USA: Hinrichtung in Alabama

Diese Urgent Action ist beendet.

Matthew Reeves wurde am Abend des 27. Januar 2022 in Alabama durch die Giftspritze hingerichtet. Die Gouverneurin von Alabama wollte nicht intervenieren und auch der Oberste Gerichtshof der USA lehnte eine einstweilige Verfügung gegen die Hinrichtung ab. Sie sollte sicherstellen, dass Matthew Reeves nicht mit der Giftspritze hingerichtet würde.

Das Bild zeigt einen Anstecker an einem T-Shirt . Auf dem Anstecker steht "Death Penalty". Die Worte sind durchgestrichen.

Sachlage

Matthew Reeves gab keine letzte Stellungnahme ab, bevor ihm die tödliche Injektion verabreicht wurde. Er wurde um 21.24 Uhr, ungefähr 21 Minuten nach Beginn der tödlichen Injektion für tot erklärt.

In einer Stellungnahme ließ Gouverneurin Kay Ivey verlauten, dass das Todesurteil fair gewesen wäre, und in dieser Nacht der Gerechtigkeit Genüge getan worden wäre. Unter denen, die sie wegen einer Begnadigung kontaktiert hatten, war der Botschafter der Europäische Union in den USA. Am 20. Januar 2022 hatte er der Gouverneurin mit dem Anliegen geschrieben, die Hinrichtung nicht durchzuführen.

Matthew Reeves wurde 1998 wegen eines Mordes zum Tode verurteilt, den er 1996 mit 18 Jahren in Selma, Alabama, begangen haben soll. Die gesamte Anhörung zur Strafzumessung dauerte nur 90 Minuten. Die Geschworenen sprachen sich mit zehn zu zwei Stimmen für ein Todesurteil aus. Die Strafverteidiger_innen hatten damals kein Gutachten zu Matthew Reeves' geistiger Behinderung eingereicht. Bei einer staatlichen Wiederaufnahmeanhörung sagte jedoch ein Experte auf Seiten des Verteidigungsteams aus, dass Matthew Reeves eine geistige Behinderung hätte. Der Bundesstaat lud eine_n Neuropsycholog_in vor, der_die aussagte, dass Reeves einen IQ von 68 hätte und "sich bestenfalls im Grenzbereich der intellektuellen Leistungsfähigkeit befände". Das Bundesberufungsgericht mit Zuständigkeit in Florida, Alabama und Georgia (11th Circuit Court of Appeals) entschied 2020, dass die Rechtsbeistände in Matthew Reeves' Prozess nur eine "mangelhafte" Leistung erbracht hätten. Die strafmildernden Faktoren, welche die Rechtsbeistände nicht beigebracht hatten, hätten starken Einfluss auf den Prozess nehmen können. Dass sie fehlten, ließ nach Ansicht des Gerichts Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils zu. Jedoch kippte der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung ohne Reeves die Möglichkeit zu gewähren, die Angelegenheit darzulegen oder mündlich angehört zu werden. Drei Richter_innen hatten abweichende Meinungen dazu. Zwei von ihnen merkten sogar an, dass die Entscheidung zu einer betrüblichen Entwicklung beitragen würde, in welcher Mitglieder des Obersten Gerichtshofs sich bemühen, jegliche Rechtsmittelanträge von Häftlingen, die zum Tod verurteilt sind, kurzerhand abzulehnen.

Am 7. Januar 2022 erließ ein Bundesrichter die einstweilige Verfügung dagegen, dass Matthew Reeves' Hinrichtung durch eine andere Methode als durch Stickstoff durchgeführt werden könne. Der Staat Alabama hatte denjenigen, die zum Tode verurteilt waren, die einmalige Möglichkeit angeboten, diese neuartige Methode anstatt der vorgegebenen Todesspritze auszuwählen. Mathew Reeves hatte dieses Auswahlformular nicht ausgefüllt, doch seine Rechtsbeistände berichteten, dass er die Erstickungsmethode gewählt hätte. Wegen seiner kognitiven Defizite stimmte der Bundesrichter zu, dass Matthew Reeves das Formular ohne Unterstützung nicht lesen oder verstehen konnte. Dass er diese Unterstützung nicht erhalten habe, sei aufgrund seiner Behinderung diskriminierend. Das Gericht entschied, dass es für den Bundesstaat nicht von Nachteil wäre, die Hinrichtung aufzuschieben, bis ein Protokoll zur Anwendung der Hinrichtung mit Stickstoff fertiggestellt wäre. Anscheinend wäre dieses in nur wenigen Monaten bereit gewesen. Doch die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein. Am 26. Januar 2022 bestätigte ein dreiköpfiges Richtergremium des Bundesberufungsgerichts die einstweilige Verfügung. Sie gaben als Grund für ihre Entscheidung u. a. ein Sachverständigengutachten an, welches bestätigte, dass Matthew Reeves die Sprachkompetenz eines Kindes im Alter von vier bis zehn Jahren besaß. Dies liegt natürlich deutlich unter der Sprachkompetenz, die benötigt wird, um ein Hinrichtungsformular zu verstehen.

Der Bundesstaat legte beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel ein und die Hinrichtung, welche für 18 Uhr Ortszeit angesetzt war, wurde für die Zeit, in der die Richter_innen des Obersten Gerichtshofs den Fall besprachen, verzögert. Um 19.25 Uhr wurde die Aussetzung aufgehoben, nachdem die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs sich mit fünf zu vier Stimmen dafür aussprachen, der einstweiligen Verfügung nicht stattzugeben. Drei Richter_innen des Obersten Gerichtshofs begründeten ihren Dissens zu dieser Entscheidung damit, dass vier Richter_innen an zwei Gerichten "nach einer umfangreichen Erschließung von Nachweisdokumenten, einem Briefing, und einer Diskussion" zu dem Schluss gekommen seien, dass die Hinrichtung verhindert werden sollte. Dennoch ignorierte der Oberste Gerichtshof diese von vorinstanzlichen Gerichten gefundene, aussagekräftige (mit Argumenten gestützte) Beweiserhebung. Einer der Rechtsbeistände von Matthew Reeves sagte, dass die "fehlende Erkärungsbereitschaft des Obersten Gerichtshofs zu dieser Entscheidung enttäuschend und entmutigend" sei.

Im Jahr 2022 war Matthew Reeves' Hinrichtung die erste in Alabama und die zweite in den USA. Seit 1976, als der Oberste Gerichtshof neue Satzungen zur Todesstrafe bestätigte, wurden 1.542 Todesurteile in den USA vollstreckt. 69 dieser Hinrichtungen entfallen auf Alabama.

Vielen Dank allen, die mit Appellen versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern.