Venezuela: Aktivisten freilassen!

Zeichnung einer Figur hinter Gefängnisgittern

Die venezolanischen Aktivisten Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García wurden am 2. Juli 2021 willkürlich inhaftiert, nachdem sie im Büro der Generalstaatsanwaltschaft in der Stadt Coro Fälle von Drangsalierungen durch Sicherheitskräfte anzeigen wollten. Der Aufenthaltsort der drei Menschrechtsverteidiger war 24 Stunden lang nicht bekannt. Sie wurden unter anderem des Terrorismus beschuldigt, doch das Gericht verweigerte ihnen die Vertretung durch Rechtsbeistände ihrer Wahl und wies ihnen Pflichtverteidiger_innen zu. Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García müssen umgehend und bedingungslos freigelassen und alle anhängigen Ermittlungsverfahren gegen sie einstellt werden.

Appell an

Präsident

Nicolás Maduro

Palacio de Miraflores

Av. Norte 10

Caracas 1012, Distrito Capital

VENEZUELA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela

S. E. Herrn Ramon Orlando Maniglia Ferreira

Schillstraße 10

10785 Berlin


Fax: 030-83 224 020

E-Mail: embavenez.berlin@botschaft-venezuela.de

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
  • Stellen Sie die Strafverfolgung gegen Jhonny Romero, Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García ein und beenden Sie die Schikanierung und Kriminalisierung der venezolanischen Zivilgesellschaft.

Sachlage

Javier Tarazona, Leiter der venezolanischen NGO Fundaredes, sowie Rafael Tarazona und Omar de Dios García, Mitglieder von Fundaredes, befanden sich am 2. Juli zusammen mit Jhonny Romero im Rahmen einer Bildungsaktivität in der Stadt Coro im Westen des Landes. Jhonny Romero ist Vertreter der NGO Mayday Confavidt und arbeitet im Bundesstaat Falcón mit Opfern von Verschwindenlassen und Menschenhandel zusammen. Anschließend suchten die vier Aktivisten das Büro des Generalstaatsanwalts in der Stadt Coro auf, um Fälle von Drangsalierungen durch Angehörige des Geheimdienstes und der Polizei anzuzeigen. Noch am selben Tag inhaftierte der Inlandsgeheimdienst (SEBIN) alle vier Aktivisten. Weder die Aktivisten noch ihre Rechtsbeistände wurden schriftlich über den Haftbefehl informiert. Nach ihrer Inhaftierung blieb ihr Aufenthaltsort 24 Stunden lang unbekannt.

Jhonny Romero wurde am 3. Juli 2021 freigelassen, bevor Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García am nächsten Tag vor Gericht gestellt wurden. Der örtlichen NGO Foro Penal zufolge verwehrte der Richter den drei Aktivisten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl und wies ihnen Pflichtverteidiger_innen zu. Da mit den Pflichtverteidiger_innen kein Vertrauensverhältnis besteht, ist nicht klar, warum gegen die Drei ermittelt wird, doch vor Gericht wurden sie wegen "Anstiftung zum Hass", "Terrorismus" und "Landesverrat" angeklagt.

Die Inhaftierung von Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García entspricht nicht den gesetzlichen Bestimmungen und ihr Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren wurde in mehreren Fällen verletzt: Der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl wurde ihnen verweigert, stattdessen wurden ihnen Pflichtverteidiger_innen zugewiesen. Darüber hinaus durften sie keine Anrufe tätigen und ihre Familien nicht über ihren Aufenthaltsort informieren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Fundaredes ist eine venezolanische Menschenrechtsorganisation, die sich für Menschenrechte in den venezolanischen Bundesstaaten Táchira, Apure, Zulia, Falcón, Bolívar und Amazonas einsetzt. Die NGO dokumentiert und berichtet über Fälle von Menschrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Akteure in diesen Regionen Venezuelas. In jüngster Zeit haben sie vor allem Fälle von Gewalt im Bundesstaat Apure im Süden Venezuelas dokumentiert, wo mutmaßlich ein Konflikt mit nicht demobilisierten Mitgliedern der bewaffneten Gruppe FARC ausgebrochen ist.

Einige der Straftaten, die den Aktivisten vorgeworfen werden, sind im "Gesetz zur organisierten Kriminalität und Terrorismusfinanzierung" definiert. Ähnlich wie im Fall der fünf Mitglieder der NGO Azul Positivo im Januar 2021 werden im Rahmen dieses Gesetzes Menschenrechtsverteidiger_innen und humanitäre Helfer_innen strafrechtlich verfolgt.

Die Regierung unter Nicolás Maduro fährt eine repressive und auf Schikane, Strafverfolgung und Zensur basierende Linie gegen Aktivist_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte von Venezolaner_innen einsetzen. In Venezuela herrscht derweil eine komplexe humanitäre und menschenrechtliche Krise, die dazu geführt hat, dass zahllose Menschen bereits aus dem Land geflohen sind, um im Ausland Schutz zu suchen. Bis Juni 2021 haben mehr als 5,6 Millionen das Land verlassen.

Diese Geschehnisse finden nicht isoliert statt: Seit Anfang Januar 2021 berichten zivilgesellschaftliche Organisationen in Venezuela erneut über ein verschärftes Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, hauptsächlich im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Diese jüngsten Repressalien richten sich auch gegen unabhängige Medienkanäle. Allem Anschein nach versucht die Regierung repressive Mechanismen im ganzen Land durchzusetzen.

Ein 2020 veröffentlichter UN-Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für die Bolivarische Republik Venezuela hat zudem zahlreiche seit 2014 begangene Menschenrechtsverletzungen dokumentiert – darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen sowie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei um schwere Menschenrechtsverletzungen handelt, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen könnten.