres wurden zwei weitere Häftlinge aus Guantánamo entlassen: Der früher in Großbritannien wohnhafte Äthiopier Binyam Mohammed wurde im Februar nach Großbritannien überstellt, und den Algerier Lakhdar Boumediene brachte man Mitte Mai nach Frankreich.
Berichten zufolge werden noch immer 232 Häftlinge in Guantánamo festgehalten. Amnesty International ist weiterhin besorgt hinsichtlich der langsamen Klärung der Fälle der Gefangenen.
Am 12. Juni jährte sich das Urteil Boumedine vs. Bush des Obersten Gerichtshofs der USA, welches besagt, dass Häftlinge in Guantánamo das verfassungsmäßige Recht haben, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor einem US-Bundesgericht anzufechten. Bisher erfolgten nur für eine Handvoll der Häftlinge Anhörungen aufgrund ihrer Klagen. Einige, die vor Gericht erwirken konnten, dass ihre Haft als unrechtmäßig eingestuft wurde, befinden sich dennoch seit vielen Monaten immer noch in Haft. Beispielsweise befinden sich 13 uigurische Männer noch immer in unbefristeter Haft in Guantánamo, obwohl vor mehr als acht Monaten ein US-Bundesrichter verfügte, dass ihre Inhaftierung nicht rechtmäßig sei und man sie unverzüglich in die USA freilassen müsse. Die US-Behörden legten erfolgreich Rechtsmittel ein, und der Fall wird nun vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt werden. Die Behörden behalten die Uiguren weiterhin mit dem Argument in Haft, dass es Sache politischer Gremien der Regierung sei, zu entscheiden, wer in die USA einreisen dürfe. Für weitere Informationen siehe USA: Detainees continue to bear costs of delay and lack of remedy, April 2009, http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/050/2009/en.
Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind zurzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben.