Willkürliche Haft unter schlechten Bedingungen

Zhen Jianghua ist hinter Gittern, seine Hände an den Gitterstäben. An der Außenwand ein Schild: Polizeiwache.

Der chinesische Menschenrechtsverteidiger Zhen Jianghua hinter Gittern auf einer Polizeiwache

Am 25. Mai ist George Livio Bahara aus der Haft entlassen worden. Er gehörte zu der Gruppe von Männern, die willkürlich in einem Gefängnis des Geheimdienstes NSS gefangen gehalten werden. Myke Tyson, ein anderer Häftling, starb am 29. Juni im Gefängnis. 21 Männer bleiben weiterhin unter sehr schlechten Bedingungen in dem NSS-Gefängnis inhaftiert. Es gibt keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung.

Appell an

Präsident der Republik Südsudan

Salva Kiir Mayardit

c/o


Botschaft der Republik Südsudan

I. E. Frau Sitona Abdalla Osman

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die NSS-Gefangenen ohne Verzögerungen angeklagt und einem Gericht vorgeführt werden, sofern glaubwürdige Beweise einer international als Straftat anerkannten Handlung vorliegen. Lassen Sie sie andernfalls umgehend frei.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die Inhaftierten bis zu ihrer Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt werden.
  • Gewähren Sie ihnen bitte Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl sowie Besuche von ihren Angehörigen.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass sofort eine zielführende und unparteiische Untersuchung zu der Inhaftierungspraxis des NSS durchgeführt wird, darunter auch zu Fällen von Verschwindenlassen, Tod im Gewahrsam sowie zu Folter oder anderweitiger Misshandlung. Veröffentlichen Sie die Ergebnisse und stellen Sie die Verantwortlichen ohne Rückgriff auf die Todesstrafe in fairen Verfahren vor Gericht.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Personen, die ohne Anklage aus der Haft entlassen wurden, unverzüglich angemessene Entschädigungen erhalten, was sowohl die medizinische als auch psychologische Rehabilitation umfasst.

Sachlage

George Livio Bahara, ein Journalist des UN-Radios Miraya, wurde am 22. August 2014 in Wau festgenommen, der Hauptstadt des Bundesstaats Western Bahr el Ghazal. Nachdem er zwei Nächte lang in einer Haftanstalt des Geheimdienstes (National Security Service – NSS) in Wau festgehalten wurde, brachte man ihn am 24. August 2014 in die Zentrale des NSS im Stadtteil Jebel von Juba. Am 24. Mai 2017 ordnete das Büro des Präsidenten seine Freilassung an, woraufhin er am 25. Mai ohne Anklage aus der Haft entlassen wurde. Justine Wanawila und Martin Augustino wurden etwa zur selben Zeit wie George Livio in Wau festgenommen. Sie bleiben jedoch weiterhin in Haft.

Am 29. Juni starb Mike Tyson im NSS-Gefängnis; sein Leichnam wurde ins Lehrkrankenhaus von Juba gebracht. Er war Mitte 2014 in seinem Wohnort Ikotos festgenommen und anfangs in der Haftanstalt des NSS in Juba festgehalten worden, bis man ihn Ende 2016 in die Zentrale des NSS verlegte. Amnesty International ist der Ansicht, dass die schlechten Haftbedingungen und der Mangel an medizinischer Versorgung zu seinem Tod beigetragen haben.

Amnesty International ist um die physische und psychische Gesundheit von mindestens 21 verbleibenden Gefangenen besorgt, denen größtenteils vorgeworfen wird, Verbindungen zur Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung/-armee – in Opposition (Sudan People’s Liberation Movement-In Opposition – SPLM/A-IO) zu haben oder sie zu unterstützen. Es liegen jedoch keine Anklagen wegen strafbarer Handlungen gegen sie vor. Den Inhaftierten wird das Recht vorenthalten, umgehend einem Gericht vorgeführt zu werden, sowie das Recht, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft prüfen zu lassen. Einige von ihnen werden ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und ihren Angehörigen festgehalten. Amnesty International hat Berichte erhalten, dass die Gefangenen nur noch unregelmäßig Mahlzeiten bekommen; teilweise nicht einmal eine einzige am Tag. James Gatdet, der am 3. November 2016 rechtswidrig aus Kenia abgeschoben worden war, wird seit nun bald sieben Monaten in Einzelhaft gehalten, ohne die Möglichkeit, Tageslicht zu sehen oder sich körperlich zu betätigen, und mit extrem eingeschränkter sozialer Interaktion.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit Beginn des internen bewaffneten Konflikts im Südsudan im Dezember 2013 sind willkürliche Festnahmen, anhaltende Inhaftierungen und Fälle von Verschwindenlassen vermeintlicher Regierungsgegner_innen durch den südsudanesischen Geheimdienst NSS und den militärischen Geheimdienst der Armee angestiegen. Amnesty International hat zahlreiche Inhaftierungen durch den NSS in verschiedenen Hafteinrichtungen dokumentiert, in denen die Inhaftierten häufig gefoltert und in anderer Weise misshandelt werden. Amnesty International befürchtet, dass zusätzlich zu diesen 21 Personen viele weitere Menschen nicht nur in der Zentrale des NSS in Juba, sondern auch in anderen Einrichtungen des NSS oder in militärischen Einrichtungen im gesamten Land willkürlich inhaftiert und schlechten Haftbedingungen ausgesetzt sind.

Ein Gesetz von 2014 erteilt dem NSS weitreichende Befugnisse zur Festnahme und Inhaftierung von Personen. Mechanismen zur unabhängigen Überprüfung dieser Befugnisse oder ausreichende Schutzmaßnahmen gegen deren Missbrauch wurden in dem Gesetz jedoch nicht festgelegt. Das Gesetz macht keine genauen Angaben über zulässige Hafteinrichtungen und garantiert keine grundlegenden Rechte für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren, wie zum Beispiel das Recht auf einen Rechtsbeistand oder das Recht, innerhalb eines vertretbaren Zeitraums ein Verfahren zu erhalten. Das Gesetz gibt dem NSS faktisch einen Freibrief zur Weiterführung und Ausweitung seiner langjährigen Praxis willkürlicher Inhaftierungen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

In der Zentrale des NSS im Stadtteil Jebel von Juba erhalten die Gefangenen eine einseitige Ernährung bestehend aus Bohnen und Posho (ein traditionelles Maisgericht). Die meisten Gefangenen schlafen auf dem Boden. Einige Männer sind geschlagen worden, die meisten von ihnen während ihrer Verhöre oder als Form der Bestrafung. Die Gefangenen haben pro Woche nur etwa eine Stunde Ausgang. Aufgrund der schlechten Haftbedingungen und des mangelnden Zugangs zu medizinischer Versorgung hat sich der Gesundheitszustand mehrerer Gefangener sehr verschlechtert. Einige sind Berichten zufolge nicht mehr in der Lage zu laufen oder zeigen Symptome wie Blut in Stuhl und Urin und Erbrechen. Einige Gefangene litten bereits vor der Haft an Krankheiten wie Bluthochdruck, die sich durch die Haft noch verschlechtert haben. Im Juli 2016 ist ein Insasse Berichten zufolge nach einer nicht behandelten Bandwurminfektion gestorben. James Lual und Anthony Nyero arbeiten für die Mission der Vereinten Nationen in Südsudan (UNMISS). Sie befinden sich weiterhin in Haft, ohne angeklagt oder einem Gericht vorgeführt worden zu sein.