Tunesien: Ex-Minister zu 10 Jahre Haft verurteilt

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Porträtfoto von Noureddine Bhiri, der eine Brille trägt und in die Kamera lächelt. Im Hintergrund hängt die tunesische Flagge an der Wand.

Der ehemalige tunesische Justizminister Noureddine Bhiri (undatiertes Foto)

Am 18. Oktober 2024 wurde Noureddine Bhiri, ein ehemaliger Justizminister und führendes Mitglied der Partei Ennahdha, zu zehn Jahren Haft verurteilt. Grundlage der Anschuldigungen gegen ihn ist ein Beitrag in den Sozialen Medien, den er seinen Angaben zufolge nicht geschrieben hat. Noureddine Bhiri wurde auf Grundlage von Paragraf 72 des tunesischen Strafgesetzbuchs beschuldigt, "versucht zu haben, einen Wechsel der Staatsform herbeizuführen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen". Er hat bereits 18 Monate in willkürlicher Haft im Gefängnis Mornaguia verbracht und wurde nun allein wegen seiner friedlichen politischen Opposition zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die tunesischen Behörden müssen Noureddine Bhiri unverzüglich freilassen und das gegen ihn verhängte Urteil aufheben, da seine Inhaftierung allein auf der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte beruht.

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Exzellenz,

am 18. Oktober 2024 wurde Noureddine Bhiri, ein ehemaliger Justizminister und führendes Mitglied der Partei Ennahdha, zu zehn Jahren Haft verurteilt. Grundlage der Anschuldigungen gegen ihn ist ein Beitrag in den Sozialen Medien, den er seinen Angaben zufolge nicht geschrieben hat. Noureddine Bhiri wurde auf Grundlage von Paragraf 72 des tunesischen Strafgesetzbuchs beschuldigt, "versucht zu haben, einen Wechsel der Staatsform herbeizuführen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen". Er hat bereits 18 Monate in willkürlicher Haft im Gefängnis Mornaguia verbracht und wurde nun allein wegen seiner friedlichen politischen Opposition zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. 

Ich fordere Sie und Ihre Regierung höflich auf, dafür zu sorgen, dass Noureddine Bhiri unverzüglich aus der willkürlichen Haft entlassen wird und dass der Schuldspruch und die Haftstrafe aufgehoben werden.

Sorgen Sie bis zu seiner Freilassung bitte dafür, dass er jede erforderliche medizinische Behandlung erhält und regelmäßig Besuch von seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen empfangen darf.

Außerdem fordere ich Sie und Ihre Regierung auf, die gezielte Festnahme von Kritiker*innen wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte, zu denen auch die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung gehören, einzustellen.

Mit freundlichen Grüßen

Your Excellency,

I write to you and your government to express my grave concern over the unjust conviction and arbitrary detention of senior Ennahdha leader and former justice minister Noureddine Bhiri. 

The Criminal Chamber of the Court of First Instance in Tunis convicted and sentenced him to a harsh ten-year in prison on politically motivated and bogus charges for a social media post he denied writing. Following a technical expertise requested by the accusation chamber, a court appointed committee concluded that he did not write the post. However, Noureddine Bhiri should never have been arrested or charged or detained in the first place, even if he had written the social media post, as it relates to the exercise of his right to freedom of expression, which is guaranteed and safeguarded by international human rights law, including Article 19 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), and Article 9 of the African Charter on Human and Peoples' Rights, to which Tunisia is a state party. 

According to Noureddine Bhiri’s defence committee, the verdict issued against him followed an unfair judicial process that violated the rule of law and fair trial guarantees. For instance, his lawyers filed a complaint against the investigative judge who interrogated Noureddine Bhiri after his arrest and who initially refused Noureddine Bhiri’s transfer to hospital despite apparent traces of beatings. On 13 February 2023, security forces violently arrested Noureddine Bhiri, severely injuring him on the shoulder. He spent several days in various medical facilities including for surgery on his shoulder, to treat fractured ribs and respiratory issues. The public prosecution disregarded the reports of torture raised by Noureddine Bhiri’s lawyers, including the judge’s denial of medical care.

I therefore urge you and your government to ensure that Noureddine Bhiri is immediately released from arbitrary detention, and that his conviction and sentence are quashed. Pending his release, I urge you and your government to ensure that he receives any medical treatment he may require and continue to allow him regular access and visits from his family and lawyers. Moreover, I call on you and your government to cease your targeted arrests of critics for the peaceful exercise of their human rights including the rights to freedom of expression, association and assembly.

Yours sincerely,

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Appell an

Président
Kais Saied
Route de la Goulette
Site archéologique de Carthage
TUNESIEN

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Tunesischen Republik
S. E. Herrn Wacef Chiha
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie und Ihre Regierung auf, dafür zu sorgen, dass Noureddine Bhiri unverzüglich aus der willkürlichen Haft entlassen wird und dass der Schuldspruch und die Haftstrafe aufgehoben werden.
  • Sorgen Sie bis zu seiner Freilassung bitte dafür, dass er jede erforderliche medizinische Behandlung erhält und regelmäßig Besuch von seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen empfangen darf.
  • Außerdem fordere ich Sie und Ihre Regierung auf, die gezielte Festnahme von Kritiker*innen wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte, zu denen auch die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung gehören, einzustellen.

Sachlage

Der ehemalige Justizminister und hochrangige Parteifunktionär der Ennahdha, Noureddine Bhiri, ist nach wie vor willkürlich inhaftiert. Die Strafkammer des erstinstanzlichen Gerichts in Tunis hat ihn wegen politisch motivierter und konstruierter Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Beitrag in den Sozialen Medien, den er seinen Angaben zufolge nicht geschrieben hat, für schuldig befunden und zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach einem von der Anklagebehörde bestellten technischen Gutachten kam ein vom Gericht ernannter Ausschuss zu dem Schluss, dass der Noureddine Bhiri zur Last gelegte Beitrag nicht von ihm verfasst wurde. Doch selbst wenn Noureddine Bhiri der Verfasser des Beitrags gewesen wäre, hätte er gar nicht erst inhaftiert oder strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Denn bei dem von Amnesty International überprüften Beitrag handelt es sich um eine Form der freien Meinungsäußerung, die durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt ist, einschließlich Artikel 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu deren Vertragsstaaten Tunesien gehört. 

Den Rechtsbeiständen von Noureddine Bhiri zufolge war das Urteil Folge eines unfairen Gerichtsverfahrens, das gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Verfahrensrechte verstieß. So reichten seine Rechtsbeistände Klage gegen den*die Ermittlungsrichter*in ein, der*die Noureddine Bhiri nach seiner Festnahme befragt und die Verlegung von Noureddine Bhiri ins Krankenhaus trotz erkennbarer Spuren von Schlägen zunächst verweigert hatte. Am 13. Februar hatten Sicherheitskräfte Noureddine Bhiri gewaltsam festgenommen und ihm dabei schwere Schulterverletzungen zugefügt. Er verbrachte mehrere Tage in verschiedenen medizinischen Einrichtungen, wo er unter anderem an der Schulter operiert und wegen gebrochener Rippen und Atemproblemen behandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft ignorierte die Folterberichte der Rechtsbeistände von Noureddine Bhiri, darunter auch Berichte über die Verweigerung der medizinischen Versorgung durch den*die Ermittlungsrichter*in.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Noureddine Bhiri ist führendes Mitglied von Ennahda, der größten tunesischen Oppositionspartei, und ehemaliger Justizminister, der von 2011 bis 2013, nach der Amtsenthebung von Präsident Zine el Abidine Ben Ali und nach den Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung, in der Koalitionsregierung tätig war. Er ist Anwalt und Mitglied der tunesischen Anwaltskammer und war zudem lange Vizepräsident von Ennahda, eine politische Partei, die vor dem 25. Juli 2021 die Mehrheit im Parlament innehatte. Damals wurde die Partei von Präsident Kais Saied unter Berufung auf Notstandsbefugnisse gemäß Artikel 80 der Verfassung suspendiert. Seit der Parlamentsauflösung im Juli 2021 kritisiert die Partei Präsident Saieds Machtkonzentration und bezeichnet diesen Schritt als "Putsch".

Die Behörden nehmen insbesondere Mitglieder von Ennahdha, der größten tunesischen Oppositionspartei, ins Visier und untersagen der Partei, in ihren Niederlassungen Versammlungen abzuhalten. Sie haben gegen mindestens 21 führende und andere Mitglieder von Ennahdha strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und mindestens zwölf festgenommen. Am 30. Oktober 2023 verurteilte das Berufungsgericht in Tunis Rached Ghannouchi, den Vorsitzenden von Ennahdha und ehemaligen Sprecher des aufgelösten Parlaments, wegen öffentlicher Bemerkungen unter dem Antiterrorgesetz von 2015 zu 15 Monaten Haft.

Die Festnahme von Noureddine Bhiri am 13. Februar 2023 und seine anschließende Inhaftierung gehen auf kritische Online-Kommentare zurück, die er nach Angaben der Behörden am 8. Januar 2023 auf seiner privaten Facebook-Seite gepostet hatte. Ungefähr zur selben Zeit fand eine Demonstration statt, die von Mitgliedern der oppositionellen Nationalen Erlösungsfront (NSF) organisiert worden war. Von einem der Rechtsbeistände von Noureddine Bhiri wurde Amnesty International eine Kopie des Facebook-Beitrags zur Verfügung gestellt. In dem Beitrag wird zum "friedlichen Widerstand gegen den Putsch" aufgerufen. Weiter heißt es darin, dass "die Menschen keine Angst vor dem Putsch haben sollten und dass sie Führung brauchen". Noureddine Bhiri bestreitet allerdings, den Beitrag verfasst zu haben. In jedem Fall jedoch stellt der Facebook-Beitrag, der online nicht mehr verfügbar ist, eine Form der freien Meinungsäußerung dar, die durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt ist.