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USA: Drohende Hinrichtung
Diese Urgent Action ist beendet.
Protestaktion vor dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington für ein Verbot der Todesstrafe (Archivaufnahme)
© AFP via Getty Images
Appell an
Texas Board of Pardons and Paroles
PO Box 13401, Austin
Texas 78711-3401
USA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
I.E. Frau Amy Gutmann
Clayallee 170
14195 Berlin
Fax: 030 - 8305 10 50 oder 030 - 831 49 26
E-Mail: feedback@usembassy.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, Gouverneur Greg Abbott zu empfehlen, die Todesstrafe gegen Wesley Ruiz (Häftlingsnummer 999536) in eine Haftstrafe umzuwandeln.
Sachlage
Wesley Ruiz soll am 1. Februar 2023 hingerichtet werden. Seine Häftlingsnummer bei der Strafvollzugsbehörde von Texas (Texas Department of Criminal Justice) lautet 999536. Er war 2008 wegen Mordes an einem Polizisten aus Dallas im März 2007 zum Tode verurteilt worden.
Die Geschworenen, die Wesley Ruiz zum Tode verurteilten, wurden nicht über die strafmildernden Umstände informiert, die im Gnadengesuch dargelegt wurden, wie die Entbehrungen, die Vernachlässigung und den sexuellen, körperlichen und emotionalen Missbrauch, den Wesley Ruiz in seiner Kindheit erleben musste. Darüber hinaus wurden bei ihm eine Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) und eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Diese relevanten Informationen hätten von den Geschworenen bezüglich seines Verhaltens zur Tatzeit berücksichtigt werden müssen. Eine FASD-Expertin erklärte, dass Wesley Ruiz aufgrund erheblicher mentaler Funktionsstörungen biologisch nicht in der Lage dazu ist, neue komplexe Situationen zu verarbeiten und gleichzeitig seine Impulse zu kontrollieren. Sie gab außerdem darüber Auskunft, dass FASD schon sein ganzes Leben lang sein Denken und Verhalten beeinträchtigt hatte, sodass es sehr wahrscheinlich ist, dass die Störung auch seine Impulskontrolle während der Straftat beeinflusst hatte. Ein auf Traumata spezialisierter Psychologe kam ebenfalls zu dem Schluss, dass Wesley Ruiz zum Zeitpunkt des Verbrechens PTBS-Symptome, einschließlich einer Angstreaktion, aufwies. Derartige psychologische Expertise wurde den Geschworenen nicht vorgelegt.
In dem von ihm eingelegten Gnadengesuch heißt es außerdem, dass die Untersuchungen der Verteidigung zur Strafmilderung von antihispanischem Rassismus geprägt waren. Rassistische Stereotype hatten kulturell qualifizierte Ermittlungen verhindert, weshalb den Geschworenen bei der Urteilsverkündung auch nicht in angemessenem Umfang der soziale und familiäre Hintergrund des Angeklagten präsentiert wurde. Nachdem der jetzige Rechtsbeistand von Wesley Ruiz mehr über dessen Lebensumstände erläutert hatte, sagte eine der Geschworenen, dass sie, wenn ihr diese Informationen während des Prozesses vorgelegt worden wären, wahrscheinlich eine lebenslange Freiheitsstrafe anstatt der Todesstrafe in Betracht gezogen hätte. Der Sprecher der Geschworenen hat erklärt, dass er heute die Umwandlung des Todesurteils gegen Wesley Ruiz unterstützen würde.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Seit 1976, als der Oberste Gerichtshof der USA neue Todesstrafengesetze bestätigte, wurden in den USA 1.561 Todesurteile vollstreckt. Auf Texas entfallen 579 dieser Hinrichtungen. Bislang wurden im Jahr 2023 drei Hinrichtungen vollzogen – jeweils eine in Texas, Oklahoma und Missouri. Diese drei Bundesstaaten allein sind verantwortlich für rund die Hälfte aller Hinrichtungen in den USA seit 1976.
Hintergrundinformation
Am 21. März 2007 wies das Dallas Police Department (DPD) seine Polizeibeamt*innen an, nach einem bestimmten Auto Ausschau zu halten, das mit einem Tötungsdelikt in Verbindung gebracht wurde. Zwei Tage später wurde das Auto – das, wie sich später herausstellte, gar nicht das gesuchte Fahrzeug war – gesichtet. Daraufhin folgte eine Verfolgungsjagd, an der zwei Polizeifahrzeuge beteiligt waren. Der Fahrer verlor die Kontrolle über den Wagen, kam zum Halten, und die beiden Polizeifahrzeuge versperrten den Weg. Einer der Polizisten, ein 33-jähriger Veteran der Navy, rannte zu dem Auto und versuchte, entgegen der Vorschrift des DPD, dass Polizist*innen Verdächtige nicht unter Druck setzen dürfen, das Beifahrerfenster mit einem Schlagstock einzuschlagen. Daraufhin drang ein Schuss aus dem Wageninneren durch das Beifahrerfenster, die Kugel traf die Dienstmarke des Beamten, zersplitterte und einer der Splitter durchtrennte seine linke Halsschlagader. Die anderen Polizist*innen gaben ihrerseits Schüsse auf das Fahrzeug ab. Der damals 29-jährige Wesley Ruiz war die einzige Person, die sich im Fahrzeug befand, und wurde verletzt und bewusstlos geborgen. Der zuvor verwundete Polizist starb.
Bei seinem Prozess 2008 gab Wesley Ruiz an, dass er in der Situation um sein Leben gefürchtet hatte und dass der Polizist, während er gegen das Autofenster schlug, geschrien hatte, dass er ihn töten werde. Er sagte außerdem aus, dass er erst nachdem die Polizei geschossen hatte, seinen Schuss abfeuerte. Sein Rechtsbeistand lud eine Person vor, die bezeugen konnte, dass die Polizei bereits auf das Auto schoss, als es zum Stehen kam. Die Verteidigung versuchte darüber hinaus, drei weitere Zeug*innen vorzuladen, die eine Aussage darüber machen sollten, dass der getötete Beamte bereits zuvor in unangemessenem Maße Gewalt angewendet hatte bzw. sie dies beobachtet hatten. Dabei ging es in einem Fall um die Anwendung tödlicher Gewalt bei einer Verkehrskontrolle und zweimal um körperliche Misshandlung. Die Staatsanwaltschaft erhob dagegen Einspruch mit der Begründung, diese Aussagen könnten "zum Nachteil des Staates" ausgelegt werden. Der Richter gab dem Einspruch statt und erlaubte den Geschworenen unter Berufung auf die texanischen Verfahrensregeln nicht, die Zeug*innen zu hören. Im Jahr 2011 entschied das Berufungsgericht von Texas (Texas Court of Criminal Appeals), dass aus den Akten klar hervorgehe, dass der Polizist der "erste Angreifer in diesem Fall" gewesen war, dass es für die Verteidigung nicht notwendig gewesen sei, "dies mit dem vorherigen Fehlverhalten und Überreagieren des Beamten zu untermauern" und dass jeglicher Fehler in den Entscheidungen des Richters die "grundlegenden Rechte" des Angeklagten nicht beeinträchtigt hatte.
Laut seinem Gnadengesuch erfuhren die Geschworenen nicht, dass Wesley Ruiz' Teenagerjahre von traumatischen Begegnungen mit der Polizei geprägt waren, darunter auch mit der Polizeieinheit, die Bandenaktivitäten überwacht. Ein hispanischer Bekannter erinnerte sich, dass Wesley Ruiz "ständig von der Polizei aus seinem Auto gezerrt, durchsucht und zusammengeschlagen wurde. Das war ermüdend. Wes war davon erschöpft. Wir waren alle erschöpft davon... Wir konnten nicht einfach in unserem Viertel leben, ohne von der Polizei dafür angegangen zu werden." Andere hispanische Bekannte schilderten ähnliche, zum Teil sehr traumatische Erfahrungen mit der Polizei.
Die Geschworenen sprachen Wesley Ruiz des Mordes schuldig, der entweder mit dem Tod oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Bewährung bestraft wird. Um ein Todesurteil zu verhängen, müssen die Geschworenen feststellen, dass der Angeklagte mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten begehen wird, die auch im Gefängnis eine anhaltende Bedrohung für die Gesellschaft darstellen ("zukünftige Gefährlichkeit"). Die Staatsanwaltschaft lud einen Sachverständigen vor, der eine Aussage über die Einstufung von Gefangenen im texanischen Gefängnissystem machte. Er teilte den Geschworenen fälschlicherweise mit, dass Wesley Ruiz nach zehn Jahren Haft eine niedrigere, weniger restriktive Einstufung erhalten könnte, was bedeutet, dass er in die allgemeine Gefängnispopulation überführt werden könnte. Bereits 2005 hatten die Strafvollzugsbehörden allerdings eine neue Verordnung erlassen, die festlegt, dass Personen, die wegen Mordes zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung verurteilt wurden, niemals in weniger strengen Haftbedingungen untergebracht werden dürfen als die, die bereits zu Beginn ihrer Inhaftierung festgelegt worden waren. Im Jahr 2010 hob das texanische Berufungsgericht in einem anderen Fall ein Todesurteil wegen desselben Fehlers durch denselben Sachverständigen auf und wandelte es in eine lebenslange Freiheitsstrafe um. Im Fall von Wesley Ruiz entschied das Gericht, dass dessen Beschwerde verfahrensrechtlich nicht korrekt sei, weil sie früher hätte eingereicht werden müssen.
Während der Beratungen weigerte sich eine der Geschworenen, Wesley Ruiz zum Tode zu verurteilen, und forderte stattdessen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Geschworenen waren zuvor nicht darüber unterrichtet worden, dass das Urteil für den Fall, dass sie keine einstimmige Entscheidung treffen konnten, zugunsten der lebenslangen Freiheitsstrafe ausfallen würde. Die Geschworene, die das Todesurteil verweigert hatte, gab inzwischen an, dass ihr nicht bewusst war, dass sie ihre Präferenz hätte beibehalten können. Sie dachte, sie müsse unter diesen Umständen für ein Todesurteil stimmen. Ein Sachverständiger der Linguistik und Anthropologie hat kürzlich die Erklärungen zweier Geschworener geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass "es keinen Zweifel daran gibt, dass rassistische Voreingenommenheit ihre Entscheidung und die Einschätzung, dass Herr Ruiz gefährlich sei, beeinflusst hatte."
Während des Verfahrens waren ein Dutzend uniformierte und bewaffnete Angehörige der Polizei im Gerichtssaal anwesend. Sie waren allerdings nicht aus Sicherheitsgründen, sondern als Zuschauer*innen vor Ort. Die Verteidigung machte die Geschworenen im Schlussplädoyer bei der Urteilsverkündung darauf aufmerksam, dass die Polizist*innen nur vor Ort seien, um die Geschworenen einzuschüchtern. Der Richter hatte während des gesamten Verfahrens nichts gegen die von Wesley Ruiz' Rechtsbeiständen als "feindselig und zwanghaft" beschriebene Atmosphäre unternommen. Sein Anspruch auf Rechtsmitteleinlegung vor einem US-Bundesgericht, weil ihm ein faires und unparteiisches Verfahren vorenthalten worden war, wurde mit der Begründung abgewiesen, dass der Oberste Gerichtshof der USA keine Regelungen für das Verhalten von Zuschauer*innen bei Gerichtsverfahren habe.
Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte überwacht, hat erklärt, dass "in allen Fällen, in denen die Todesstrafe verhängt wird, die persönlichen Umstände der beschuldigten Person und die besonderen Umstände der Straftat, einschließlich der spezifischen mildernden Umstände, vom verurteilenden Gericht berücksichtigt werden müssen."