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Venezuela: FundaREDES-Direktor weiter in Haft
© Amnesty International, Foto: Norbert Ketter
Javier Tarazona, der Leiter der lokalen NGO FundaREDES, wird weiterhin vom bolivarischen Geheimdienst SEBIN in Haft gehalten. Rafael Tarazona und Omar de Dios García, Aktivisten von FundaREDES, kamen jedoch am 26. Oktober unter Auflagen frei. Die drei Menschenrechtsverteidiger waren am 2. Juli 2021 willkürlich festgenommen worden, nachdem sie versucht hatten, Schikanen durch Sicherheitskräfte bei der Generalstaatsanwaltschaft in der Stadt Coro (Westvenezuela) anzuzeigen. Sie wurden wegen Aufstachelung zu Hass, Verrat und Terrorismus angeklagt. Trotz zahlreicher Anträge wurde den Rechtsbeiständen ihrer Wahl die Zulassung vor Gericht verweigert. Amnesty International fordert die Behörden dringend auf, Javier Tarazona unverzüglich freizulassen und die Verfahren gegen alle drei Menschenrechtsverteidiger einzustellen.
Appell an
Präsident
Nicolás Maduro
Palacio de Miraflores
Av. Norte 10
Caracas 1012, Distrito Capital
VENEZUELA
Sende eine Kopie an
BOTSCHAFT DER BOLIVARISCHEN REPUBLIK VENEZUELA
S. E. Herrn Ramon Orlando Maniglia Ferreira
Schillstraße 10
10785 Berlin
Fax: 030-83 224 020
E-Mail: embavenez.berlin@botschaft-venezuela.de
Amnesty fordert:
- Wir fordern Sie auf, Javier Tarazona unverzüglich und bedingungslos freizulassen, die strafrechtlichen Ermittlungen gegen alle drei betroffenen Menschenrechtsverteidiger einzustellen und der Schikanierung und Kriminalisierung von NGOs in Venezuela ein Ende zu setzen.
Sachlage
Rafael Tarazona und Omar de Dios García, Aktivisten der Menschenrechtsorganisation FundaREDES, sind unter willkürlichen Auflagen freigelassen worden, u. a. müssen sie alle acht Tage bei Gericht vorstellig werden und dürfen Venezuela nicht verlassen. Der Menschenrechtsverteidiger und Direktor von FundaREDES, Javier Tarazona, befindet sich jedoch nach wie vor in willkürlicher Haft. Javier Tarazona muss umgehend freigelassen werden. Außerdem müssen die laufenden Ermittlungen gegen die drei Menschenrechtsverteidiger eingestellt werden.
Die Menschenrechtsorganisation FundaREDES überwacht, dokumentiert und berichtet über Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen in den Grenzregionen Venezuelas. Angehörige des venezolanischen Inlandsgeheimdienstes (SEBIN) hatten die drei Aktivisten ohne Haftbefehl festgenommen und ihnen wird Terrorismus vorgeworfen. Dies sind Elemente eines gut dokumentierten Musters willkürlicher Festnahmen. Deshalb sind die Anklagen gegen sie vermutlich politisch motiviert. Außerdem werden verfahrensrechtliche Garantien verletzt, da ihnen die Vertretung durch Rechtsbeistände ihrer Wahl verweigert wird.
Hintergrundinformation
FundaREDES ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich für Menschenrechte in den venezolanischen Bundesstaaten Táchira, Apure, Zulia, Falcón, Bolívar und Amazonas einsetzt. Die NGO dokumentiert und berichtet über Fälle von Menschrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure in diesen Regionen Venezuelas. In jüngster Zeit haben sie vor allem Fälle von Gewalt im Bundesstaat Apure im Süden Venezuelas dokumentiert, wo mutmaßlich ein Konflikt mit nicht demobilisierten Mitgliedern der bewaffneten Gruppe FARC ausgebrochen ist.
Medienberichten zufolge befanden sich die Menschenrechtsverteidiger Javier Tarazona, Rafael Tarazona und Omar de Dios García am 2. Juli zusammen mit Jhonny Romero im Rahmen einer Bildungsaktivität in der Stadt Coro im Westen des Landes. Jhonny Romero ist Vertreter der NGO Mayday Confavidt und arbeitet im Bundesstaat Falcón mit Opfern von Verschwindenlassen und Menschenhandel zusammen. Nach der Bildungsaktivität suchten die vier Aktivisten das Büro des Generalstaatsanwalts in der Stadt Coro auf, um Fälle von Drangsalierungen durch Angehörige des Geheimdienstes und der örtlichen Polizei anzuzeigen. Noch am selben Tag inhaftierte der Inlandsgeheimdienst SEBIN alle vier Aktivisten, ohne einen Haftbefehl vorzuweisen. Ihre Rechtsbeistände wurden nicht über die Festnahme informiert und nach ihrer Inhaftierung blieb ihr Aufenthaltsort 24 Stunden lang unbekannt. Während die drei FundaREDES-Mitglieder dann von einem Spezialgericht für Terrorismusfälle vorgeladen wurden, kam Jhonny Romero am 3. Juli 2021 noch vor diesem Termin frei.
Die lokale NGO Foro Penal wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass nicht sie die Menschenrechtsverteidiger vertreten, sondern ihnen Pflichtverteidiger zugeteilt wurden. Allerdings durfte ein Vetreter von Foro Penal die Männer besuchen und mit ihnen sprechen. Da mit den Pflichtverteidiger_innen kein Vertrauensverhältnis besteht, ist nicht klar, warum gegen die drei ermittelt wird, doch vor Gericht wurden sie wegen "Anstiftung zum Hass", "Terrorismus" und "Landesverrat" angeklagt. Einige der Straftaten, die den Aktivisten vorgeworfen werden, sind im "Gesetz zur organisierten Kriminalität und Terrorismusfinanzierung" definiert. Die venezolanischen Behörden kriminalisieren im Rahmen dieses Gesetzes häufig Menschenrechtsverteidiger_innen und humanitäre Helfer_innen, wie im Fall von fünf Mitgliedern der NGO Azul Positivo im Januar 2021. Seit der Inhaftierung der drei Aktivisten setzt sich Foro Penal dafür ein, diese rechtlich vertreten zu dürfen, was bis jetzt jedoch immer abgelehnt wurde. Bei einer Anhörung am 26. Oktober entschied das Gericht, Rafael Tarazona und Omar de Dios García unter Auflagen freizulassen. Die Regierung unter Nicolás Maduro fährt eine repressive und auf Schikane, Strafverfolgung und Zensur beruhende Linie gegen Aktivist_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte von Venezolaner_innen einsetzen. In Venezuela herrscht derweil eine komplexe humanitäre und menschenrechtliche Krise, die dazu geführt hat, dass zahllose Menschen bereits aus dem Land geflohen sind, um im Ausland Schutz zu suchen. Bis Juni 2021 haben mehr als 5,6 Millionen Menschen das Land verlassen.
Ein 2020 veröffentlichter UN-Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Venezuela hat zudem zahlreiche seit 2014 begangene Menschenrechtsverletzungen dokumentiert – darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen sowie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei um schwere Menschenrechtsverletzungen handelt, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen könnten.
Diese Geschehnisse finden nicht isoliert statt: Seit Anfang 2021 berichten zivilgesellschaftliche Organisationen in Venezuela erneut über ein verschärftes Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, hauptsächlich im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Außerdem werden neue repressive Mechanismen gegen die Zivilgesellschaft eingeführt. Diese jüngsten Repressalien richten sich auch gegen unabhängige Medienkanäle.