USA: Todesurteil vollstreckt

Sachlage

Wesley Ruiz war 2008 schuldig gesprochen worden, einen Polizisten aus Dallas erschossen zu haben. Die Geschworenen befanden ihn des Mordes für schuldig, der entweder mit dem Tod oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Bewährung bestraft wird. Um ein Todesurteil zu verhängen, müssen die Geschworenen feststellen, dass der Angeklagte mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten begehen wird, die auch im Gefängnis eine anhaltende Bedrohung für die Gesellschaft darstellen ("zukünftige Gefährlichkeit"). Die Staatsanwaltschaft lud einen Sachverständigen vor, der eine Aussage über die Einstufung von Gefangenen im texanischen Gefängnissystem machte. Dieser teilte den Geschworenen fälschlicherweise mit, dass Wesley Ruiz nach zehn Jahren Haft eine niedrigere, weniger restriktive Einstufung erhalten könnte, was bedeutet, dass er in die allgemeine Gefängnispopulation überführt werden könnte. Bereits 2005 hatten die Strafvollzugsbehörden allerdings eine neue Verordnung erlassen, die festlegt, dass Personen, die wegen Mordes zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung verurteilt wurden, niemals in weniger strengen Haftbedingungen untergebracht werden dürfen als die, die bereits zu Beginn ihrer Inhaftierung festgelegt worden waren. Im Jahr 2010 hob das texanische Berufungsgericht in einem anderen Fall ein Todesurteil wegen desselben Fehlers durch denselben Sachverständigen auf und wandelte es in eine lebenslange Freiheitsstrafe um. Im Fall von Wesley Ruiz entschied das Gericht, dass dessen Beschwerde verfahrensrechtlich nicht korrekt sei, weil sie früher hätte eingereicht werden müssen.

Ein Sachverständiger der Linguistik und Anthropologie, der kürzlich die Erklärungen zweier Geschworener prüfte, kam zu dem Schluss, dass "es keinen Zweifel daran gibt, dass rassistische Voreingenommenheit die Entscheidung der Jury und ihre Einschätzung [über die 'zukünftige Gefährlichkeit'] von Herrn Ruiz beeinflusst hat."

Im Vorfeld des Hinrichtungstermins beantragten die Rechtsbeistände von Wesley Ruiz einen Hinrichtungsaufschub und beriefen sich dabei auf kürzlich entdeckte Unterlagen der Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren von 2008, die darauf hindeuteten, dass mindestens ein*e Angehörige*r der Staatsanwaltschaft gewusst hatte, dass der oben genannte Sachverständige vor Gericht falsche Angaben gemacht hatte. Zudem führten die Rechtsbeistände auf der Grundlage kürzlich abgegebener eidesstattlicher Erklärungen Beweise für rassistische Voreingenommenheit bzw. Stereotypisierung seitens der Geschworenen an. Am 27. Januar 2023 wies ein US-Bundesgericht den Antrag mit der Begründung ab, die Rechtsbeistände hätten keine "unverhohlene rassistische Voreingenommenheit" seitens der Geschworenen nachgewiesen. Am 30. Januar wies auch das texanische Berufungsgericht die Eingabe bezüglich rassistischer Voreingenommenheit ab, begründete dies allerdings nicht materiellrechtlich, sondern verfahrensrechtlich. Die Rechtsbeistände wandten sich daraufhin an den Obersten Gerichtshof der USA und beriefen sich auf "Beweise, dass Geschworene die Einschätzung der zukünftigen Gefährlichkeit [von Wesley Ruiz] und damit ihre Entscheidung für ein Todesurteil auf der Grundlage von unverhohlen rassistischen und anti-hispanischen Stereotypen fällten". Am 1. Februar lehnte der Oberste Gerichtshof den Antrag kommentarlos ab und gewährte keinen Hinrichtungsaufschub.

In seiner letzten Stellungnahme entschuldigte sich Wesley Ruiz bei den Familienangehörigen des erschossenen Polizisten und drückte seine Hoffnung darüber aus, dass seine Hinrichtung dazu beitrage, ihnen emotional über den Tod ihres Angehörigen hinwegzuhelfen. Um 18.41 Uhr, etwa 22 Minuten nach Beginn der tödlichen Injektion, wurde Wesley Ruiz für tot erklärt.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Seit 1976, als der Oberste Gerichtshof der USA neue Todesstrafengesetze bestätigte, wurden in den USA 1.562 Todesurteile vollstreckt, davon 580 in Texas. Bislang wurden im Jahr 2023 vier Hinrichtungen vollzogen – zwei in Texas und jeweils eine in Oklahoma und Missouri. Diese drei Bundesstaaten allein sind verantwortlich für rund die Hälfte aller Hinrichtungen in den USA seit 1976.

Vielen Dank allen, die mit Appellen versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern.