DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Tunesien: Ex-Minister zu 10 Jahre Haft verurteilt
Der ehemalige tunesische Justizminister Noureddine Bhiri (undatiertes Foto)
© Private
Am 18. Oktober 2024 wurde Noureddine Bhiri, ein ehemaliger Justizminister und führendes Mitglied der Partei Ennahdha, zu zehn Jahren Haft verurteilt. Grundlage der Anschuldigungen gegen ihn ist ein Beitrag in den Sozialen Medien, den er seinen Angaben zufolge nicht geschrieben hat. Noureddine Bhiri wurde auf Grundlage von Paragraf 72 des tunesischen Strafgesetzbuchs beschuldigt, "versucht zu haben, einen Wechsel der Staatsform herbeizuführen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen". Er hat bereits 18 Monate in willkürlicher Haft im Gefängnis Mornaguia verbracht und wurde nun allein wegen seiner friedlichen politischen Opposition zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die tunesischen Behörden müssen Noureddine Bhiri unverzüglich freilassen und das gegen ihn verhängte Urteil aufheben, da seine Inhaftierung allein auf der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte beruht.
Setzt euch für die Freilassung von Noureddine Bhiri ein!
Hier kannst du deinen Brief ausdrucken, um ihn per Post oder Fax an die Behörden zu senden, oder ihn direkt über dein eigenes E-Mail-Programm verschicken.
Du hast Probleme beim Ausdrucken des Briefes? Dann klicke bitte hier.
Achtung: Bitte prüfe bei der Deutschen Post ob die Briefzustellung in das Zielland ungehindert möglich ist.
Appell an
Président
Kais Saied
Route de la Goulette
Site archéologique de Carthage
TUNESIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Tunesischen Republik
S. E. Herrn Wacef Chiha
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie und Ihre Regierung auf, dafür zu sorgen, dass Noureddine Bhiri unverzüglich aus der willkürlichen Haft entlassen wird und dass der Schuldspruch und die Haftstrafe aufgehoben werden.
- Sorgen Sie bis zu seiner Freilassung bitte dafür, dass er jede erforderliche medizinische Behandlung erhält und regelmäßig Besuch von seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen empfangen darf.
- Außerdem fordere ich Sie und Ihre Regierung auf, die gezielte Festnahme von Kritiker*innen wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte, zu denen auch die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung gehören, einzustellen.
Sachlage
Der ehemalige Justizminister und hochrangige Parteifunktionär der Ennahdha, Noureddine Bhiri, ist nach wie vor willkürlich inhaftiert. Die Strafkammer des erstinstanzlichen Gerichts in Tunis hat ihn wegen politisch motivierter und konstruierter Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Beitrag in den Sozialen Medien, den er seinen Angaben zufolge nicht geschrieben hat, für schuldig befunden und zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach einem von der Anklagebehörde bestellten technischen Gutachten kam ein vom Gericht ernannter Ausschuss zu dem Schluss, dass der Noureddine Bhiri zur Last gelegte Beitrag nicht von ihm verfasst wurde. Doch selbst wenn Noureddine Bhiri der Verfasser des Beitrags gewesen wäre, hätte er gar nicht erst inhaftiert oder strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Denn bei dem von Amnesty International überprüften Beitrag handelt es sich um eine Form der freien Meinungsäußerung, die durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt ist, einschließlich Artikel 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu deren Vertragsstaaten Tunesien gehört.
Den Rechtsbeiständen von Noureddine Bhiri zufolge war das Urteil Folge eines unfairen Gerichtsverfahrens, das gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Verfahrensrechte verstieß. So reichten seine Rechtsbeistände Klage gegen den*die Ermittlungsrichter*in ein, der*die Noureddine Bhiri nach seiner Festnahme befragt und die Verlegung von Noureddine Bhiri ins Krankenhaus trotz erkennbarer Spuren von Schlägen zunächst verweigert hatte. Am 13. Februar hatten Sicherheitskräfte Noureddine Bhiri gewaltsam festgenommen und ihm dabei schwere Schulterverletzungen zugefügt. Er verbrachte mehrere Tage in verschiedenen medizinischen Einrichtungen, wo er unter anderem an der Schulter operiert und wegen gebrochener Rippen und Atemproblemen behandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft ignorierte die Folterberichte der Rechtsbeistände von Noureddine Bhiri, darunter auch Berichte über die Verweigerung der medizinischen Versorgung durch den*die Ermittlungsrichter*in.
Hintergrundinformation
Noureddine Bhiri ist führendes Mitglied von Ennahda, der größten tunesischen Oppositionspartei, und ehemaliger Justizminister, der von 2011 bis 2013, nach der Amtsenthebung von Präsident Zine el Abidine Ben Ali und nach den Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung, in der Koalitionsregierung tätig war. Er ist Anwalt und Mitglied der tunesischen Anwaltskammer und war zudem lange Vizepräsident von Ennahda, eine politische Partei, die vor dem 25. Juli 2021 die Mehrheit im Parlament innehatte. Damals wurde die Partei von Präsident Kais Saied unter Berufung auf Notstandsbefugnisse gemäß Artikel 80 der Verfassung suspendiert. Seit der Parlamentsauflösung im Juli 2021 kritisiert die Partei Präsident Saieds Machtkonzentration und bezeichnet diesen Schritt als "Putsch".
Die Behörden nehmen insbesondere Mitglieder von Ennahdha, der größten tunesischen Oppositionspartei, ins Visier und untersagen der Partei, in ihren Niederlassungen Versammlungen abzuhalten. Sie haben gegen mindestens 21 führende und andere Mitglieder von Ennahdha strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und mindestens zwölf festgenommen. Am 30. Oktober 2023 verurteilte das Berufungsgericht in Tunis Rached Ghannouchi, den Vorsitzenden von Ennahdha und ehemaligen Sprecher des aufgelösten Parlaments, wegen öffentlicher Bemerkungen unter dem Antiterrorgesetz von 2015 zu 15 Monaten Haft.
Die Festnahme von Noureddine Bhiri am 13. Februar 2023 und seine anschließende Inhaftierung gehen auf kritische Online-Kommentare zurück, die er nach Angaben der Behörden am 8. Januar 2023 auf seiner privaten Facebook-Seite gepostet hatte. Ungefähr zur selben Zeit fand eine Demonstration statt, die von Mitgliedern der oppositionellen Nationalen Erlösungsfront (NSF) organisiert worden war. Von einem der Rechtsbeistände von Noureddine Bhiri wurde Amnesty International eine Kopie des Facebook-Beitrags zur Verfügung gestellt. In dem Beitrag wird zum "friedlichen Widerstand gegen den Putsch" aufgerufen. Weiter heißt es darin, dass "die Menschen keine Angst vor dem Putsch haben sollten und dass sie Führung brauchen". Noureddine Bhiri bestreitet allerdings, den Beitrag verfasst zu haben. In jedem Fall jedoch stellt der Facebook-Beitrag, der online nicht mehr verfügbar ist, eine Form der freien Meinungsäußerung dar, die durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt ist.