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Tunesien: LGBTI-Aktivist von Polizisten angegriffen
Appell an
Minister of Justice
Leila Jaffel
c/o Botschaft der Tunesischen Republik
Herrn Chiheb Chaoch, Gesandter
Lindenallee 16
14050 Berlin
Sende eine Kopie an
Botschaft der Tunesischen Republik
Herrn Chiheb Chaoch, Gesandter
Fax: 030-3082 0683
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn
Amnesty fordert:
- Bitte fordern Sie die Staatsanwaltschaft dazu auf, eine wirksame und unparteiische Untersuchung aller gewaltsamen Angriffe auf Badr Baabou einzuleiten und die Verantwortlichen in einem fairen Verfahren zur Rechenschaft zu ziehen. Die wiederholten Angriffe müssen sofort aufhören.
- Ich fordere Sie auf, die Straffreiheit für Polizist_innen zu beenden. Misshandlung und Gewalt gegen Bürger_innen sind in Tunesien auch heute noch weit verbreitet. Die meisten Ermittlungen gegen Sicherheitskräfte kommen kaum über die Ermittlungsphase hinaus, und keine einzige hat bisher zu einer erfolgreichen Verurteilung geführt.
Sachlage
Der Menschenrechtsverteidiger und LGBTI-Aktivist Badr Baabou wurde am 21. Oktober beleidigt und angegriffen, offenbar im Zusammenhang mit seinem Aktivismus. Er sagte Amnesty, dass er gegen 21:00 Uhr ein Café in der Innenstadt von Tunis verließ und ein Taxi suchte. Plötzlich tauchten zwei Männer auf, die er für Angehörige der Sicherheitskräfte hielt, und die sich auf Nachfrage als "Bullen" bezeichneten. Sie pöbelten ihn an, beschimpften ihn und schlugen ihn zusammen. Als er blutend am Boden lag, stahlen sie seinen Laptop und sein Mobiltelefon. Sie sagten ihm, die Schläge seien eine Vergeltung dafür, dass er Beschwerden gegen die Polizei eingereicht und "Huren und [eine abfällige Bezeichnung im tunesischen Arabisch für Homosexuelle]" verteidigt habe.
Badr Baabou erlitt durch den Angriff zahlreiche Verletzungen, unter anderem an Kopf, Gesicht, Brustkorb, Wirbelsäule und Armen. Dies ist in einem medizinischen Bericht beschrieben, den er Amnesty International zur Verfügung stellte. Außerdem hat er mehrere Prellungen und Ödeme im Gesicht, am Hals und an der Schulter und leidet unter Schmerzen im Nacken, Rücken und in der rechten Schulter, die seine Beweglichkeit einschränken.
Badr Baabou ist Vorsitzender von DAMJ, der "Tunesischen Vereinigung für Gerechtigkeit und Gleichheit", die sich für die Rechte von LGBTI+ einsetzt. In den vergangenen Jahren wurde er mehrfach von den Sicherheitskräften angegriffen und schikaniert. Am 25. Oktober reichte der Aktivist beim erstintanzlichen Gericht in Tunis eine Beschwerde ein gegen den Generaldirektor des Geheimdiensts, den Generaldirektor der Öffentlichen Sicherheit, den regionalen Leiter der Öffentlichen Sicherheit sowie gegen die beiden mutmaßlichen Sicherheitskräfte, die ihn angegriffen und ausgeraubt hatten. Eine Antwort auf die Beschwerde steht noch aus.
Hintergrundinformation
Badr Baabou setzt sich für die Rechte von LGBTI+ ein und ist Mitbegründer von DAMJ, einer der bekanntesten LGBTI-Gruppen Tunesiens. Am 21. Oktober 2021 verließ Badr Baabou gegen 21:00 Uhr ein Café im Stadtzentrum von Tunis, wo er sich mit Freund_innen getroffen hatte, und ging in Richtung des großen Kreisverkehrs "Monguella", um ein Taxi zu suchen. Dort wurde er auf der Straße von zwei unbekannten Männern angesprochen. Der erste Mann, der neben Badr Baabou ging, trug ein T-Shirt und eine dunkle Hose mit der Aufschrift "Öffentliche Sicherheit" und verhöhnte Badr Baabou, weil er Beschwerden gegen Polizist_innen eingereicht hatte. Badr Baabou fragte den Mann, wer er sei, und dieser antwortete mit einem Ausdruck in tunesischem Arabisch, der so viel wie "die Bullen" bedeutet. Der zweite Mann, der Zivilkleidung trug, erschien etwas später und packte Badr Baabou an seinem Rucksack, während der erste Mann Badr Baabou mehrmals auf den Kopf schlug. Die beiden Männer drängten ihn in eine dunkle Seitenstraße, die Rue Kemal Ataturk, wo er zu Boden fiel. Sie schlugen ihn wiederholt mit den Fäusten und traten mit ihren Stiefeln gegen Kopf, Hals und Beine. Dabei beleidigten sie ihn und riefen "die Bullen", bis er fast das Bewusstsein verlor. Schließlich nahm der Mann in Zivil Badr Baabous Mobiltelefon und seinen Laptop aus dessen Rucksack und konfiszierte sie. Die beiden Männer sagten ihm, die Schläge seien eine Vergeltung für seine Beschwerden gegen die Polizei. Nachdem sie gegangen waren, stand Badr Baabou mit blutendem Kopf wieder auf, fuhr mit dem Taxi nach Hause und rief von dort aus eine_n befreundete_n DAMJ-Aktivist_in und den Rechtsbeistand der Vereinigung an. Die beiden begleiteten Badr Baabou in die Notaufnahme des Rabta-Krankenhauses in Tunis, wo er untersucht wurde. Die Kopie des medizinischen Berichts liegt Amnesty International vor.
Nach Angaben von DAMJ und Human Rights Watch wurde Badr Baabou mehrfach schikaniert, angegriffen und bedroht. 2018 gab es einen Einbruch in seine Wohnung in der Innenstadt von Tunis, wobei private und berufliche Laptops mit sensiblen Informationen über DAMJ gestohlen wurden. Im November 2019 wurde er in Tunis von Unbekannten angesprochen, die ihm mit Mord und dem Niederbrennen seiner Wohnung drohten. Im März 2020 befragten Polizist_innen seine Nachbar_innen über seine Arbeit als Aktivist. Durch diese Vorfälle war Badr Baabou gezwungen, häufig umzuziehen.
Am Abend des 10. März 2021 griffen vier Männer in Zivil Badr Baabou in der Innenstadt von Tunis an, als er eine Bar verließ. Ein_e Passant_in griff ein und trennte die Männer von Badr Baabou. Danach schlossen sich die Männer einer Gruppe von Polizisten an, die den Vorfall beobachtet hatten, ohne einzuschreiten. Badr Baabou reichte wegen des Vorfalls bei der Staatsanwaltschaft des erstinstanzlichen Gerichts in Tunis Beschwerde ein. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft ihn nicht über den Fortgang der Beschwerde informiert.
LGBTI-Aktivist_innen in Tunesien berichten in den letzten Jahren über verschiedene Formen der Schikane durch die Behörden, darunter verbale Beleidigung bei Protesten sowie Übergriffe, Überwachung und Festnahmen auf der Grundlage weit gefasster Gesetze, die beispielsweise die Beleidigung der Polizei und die Verletzung der öffentlichen Moral unter Strafe stellen.