Ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert

Ein Mann trägt ein rotes T-shirt und einen blauen Turban um den Kopf gewickelt.

Der pakistanische Menschenrechtsverteidiger Seengar Noonari

Am 2. April durchsuchten Angehörige der militärischen Spionageabwehr das Haus von Maury Carrero in Caracas und nahmen sie willkürlich fest, weil sie Verbindungen zu eine_r Berater_in des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó haben soll. Nachdem sie anfangs noch in sehr geringem Umfang Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen und ihrer Familie hatte, ist sie seit dem 1. Mai ganz ohne Kontakt zur Außenwelt. Maury Carrero drohen Folter und Verschwindenlassen - beide sind übliche Praxis in Venezuela.

Appell an

Presidente Nicolás Maduro

Palacio de Miraflores

Av. Nte. 10

Caracas 1012, Distrito Capital

VENEZUELA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela

S. E. Herrn Ramon Orlando Maniglia Ferreira

Schillstraße 10

10785 Berlin


Fax: 030-832 224 020

E-Mail: embavenez.berlin@botschaft-venezuela.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Maury Carrero frei, bis die Ermittlungen, die unter Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze durchgeführt werden müssen, abgeschlossen sind.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die DGCIM bis dahin die Unversehrtheit von Maury Carrero gewährleistet und ihr unverzüglich angemessenen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und ihrer Familie gewährt.

Sachlage

Am 2. April 2020 nahmen ungefähr 15 Angehörige der militärischen Spionageabwehr DGCIM Maury Carrero willkürlich fest. Sie durchsuchten auch das Haus von Maury Carrero und nahmen dabei viele Wertgegenstände und elektronische Geräte der Familie an sich. Im Durchsuchungsbefehl tauchte der Name von Maury Carrero nicht auf. Die DGCIM-Beamt_innen behaupteten gegenüber ihren Eltern, dass sie die Tochter nur vorübergehend mitnehmen und sie wieder nach Hause bringen würden. Doch Maury Carrero kam an diesem Abend nicht mehr nach Hause. Seither wird ihr nur etwa einmal pro Woche ein sehr kurzer Anruf gestattet, bei dem ständig Beamt_innen zugegen sind und sie weder frei noch sicher über ihre Haftbedingungen sprechen kann. Ihre Familienangehörigen wissen nicht, wo sie festgehalten wird. Haft ohne Kontakt zur Außenwelt über einen längeren Zeitraum kann Menschenrechtsnormen zufolge der Folter gleichkommen.

Maury Carrero ist wegen Terrorismus, Zusammenschlusses mit dem Ziel Verbrechen zu begehen, Besitzes von Schusswaffen und Sprengstoff sowie Besitzes einer kleinen Menge Drogen angeklagt. Sie konnte nur während der gerichtlichen Anhörung mit ihren Rechtsbeiständen sprechen. DGCIM-Angehörige haben ihr den Zugang zu ihrer Familie und Rechtsbeiständen unter dem Vorwand des Ausnahmezustands verweigert, der wegen der COVID-19-Pandemie am 13. März 2020 ausgerufen wurde.

Amnesty International ist besorgt über die andauernden willkürlichen Inhaftierungen, die Folter, das Verschwindenlassen und andere Menschenrechtsverletzungen in Venezuela, insbesondere da die Regierung die Pandemie dazu nutzt, ihre Macht in noch größerem Umfang zu missbrauchen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Während die Welt mit der COVID-19-Pandemie ringt, nutzt die Regierung von Nicolás Maduro die Krise dazu, die eigene Macht weiter auszubauen und zu missbrauchen. Die Regierung nimmt immer mehr tatsächliche oder vermeintliche Mitglieder der Opposition und andere Kritiker_innen willkürlich fest. Darüber hinaus gibt es Belege für Folter, Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen durch die Regierung.

Die Festnahme von Maury Carrero ist ein weiteres Beispiel für die Repression der Regierung Maduros. Einschüchterungen, Schikane, Folter, willkürliche Inhaftierungen und das Verschwindenlassen sind übliche Praxis der militärischen Spionageabwehr DGCIM und der Regierung Maduros. Seit mehreren Jahren sehen sich Dutzende Mitglieder der Opposition anlässlich der Drohungen der Maduro-Regierung gezwungen, dass Land zu verlassen und im Ausland Asyl zu suchen. Andere wurden willkürlich festgenommen, weil sie mit führenden Oppositionspolitiker_innen oder oppositionellen Aktivist_innen verwandt sind oder mit ihnen in Verbindung stehen. In Venezuela risikieren Menschen, die die Regierung kritisieren oder sich Protesten anschließen, eine Inhaftierung und einige fallen dem Verschwindenlassen zum Opfer oder werden von den Sicherheitskräften getötet. Im Kontext der derzeitigen Pandemie werden medizinisches Personal, Journalist_innen und andere inhaftiert, wenn sie über neue Fälle von COVID-19 berichten oder auf die Knappheit an medizinischen Gütern und Gütern der Grundversorgung hinweisen.

In dem 2019 veröffentlichten Bericht Hunger for Justice: Crimes against Humanity in Venezuela kommt Amnesty International zu dem Schluss, dass die selektiven außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürlichen Inhaftierungen und die Toten und Verletzten infolge der exzessiven Gewaltanwendung der Regierung von Nicolás Maduro, die Teil der systematischen und weitverbreiteten Repression seit mindestens 2017 sind, Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen könnten.

Seit 2014 flüchten so viele Venezolaner_innen wie nie zuvor auf der Suche nach Sicherheit und einem menschenwürdigen Leben ins Ausland. Im März 2020 hatten bereits 5 Millionen Menschen das Land verlassen. In der COVID-19 Krise sind viele im Ausland lebende Venezolaner_innen angesicht kollabierender Volkswirtschaften und dem Mangel an engagierter Unterstützung für geflüchtete Menschen durch die direkten und indirekten Folgen der Pandemie gezwungen, nach Venezuela zurückzukehren. Ihnen drohen bei der Rückkehr zudem Vergeltungsmaßnahmen der Regierung.